Kieferorthopädie in Innsbruck: Prof. Dr. Adriano Crismani

„Die Zeit vergeht. Es ist ein Irrsinn", heißt es in dem Michael Haneke-Film „Lemminge". Und so ist es schon wieder zwei Jahre her, dass ZMT ein Interview mit Prof. Dr. Adriano Crismani führte, der seit März 2009 als Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Kieferorthopädie tätig ist. Es war daher an der Zeit, die klassische Frage „Was gibt es Neues?" zu stellen.
► Wie sieht Ihr Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre aus?
CRISMANI: Ich denke, man kann von einer positiven Entwicklung in allen Bereichen sprechen. Was die Patientenversorgung an der Klinik für Kieferorthopädie betrifft, hat die Anzahl der Patienten deutlich zugenommen.
Die Kooperation mit anderen Kliniken funktioniert sehr gut, etwa im Rahmen der Spezialambulanzen für LKG-Spalten und Gesichtsfehlbildungen. Es gibt Kooperationen mit der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der HNO, der Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, der plastischen Chirurgie, dem Department für Kinder- und Jugendheilkunde und der Klinik für Neurologie. Hier arbeiten wir mit dem Schlaflabor zusammen. Bei Schlafapnoe-Patienten, die die CPAP-Maske nicht vertragen, kommt eine „Schnarchschiene" zum Einsatz. Projektverantwortliche ist Frau DDr. Schustereder. Im Rahmen der Modernisierung der Abteilung haben wir kürzlich einen 3D-Scanner für das Einscannen der kieferorthopädischen Modelle bestellt (wie ihn die Wiener Zahnklinik bereits besitzt). Weiters gibt es auch ein neues Computerprogramm für die Durchzeichnung der Fernröntgen und für die Verwaltung der Fotos.
Für die Studierenden der Zahnmedizin besteht jetzt die Möglichkeit, ein Semester vor dem Ablegen der Diplomprüfung ein Praktikum, eine Art Refresher-Kurs, an unserer Klinik zu machen. Pro Woche besuchen zwei Studenten die Abteilung und werden in die Arbeit eingebunden. Generell ist das Interesse unter den Studenten und Studentinnen in Innsbruck an der Kieferorthopädie gestiegen, was sich etwa darin zeigt, dass ich zuletzt ein Drittel der Diplomarbeiten des letzten Jahrganges betreut habe.
Was gibt es Neues im Bereich der Forschung?
CRISMANI: Wir haben in Tirol (unter der Leitung von Frau Dr. Schwarz) eine epidemiologische Pilotstudie zum Thema Zahnfehlstellungen durchgeführt. Es handelt sich dabei um die österreichweit erste Untersuchung dieser Art. Im Rahmen der Studie wurden 140 Tiroler Schulkinder im Alter zwischen 8 und 10 Jahren auf einen kieferorthopädischen Behandlungsbedarf hin untersucht. Dabei zeigte sich bei 40 Kindern ein eindeutiger Behandlungsbedarf. Interessant hierbei ist, dass 26 Prozent der Eltern die Behandlungsbedürftigkeit nicht erkannten.
Weiters sind wir dabei, im Tierexperiment zu untersuchen, ob eine Modifikation der Oberfläche von Minischrauben zu einem besseren Halt führt. Wenn ja, wäre eine Reduktion der Dimensionen möglich.
Welche Dimension ist nach derzeitigem Wissensstand bei Minischrauben notwendig?
CRISMANI: Wir haben klinische Studien analysiert, in denen zumindest 30 Schrauben eingesetzt worden waren. Generell ist die Osseointegration bei Minischrauben geringer als bei einem klassischen Implantat. Die primäre Stabilität steigt, wenn die Minischrauben mindestens 8 mm lang und 1,5 mm dick sind.
Bietet Ihre Abteilung Kurse zum Thema „Minischrauben in der Kieferorthopädie" an?
CRISMANI: Ja, erst kürzlich haben wir in Innsbruck wieder einen Kurs durchgeführt, bei dem die Teilnehmer die Möglichkeit hatten, direkt an Leichenexponaten unter ähnlichen Bedingungen wie in der Realität Minischrauben auch interradikulär zu setzen. Dies ist keine einfache Sache - schließlich sollen die Wurzeln nicht verletzt werden. Die Teilnehmerzahl bei diesem einzigartigen Kurs ist steigend. Die Veranstaltung wird sicher auch nächstes Jahr wieder stattfinden.
Was ist aus Ihrer Sicht zur Osteodistraktion bei
Zahnankylose zu sagen?
CRISMANI: Die Osteodistraktion ist in schwierigen Situationen, wenn ein oder mehrere Zähne ankylosiert sind, speziell im posterioren Bereich hilfreich. Die Zähne werden samt Knochen bewegt und in die richtige Position (Okklusion) gebracht. Durch diese Distraktion kommt der Knochen mit dem Zahn mit. Sollte dabei die Zahnwurzel resorbiert werden, kann eine Implantation bei verbesserter Ausgangslage vorgenommen werden. Zu diesem Thema werde ich übrigens im März nächsten Jahres im Rahmen der „Transatlantic Orthodontic Alliance" in München einen Vortrag halten.
Herzlichen Dank für das Interview!
Das Gespräch führte Dr. Peter Wallner
Allgemeine
Informationen

Das Department Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie besteht aus drei Universitätskliniken: Zahnersatz/Zahnerhaltung, Kieferorthopädie und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, die in zwei verschiedenen Gebäuden untergebracht sind, Medizinzentrum Anichstraße (MZA) und Frauen- und Kopfklinik (FKK) - jeweils 1. Stock.
Geschäftsführender Direktor Department für Zahn,- Mund- und Kieferheilkunde und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie Direktor der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschir-urgie:
Prof. Dr. Dr. Michael Rasse
www.zmk-innsbruck.at
Prof. Dr.
Adriano Crismani