OMR Dr. Erwin Senoner: Ein Leben für die Standespolitik

Eigentlich war er der schärfste Kritiker der Standespolitiker, doch gerade seine Unzufriedenheit war die Motivation, selbst in die Standespolitik zu gehen. Nach über 20 Jahren zog er sich nun aus allen Kammerfunktionen zurück. Wir haben ein sehr persönliches Gespräch mit ihm geführt.

Über 20 Jahre standespolitische Tätigkeit - wie sieht Ihre Bilanz aus?
SENONER: Wir haben viel erreicht, aber nicht alles, ich bin zufrieden, aber nicht ganz. Stolz bin ich, dass es mir gelungen ist, den kassenfreien Raum zu erhalten. Es ist schon lange her, der Kassenkatalog war noch gut dotiert, und so wollten viele Kollegen möglichst alle Positionen in den Katalog bringen, nach deutschem Vorbild. Ich habe gewusst, dass dies nicht gut wäre und dagegen gekämpft. Einige Disziplinarverfahren und ein Gerichtsverfahren hat es mir eingebracht, letztlich aber konnte ich dieses Vorhaben abwenden. Heute könnten wir ohne den kassenfreien Raum nicht überleben.

Wir konnten in Salzburg das Notdienstzentrum errichten, wir haben das Narkose-Behandlungszentrum für Behinderte eröffnet, wir haben die Fortbildungsakademie gegründet, es ist also schon viel geschehen. Es ist auch gelungen, die Spaltung der Kollegenschaft (West - Ost) zu verhindern. Fast im Alleingang habe ich es geschafft, dass vor ungefähr zehn Jahren die Interpretationen des Kassenvertrages nicht ratifiziert wurden, es wäre ruinös gewesen. Auch der Streit um die Wettbewerbsverzerrung, sprich „Ambulatoriumskronendiskussion", bei der ich an vorderster Front vor allem medial gekämpft habe, konnte schließlich zu einem für die niedergelassene Zahnärzteschaft guten Ergebnis gebracht werden, obwohl wir damals von der übrigen Ärzteschaft zugunsten der Hausapotheke im Stich gelassen wurden.

Sie waren ja ursprünglich mit Ihrer Standesvertretung sehr unzufrieden!
SENONER: Ja, und das war der Grund, warum ich 1989 den Verein der niedergelassenen Zahnärzte in Salzburg mitbegründet habe. Ich war unzufrieden, wollte die Qualität der Zahnärzteschaft und gleichzeitig das Image verbessern. Aber als Verein hat man keine Power, als Kammer schon, da müssen die Politiker zuhören. So also übernahm ich 1992 in der Salzburger Ärztekammer die Fachgruppenführung, um die Ziele des Vereines nun innerhalb der Kammer besser umzusetzen.
Ich trat 1994 zur Ärztekammerwahl an und bekam auf Anhieb mehr Stimmen, als es Zahnärzte gab, und damit auch den Anspruch auf die Vizepräsidentschaft, was natürlich von der niedergelassenen Ärzteschaft nicht goutiert wurde. Einen Zahnarzt als Vizepräsident, das wollten viele nicht. Die Spitalsärzte aber boten mir die Präsidentschaft an! Das wäre sehr reizvoll gewesen. Ich verzichtete aber darauf und bekam im Gegenzug dafür die Kurienlösung und damit eine gewisse Autonomie für die Zahnärzteschaft und den Vizepräsidenten für die ZÄ von Amts wegen. Das war sicher ein guter Mosaikstein in der „Kammerwerdung". Die anderen Bundesländer folgten erst fünf Jahre später mit der Kurienlösung.

Wie sehen Sie als ehemaliger Befürworter des Integrationsmodells heute die eigene Kammer?
SENONER: Die eigene Zahnärztekammer ist ein Erfolg. Das Integrationsmodell wäre natürlich sehr gut gewesen, allerdings einfach nicht machbar. Der Sündenfall war nicht die eigene Kammer, sondern das eigene Studium. Bereits 1994 haben wir in der Kammer ein eigenes Studienmodell entworfen, und zwar als Teil der gesamten Heilkunde, doch der damalige Wissenschaftsminister Dr. Busek wollte davon nichts wissen. Nun haben wir also das Dr. med. dent. Studium, und so den Weg vom Zahnarzt zum Dentalingenieur beschritten. Schade, denn die Medizin wird in der Zahnheilkunde immer wichtiger.

Eines Ihrer Ziele war ein neues, prophylaxeorientiertes Kassenvertragssystem. Wird das noch einmal Wirklichkeit?
SENONER: Es sieht nicht danach aus. Noch hat niemand das Einsparungspotenzial, das in der Prophylaxe liegt, erkannt. Die volkswirtschaftliche Umwegrentabilität wird im Gesundheitswesen nicht berücksichtigt. Und vor allem: Das Grundübel in der Zahnheilkunde ist, dass die Zahnärzte in ihrem ureigensten Bereich, nämlich der Zahnerhaltungskunde, nichts verdienen!

Ein anderes Ziel war die „kariesfreie Jugend 2020"?
SENONER, Ja, aber das wurde leider kammerintern abgewürgt. Daraus entstand schließlich der „Monat der Mundgesundheit". Wir können die Kinder bis 2020 kariesfrei machen, das war die Vision 2020, doch leider war das nicht das vorrangige Ziel in der Kollegenschaft, es gab ja auch keinen Anreiz dazu, im Gegenteil.

Ihre anfängliche Beziehung zu Präsident DDr. Westermayer ist legendär. Wie sehen Sie das heute?
SENONER: Wir sind beide mit Leib und Seele Standespolitiker und haben in der Sache gnadenlos gestritten. Es ging aber immer um die Sache und nicht persönlich um uns. Mit der Zeit haben wir uns angenähert, zum Schluss sind wir eigentlich wirklich echte, gute Freunde geworden und ich möchte sagen, dass ich Dr. Westermayer außerordentlich schätze; er ist ein außerordentlich guter Standespolitiker und hat mich sehr oft in wichtigen Bereichen, wie etwa bei der Errichtung des Salzburger Notdienstzentrums oder der zahnärztlichen Versorgung behinderter Menschen in Narkose, sehr unterstützt.

Würden Sie heute rückblickend noch einmal in die Standespolitik gehen?
SENONER: JEIN! Da bin ich wirklich unsicher. Es kostet so viel Substanz, so viel Freizeit, man braucht sehr gute Nerven. Wir oft habe ich mich selbst nicht verstanden, wenn ich bei schlechtem Wetter mitten in der Nacht Hunderte Kilometer nach Hause gefahren bin, um rechtzeitig in der Früh die Ordination wieder aufmachen zu können. Aber, JA, wahrscheinlich würde ich es doch wieder tun!

Würden Sie heute etwas anders machen?
SENONER: Schwierige Frage! Als Standespolitiker muss man in erster Linie reagieren, und da denke ich doch, dass ich nur wenig Fehler gemacht habe. Zum Agieren bleibt ja leider wenig Zeit, da müsste man schon hauptberuflich Standespolitiker sein können, so wie in Schweden z.B., die nicht nur ein Salär beziehen, sondern auch einen Vertreter für ihre Ordinationen bekommen. Diese Zeit würde ich heute einfordern.

Welchen Rat können Sie den jungen Kollegen mit auf den Weg geben?
SENONER: Erfahrung sammeln, nach dem Studium bei etablierten Zahnärzten hineinschnuppern und schauen, was man wirklich für eine Ordination braucht. Nicht gleich überinvestieren, vernünftig beginnen, bedarfsorientiert handeln, evidenced-based behandeln, vor allem aber: Zusammenhalten! In meiner Zeit als junger Zahnarzt war das Konkurrenzdenken lange nicht so groß wie heute, und das ist für die jungen Zahnärzte sehr schlecht. Ein reger Meinungs- und Erfahrungsaustausch ist wichtig, um sich nicht aus Unerfahrenheit vom Markt überrollen zu lassen.

Wir danken ganz herzlich für das Gespräch, vor allem aber für die gute Zusammenarbeit in den letzten 15 Jahren, und wünschen OMR. Dr. Senoner alles Gute.
Das Gespräch führte Dr. Birgit Snizek

Meilensteine

1986 Gründung der Kinderkrebshilfe und Obmann derselben
1987 Mitbegründer des Kinderkrebs-Forschungsinstituts im St. Anna Kinderspital
1988 Gründung des Dachverbandes „Österreichische Kinderkrebshilfe", er ist der Präsident, nach dem Tod seiner Tochter (1990) Rückzug als Obmann, seither Ehrenpräsident auf Lebenszeit der Österreichischen Kinderkrebshilfe mit Sitz und Stimme
1989 Gründung der Vereinigung der niedergelassenen Zahnärzte in Salzburg
1992 Fachgruppenführung
1994 erstmals als wahlwerbende Gruppe angetreten - Vizepräsidentschaft der Ärztekammer, Kurienreform
1999-2003 Prophylaxereferent der Österreichischen Ärztekammer
2001-2001 Vorsitzender des Landesschiedsamtes für die vertragszahnärztliche Versorgung Bayerns in München, als erster Ausländer
2004 stellvertretender Obmann der Bundeskurie der Zahnärzte
2005 Gründung der zahnärztlichen Genossenschaft
2006 Präsident der Landeszahnärztekammer Salzburg
Vizepräsident der Österreichischen Zahnärztekammer
Pressereferent der Österreichischen Zahnärztekammer

OMR Dr. Erwin Senoner:
?Das Grundübel in der
Zahnheilkunde ist,
dass die Zahnärzte
in ihrem ureigensten
Bereich, nämlich der
Zahnerhaltungskunde,
nichts verdienen!?