Frust oder Lust an der Zahnheilkunde?

Warum schreibt man etwas, wenn man nur angegiftet wird? Warum schreibt man etwas, wenn sich eh nichts ändert? Warum schreibt man etwas, wenn man nichts bewegen kann?

Lauter blöde Fragen; pseudopsychologisch! Bestenfalls Selbstmitleid des Autors und somit uninteressant. Nachdem selbiger in der letzten Ausgabe einmal ausgesetzt hat - eigentlich nur, um die Wahlen nicht bösartig zu kommentieren - meldet er sich zurück.

Zur ersten oben genannten Frage: ...wenn man nur angegiftet wird? Naja, erstens sollte man nicht wehleidig sein, wenn man austeilt. Zweitens schmerzt mich eine Antwort dieser Art des von mir hochgeschätzten OMR Dr. Senoner in der ÖZZ 4/2011, Seite 4-5 schon ein bisschen. Aus mehreren Gründen: Der Ausdruck Dentalgazette für unsere ZMT ist unpassend; außer man unterscheidet zwischen freien Medien mit freier Meinungsäußerung und Kammerzeitungen wie der ÖZZ mit vorgegebener Meinungsäußerung - oder glaubt wirklich irgendein niedergelassener Kollege an die standespolitischen Erfolgsmeldungen, die dort geäußert werden? Wenn man freie Medien, in denen Meinungen eines Autors geduldet werden, als Gazetten bezeichnen will, dann kann ich damit leben.
So weit zum Ausdruck Gazette des Herrn OMR.

Wirklich nett finde ich dann aber die Passage: „... wenn jemand, der sich zwar selbst nicht zur Verfügung stellt... heiße Tipps gibt, wie z.B.: die Kassentarife müssen angehoben werden. Potz Blitz, auf so was wären wir überhaupt nicht gekommen!" Diese Stelle des Artikels mag ich besonders. Herr OMR: Ich habe mich zur Verfügung gestellt, mir ist annähernd klar, was eine Kammer kann und was nicht. Ich behaupte, die ÖZÄK tut zu wenig für ihre Mitglieder, und die Landes-zahnärztkammern können nicht viel daran ändern. Ja, es ist beschämend, dass wir jedes Jahr einen absehbaren, berechenbaren Verlust einfahren müssen, weil die Kassentarifsteigerungen weit unter der Inflationsrate liegen. Ja, es ist traurig, dass sich Kollegen außertarifliche Therapieschemata einfallen lassen müssen, um überleben zu können. Und es ist bestürzend, dass das Kammerblatt darauf nicht anders reagiert als mit einer unsachlichen Replik auf meinen Artikel.

Erklären Sie bitte, sehr geschätzter Herr OMR Senoner, den Kollegen, warum die Margen immer kleiner werden, erklären Sie ihnen bitte, warum Kollegen aus ihrem Privatvermögen zwischenzeitlich die Ordination am Leben halten sollen. Die Zeiten haben sich leider geändert, Herr OMR; zu Ihrer Zeit war zahnärztliche Tätigkeit auch nicht immer fair belohnt, aber es hat sich meistens gerechnet. Fragen Sie einen jungen Kollegen, wie es heute aussieht, und nur ganz wenige - wenn überhaupt - sind abgehobene, wirtschaftliche Vollidioten.

Um Ihren Artikel weiter zu zitieren: ... dass die Kassentarife schlecht wären und dringendst angehoben gehörten ... Ja, Herr OMR, dieser Meinung bin ich, auch wenn die Kasse nein sagen sollte. Zwei Schlüsse lassen sich für mich daraus ziehen: Erstens, in den vergangenen Jahrzehnten - sagen wir in den besseren, wenn auch nicht leichteren Jahren, hat unsere Standesvertretung verabsäumt, prospektiv zu denken. Gut, Ärzte müssen keine Wirtschaftswissenschafter sein, aber die Tendenz war zumindest in den letzten 20 Jahren klar (so lange bin ich auch schon dabei). Und was hat die vorher abhängige (von der Ärztekammer) Zahnärzteschaft dagegen gemacht? Was macht die heute unabhängige, weil eigene Standesvertretung Zahnärztekammer dagegen? Selbst als Standesvertreter - und noch bin ich einer, zumindest bis zur Wahl - sehe ich kaum Tendenzen. Zweiter Schluss ist: Falls wir in Verhandlungen keine Erfolge für unsere Kollegenschaft erzielen, sollten wir doch einmal über Alternativszenarien nachdenken. So zum Beispiel: ein vertragsloser Zustand - absolutes Pfui-Wort für eingesessene Kassenkollegen und Funktionäre, ist mir klar. Aber was haben wir zu verlieren? Entweder wir gehen schön langsam ein (rückläufige Umsätze ...) oder wir versuchen, wieder leistungsgerecht honoriert zu werden. Was kratzt uns ein vertragsfreier Zustand? Sehr geehrte Herren Oberfunktionäre, schauen Sie doch bitte einmal, wie viele Wahlärzte sich in den letzten zehn Jahren niedergelassen haben, und die leben alle noch - Gott sei Dank - , und nicht einmal schlecht! Recht haben alle Wahlärzte gehabt, sie haben keine „Ablöse" gezahlt, sie arbeiten genauso brav wie alle Kassenärzte, bekommen dafür aber korrekt bezahlt. Wo ist der Denkfehler, Herr OMR Senoner?

Nächstes Zitat: „... anonyme Schreiber ... hat leider keine Ahnung ..." Ja, das ist allerdings richtig. Ich war Gott sei Dank nie bei Verhandlungen mit der GKK e.a. sowie bei dem Zustandekommen der gesetzlichen Rahmenbedingungen dabei. Denn einerseits hätte ich bei diesen Gelegenheiten ziemlich sicher meine gute Kinderstube vergessen und würde mich andererseits als Standesvertreter heute noch vor meinen Kollegen dafür schämen. Ja, und dann kommt, anders als in „irgendwelchen Gazetten", die ÖZZ-typische standespolitische Eigenlobhudelei: „In der Relation dazu, dass in Deutschland ..." Ja, wir haben mit Globalisierung zu tun, aber bitte erklären Sie das den Kollegen in entsprechender Form. Wollen wir hier deutsche Zustände des sich-gegenseitig- im-Internet-Unterbietens?

Sehr geehrter Herr OMR Senoner, mir ist klar, was Sie für die Kollegenschaft schon geleistet haben und welchen sozialen Einsatz Sie bisher geboten haben, deshalb schmerzt mich die Kritik aus Ihrer Feder. In einer stillen Minute, wenn Sie über unser System nachdenken, wissen Sie genauso gut wie ich, dass einiges nicht stimmt, die Kollegenschaft unzufrieden ist. Abgesehen von den kammerspezifischen Klaqueuren werden Sie kaum wirklich zufriedene niedergelassene Kollegen finden; und das liegt sicher nicht an der Raffgier der Kollegenschaft.

Nebstbei, ich bin kein Notengeber, das maße ich mir sicher nicht an. Ich bin - ebenso, wie viele meiner KollegInnen - einfach unzufrieden mit den Rahmenbedingungen, die für uns „geschaffen" wurden; trotzdem sehe ich noch immer eine Berufung in unserem Beruf, nur müssen wir zusehends wirtschaftlicher denken, sonst gehen wir als freier Berufsstand unter.

Gut, nach all diesen bedeutungsschweren Repliken, wollen wir uns doch zur Auflockerung am Schluss noch lustigeren Dingen zuwenden: Kammerpolitik im Dental Tribune? O.k; schlechter Ansatz - das wollen wir nicht besprechen. „Der Zahnarzt/die Zahnärztin als Schutzengel" O-Ton aus Danube Private University Tribune. Auch ein schlechter Ansatz für einen halblustigen Ausklang des Artikels. Aber - und das muss man neidlos zugeben: PR-technisch genial, der Herr Pischel.
Probieren wir es doch anders: Werbeverbot/-einschränkung der Kollegenschaft.

Denis&Focus Zahnklinik in H-9200, Mosonmagyarovar - sendet in Österreich einen Folder aus, den mir ein wissbegieriger Patient überlassen hat. Das ist keine Umgehung des Werbeverbots, die ich hier betreibe; ich finde es einfach interessant, welchen Wissensvorsprung unsere Patientenschaft hat. Echt Klasse, das Ding, dieser Folder, wenn auch in schlechtem Deutsch. Das kann man bei diesen Preisen nachsehen, außerdem wird ein „wertvolles Gewinnspiel" angeboten („Sie brauchen nichts anderes zu machen, bloß uns jemanden weiterzuempfehlen"). „Das Gewinnspiel wird von dem Patienten, der unserer Zahnklinik den meisten Personen empfohlen hat und die meisten neuen Patienten an unsere Klinik geschickt hat, gewonnen" - Originaltext! Dagegen nimmt sich doch die „Land des Lächelns-Kampagne" wie ein Vorschulspiel aus. Egal. Wirklich interessant wird es erst bei der Preisliste: Gratis sind: Infonummer, Abholdienst, Erstuntersuchung, Kostenvoranschlag, Kontrolle, ... Ozon-Wundbehandlung, Oral-Kamera. Super.

Gut, Zahnziehen 50 Euro ist im Vergleich zum Kassentarif nicht ganz so bescheiden. Implantat Nobel Biocare 770 Euro geht, aber: vorher Pano 40 Euro, forensisch korrekt: nachher Pano 40 Euro, Narkose? 100 Euro (nicht intravenöse Narkose, die kostet 300 Euro), eventuell Knochenaufbau partiell: 800 Euro. Hallo, warum, liebe Patienten, fahrt ihr nach Ungarn???

Darum sollte sich unsere Kammer kümmern, auch nach der Wahl, die ja bei Erscheinen dieser Ausgabe hoffentlich schon vorbei sein wird. Und um geänderte Kassentarife, damit es in Österreich auch weiter noch Kollegen geben wird, die reale, reelle Arbeit bieten und davon leben können, ohne Schnick-Schnack. So richtig ehrliche, echte Zahnheilkunde. Dafür sollte unsere Vertretung stehen, besonders nach der Wahl.

a.beobachter