Fallbeispiele - Die vielen Fremdmaterialien

Wenn ein Internist sich mit dem Thema Zahnwerkstoff auseinandersetzt, muss das einen besonderen Grund haben. Hierfür gibt es eine ganz einfache, allerdings auch provokante Erklärung.

Keine Fachrichtung bringt so viele unterschiedliche Fremdmaterialien in den Körper ein wie die Zahnmedizin. Und das kann im Körper unserer Patienten weitreichende Folgen haben:
Entzündungen: spezifische  oder unspezifische Immunzellaktivierung (z.B. auf Titanoxidpartikel, Mercaptane, Thioäther.)
• Allergie Typ I (z.B. auf Acrylate, Wurzelfüllmaterialien, Lokalanästhetika)
• Allergie Typ IV (z.B. auf viele Metalle, Kunststoffe, Zemente, Wurzelfüllmaterialien)
• Autoimmunität/Auto-AK (bei Au, Pd, Hg, Ni, Cr)
• Galvanik der „Mundströme“, also Stromfluss zwischen edlen und undlen Metallen mit dem Speichel als Leitmedium
• Intoxikation als „quanitative Problematik“ ( Hg, Amalgam, Kunststoffe, Fluoride)
Obwohl die Medizin um all diese Konsequenzen weiß, sehe ich jeden Tag einen wilden Materialmix in den Mundhöhlen meiner Patienten. Und auf Nachfrage weiß erschreckend oft weder der Patient noch der Vorbehandler, welche Materialien nun genau beim Patient verwendet wurden. Da sich Symptome oft nicht (nur) lokal zeigen, landen die Patienten viel häufiger bei anderen Fachärzten als bei uns Zahnärzten. Doch wir, als Urheber von eventuell gesundheitlichen Störungen durch dentale Materialien, haben die Aufgabe, uns mehr als jeder andere mit diesem Themenkomplex zu befassen. Wir sollten uns bei jeder neuen Versorgung Gedanken darüber machen, welche Materialien für diesen Patienten bei seiner bereits vorliegenden Mund- und Gesamtsituation optimal sind.
Anhand einiger Patientenfälle möchte ich Sie dazu einladen, diesem Thema in der Zukunft mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Der Klassiker: Gold und Amalgam

Fall 1:
Der Patient Herr M. stellte sich bei uns vor. Er hatte 1996 all seine Amalgamfüllungen wegen einer nachgewiesenen Amalgamintoxikation entfernen lassen und eine Ausleitung durchgeführt. In den seither immer wieder erhobenen DMPS- Tests zeigten sich dennoch erhöhte Werte. Zudem war er mit der im Rahmen dieser Sanierung eingebrachten Goldkrone nicht zufrieden, da seit der Eingliederung der Kronen dauerhaft Schmerzen in diesen Bereichen aufgetreten waren. Diese waren jetzt so stark, dass er die Krone wieder entfernen lassen wollte. Beim Kronenaustausch konnten wir das Rätsel um die anhaltende Quecksilberbelastung lösen. Der Vorbehandler hatte einige der alten Amalgamfüllungen nicht entfernt, sondern sie als Aufbaufüllung unter seinen Kronen benutzt. Dies führte zu dauerhafter Korrosion durch die Bimetallsituation unter den Kronen.
Auf Abb. 1 ist oben die entfernte Aufbaufüllung aus Amalgam zu erkennen, die das galvanische Element verursacht hat. Dass es sich bei dem Brückenmaterial um eine Goldlegierung handelte, ließ sich erst im Labor durch eine Schliffprobe feststellen, so stark war hier die Oberflächenveränderung. 

Abb. 1: Oben ist die entfernte Aufbaufüllung aus Amalgam zu erkennen, Brücken- material war – kaum zu glauben – eine Goldlegierung.

Zudem findet man diese Kombination aus Metall und Amalgamfüllungen auch noch häufig bei der Versorgung von Kronenrandkaries. Hier ist das deutlichste Zeichen der Belastung in der Regel die in diesem Bereich auftretende Gingivitis, verursacht durch die Einlagerung von Korrosionspartikeln (s. Abb. 2).
Amalgamaufbauten und -füllungen unter Metallkronen sollten aus chemischen und physikalischen Gründen generell vermieden werden. Selbst wenn verschiedene Metalle ohne direkten Kontakt im Mund sind, kann es über die Metallionenfreisetzung im Speichel zu verstärkter Korrosion und ihren Folgeerscheinungen kommen.

Titan – das Risiko ist uns noch nicht bewusst

Implantate sind momentan des Zahnarztes liebste Therapie, so scheint es jedenfalls, denn es wird „gedübelt“, was der Kieferknochen oder notfalls der Knochenersatz hergibt. In Deutschland werden jährlich etwa 500.000 neue Implantate gesetzt. Und die Österreicher stehen den Deutschen in ihrer Liebe zu Implantaten in nichts nach, alleine in Vorarlberg werden jährlich schätzungsweise 4.000 Zahnimplantationen durchgeführt. Und in der industriellen Werbung wird immer die exzellente Biokompatibilität von Titan hervorgehoben. Deshalb wird Titan allgemein so gerne verwendet, nicht nur in der Implantologie, sondern auch in Zahnpasten, Cremes und Medikamenten. Leider nützt dem einzelnen Patienten eine exzellente Biokompatibilität nichts, wenn er als Individuum trotzdem mit einer unspezifischen Entzündung darauf reagiert.

Abb. 2: Durch die Einlagerung von Korrosionspartikeln verursachte Gingivitis

Fall 2: Eine Patientin stellte sich mit auffälligen Hautreaktionen an Händen und Füßen vor, um auf Wunsch ihres Hautarztes zahnärztliche Ursachen auszuschließen. Sie erzählte, dass sie vor  Jahren erstmalig eine ca. 2x1cm große Hautirritation am Unterarm direkt nach Inserierung eines Titanimplantates entwickelt hätte. Nachdem sie von ihrem damaligen Zahnarzt und einem Dermatologen die Auskunft erhalten hatte, dass Titan keinerlei Reaktionen dieser Art hervorrufen könne, wurde die Stelle mit Kortisoncreme ohne langfristigen Erfolg behandelt. Im letzten Jahr wurden dann weitere Implantate eingesetzt, was zu Hautreaktionen auf den gesamten Unterarmen führte (s. Abb. 3). Ein von uns durchgeführter Titanstimulationstest zeigte deutlich erhöhte Entzündungsreaktionen auf Titanoxidpartikel. Nach eingehender Beratung entschloss sich die Patientin zur Entfernung der Implantate. Die Hautirritationen sind danach bei zusätzlicher Unterstützung der Entgiftungssysteme und orthomolekularer Substitution vollständig abgeheilt.
Auch wenn es noch immer nur einen gewissen Patientenanteil betrifft, stellt sich schon aus forensischer Sicht die Frage, ob eine präimplantologische Laboruntersuchung auf die individuelle Reaktion auf Titan nicht zum Wohle unserer Patienten standardmäßig durchgeführt werden sollte?

Edel, edel: Entzündungen durch eine Sensibilisierung auf Gold

Frau S. kam in die Praxis, weil sie seit knapp drei Jahren erhöhte Entzündungswerte bei Vorliegen einer rheumatischen Erkrankung ohne erkennbare Ursache hatte. Ihr Rheumatologe wünschte deshalb eine Abklärung. Die Patientin konnte sich nicht vorstellen, dass das alles etwas mit ihren Zähnen zu tun haben sollte, hatte sie sich doch extra Mitte der 1990er-Jahre umfangreich prothetisch versorgen lassen, und zwar nur vom Feinsten: alles in hochwertigem Gold. Im Jahre 2000 traten dann erstmalig chronischer Husten, Bluthochdruck und eine knötchenartige Entzündung auf der Haut beim Tragen von Goldketten auf. Sie bekam Codein und Asthmaspray gegen den Husten und Betablocker gegen die Hypertonie. Der „Knoten“ wurde chirurgisch entfernt. Danach stellten sich diverse Allergien sowie rheumaähnliche Symptome ein, die mit Kortison behandelt wurden. Tatsächlich ergab die Laboruntersuchung, dass bei Frau S. eine Sensibilisierung auf bestimmte Elemente in der Goldversorgung vorlag. Eine stärkere Lösung dieser Elemente fand sich auch im Speichel.
Da die Patientin zudem eine Kieferknochenentzündung hatte, die operativ von uns saniert wurde, konnten wir im Rahmen einer Multielement-analyse des Knochens auch hier erhöhte Einlagerungen von Legierungsbestandteilen feststellen. 
Nach der Entfernung aller Metallarbeiten und Neuversorgung mit auf Verträglichkeit vorab getesteten Materialien sowie Unterstützung aller Entgiftungssysteme der Patientin hat sie heute keinerlei allergische Symptome mehr, ihr Blutdruck hat sich normalisiert, ihr Asthma und die rheumatischen Beschwerden sind vollständig verschwunden. Frau S. braucht keinerlei Medikamente mehr. Dies ist nur ein kleiner Einblick, was durch die von uns eingebrachten Materialien im Körper alles verursacht werden kann. Wichtig ist, dass wir uns bewusst werden, dass jedes Material, das wir unseren Patienten dauerhaft einbringen, wie eine Art Langzeitmedikament zu sehen ist. Genau wie bei Medikamenten müssen wir uns deshalb der Wirkung aller enthaltenen Bestandteile bewusst sein und auch die Wechselwirkungen mit anderen bereits im Mund befindlichen Materialien (= „Medikamenten“) kennen. Es ist unsere Aufgabe als Zahnarzt, Patienten über Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären. Dank der modernen Labormedizin und bioenergetischer Verfahren haben wir viele Möglichkeiten, unseren Patienten eine größere Sicherheit zu bieten. Nutzen Sie diesen Vorteil zum Wohle Ihrer Patienten.

Dr. EVA MEIERHÖFER
FA für Oralchirurgie
Klagenfurt
praxis@meierhoefer.at

 

Abb. 3: Hautreaktionen am Unterarm nach Insertion von Titanimplantaten