Rechtsfragen - Hafte ich für die Fehler des Nachbehandlers?

Glaubt ein Patient, „Opfer“ einer Fehlbehandlung geworden zu sein, wechselt er zumeist seinen Zahnarzt. Dieser kann ihn entweder ebenso nicht zufriedenstellen oder aber er schafft es, zu helfen – wodurch der Patient oft in seiner Ansicht, dass der Erstbehandler „unfähig“ war, bestätigt wird.

Sollte der Erstbehandler einen Behandlungsfehler gesetzt haben, haftet er für die Folgen.  Rechtlich interessanter sind folgende Sachverhalte:
Wofür hafte ich als Erstbehandler
- wenn nicht nur ich einen Behandlungsfehler gesetzt habe, sondern auch der Nachbehandler?
- wenn ich nur unzureichend aufgeklärt habe, sich dabei ein Risiko ereignet und der Nachbehandler einen Behandlungsfehler setzt?
- wenn ich entweder einen Behandlungsfehler gesetzt habe oder nur unzureichend über eine Behandlung aufgeklärt habe, bei der sich ein Risiko verwirklicht, und auch beim Nachbehandler tritt schicksalshaft solch ein Risiko ein?

Beispiel: Sie nehmen eine Wurzelbehandlung vor, klären aber nicht über das Risiko einer Überfüllung auf. Durch die Überfüllung kommt es zu Beschwerden bei der Klägerin, die Sie zunächst konservativ und „abwartend“ behandeln. Sie als Zahnarzt haften nicht nur für die Folgen eines Behandlungsfehlers, sondern auch für die Folgen eines sich schicksalhaft verwirklichten typischen Risikos, wenn Sie über dieses nicht ordnungsgemäß aufgeklärt haben. Sollten Sie daher entweder die Überfüllung sorgfaltswidrig vorgenommen haben oder aber zwar die Füllung ordnungsgemäß vorgenommen haben, ohne aber eine Überfüllung auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt verhindern zu können, haften Sie auch für die Folgen, die diese Überfüllung verursacht, wenn Sie zuvor nicht ausreichend über dieses typische Risiko aufgeklärt haben.
Wie ist es nun, wenn der nachbehandelnde Zahnarzt einen Fehler begeht? Oder wenn sich bei der Nachbehandlung ein schicksalhaftes Risiko verwirklicht? Völlig unabhängig davon, ob der nachbehandelnde Arzt selbst fehlerhaft handelt oder aber sorgfaltsgemäß vorgeht, sich dabei aber ein Risiko verwirklicht, haftet der Erstbehandler für diese Folgen mit.
Bei obigem Beispiel: Verletzt der Nachbehandler bei Entfernung der Überfüllung den nervus mundibularis, haftet der Erstbehandler auch hierfür. Die Folgen, die durch den Nachbehandler bewirkt wurden, werden dem Erstbehandler nur dann nicht zugerechnet, wenn der nachbehandelnde Arzt den Patienten vorsätzlich schädigt.  Da letztes wohl ausgeschlossen ist, haftet der Erstbehandler auch stets für die Folgen. Klar ist, dass das nur Fehler oder Risken umfasst, die bei jenen Handlungen des nachbehandelnden Arztes aufgetreten sind, die aufgrund des Behandlungsfehlers des primär behandelnden Arztes oder aufgrund seiner „eigenmächtigen“ (weil nicht aufgeklärten) Behandlung und des sich dabei verwirklichten Risikos notwendig geworden sind. Sollte der nachbehandelnde Arzt selbst einen Behandlungsfehler gesetzt haben, kann sich der primäre Behandler bei diesem regressieren. In welchem Ausmaß dies möglich ist, hängt dann von verschiedenen Faktoren ab.

Dr. MARTINA HAAG
Rechtsanwältin in St. Pölten
Expertin für Arzthaftungsprozesse
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