Radiotherapien: Strahlenmukositis - eine Beeinträchtigung für den gesamten Organismus

Bei Radiotherapien im Kopf-Hals-Bereich im Rahmen der Therapie von Malignomen kommt es in einer Vielzahl der Fälle zu massiven Auswirkungen auf die orale Mukosa. Rechtzeitige Prophylaxe und eine adäquate symptombezogene Therapie sind hier eine absolute Notwendigkeit. Gute Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt, betreuendem Allgemeinmediziner und Onkologen trägt hier wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität des betroffenen Patienten bei.

Das Ausmaß der Entzündung ist sowohl von therapiespezifischen als auch patientenbezogenen Faktoren abhängig. Dauer und Menge der verabreichten Strahlendosis spielen hier eine wichtige Rolle, wobei jedoch die Intensität der Schleimhautreaktion keine wesentliche Abhängigkeit von der Fraktionierung der Gesamtdosis zeigt. Die Bestrahlung kann üblicherweise als Tele-, Brachy- oder nuklearmedizinische Therapie verab-reicht werden. Besonders schwere Nebenwirkungen sind bei kombinierter Radio-/Chemotherapie zu erwarten. Besonders Kombinationen mit Fluorouracil, Methotrexat, Doxyrubicin, Cyklophosphamid, Cytosinarabinosid und Etopsid beeinträchtigen die Integrität der oralen Mukosa. Erhöhtes Risiko einer schweren Strahlenmukositis haben Patienten mit Diabetes mellitus, chronisch kranke und auch ältere Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Alkoholiker, Raucher und Personen mit zur Zeit der Strahlentherapie unsanierten oralen oder parodontalen Läsionen und unzureichender Mundhygiene.

Strahlenmukositis als therapielimitierender Faktor

Prinzipiell unterscheidet man zwischen frühen, späten und ultraspäten Auswirkungen der Strahlenbelastung, wobei erstere bereits durchschnittlich zwei Wochen nach dem Beginn der Behandlung auftreten. Bei zusätzlicher Chemotherapie kommt es bereits nach fünf bis acht Tagen zu den ersten Zeichen einer enoralen Mukositis. Chronische Spätfolgen wie Geschmacksstörungen, Persistenz von Xerostomie durch irreversible Schäden der Speicheldrüse, Teleangiektasien und erhöhte Vulnerabilät der oralen Schleimhaut können mehrere Monate nach Ende der Radiotherapie auftreten und über lange Zeiträume bestehen bleiben. Die ultraspäten Folgen betreffen vor allem das Auftreten von strahleninduzierten Sekundärmalignomen. Die zahnärztliche Betreuung solcher Patienten bedarf daher nicht nur der Prävention und akuten Intervention, sondern auch jahrelanger intensiver Nachsorge. Die Entstehung einer enoralen Mukositis basiert nicht nur, wie früher angenommen, auf der zytotoxischen Wirkung der radioaktiven Bestrahlung auf die Oberflächenepithelien. Noch vor der Destruktion des Epithels kommt es zu Schäden am Gefäß/Bindegewebe, es entstehen reaktive Sauerstoffradikale. Über die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren (z.B.: Zellfaktor NFkB) wird die Bildung proinflammatorischer Enzyme gefördert. Diese Effektorproteine wirken einerseits selbst zytotoxisch durch Förderung von TNFa, andererseits kommt es zu einer positiven Rückkoppelung auf die Transkriptionsfaktoren und damit zu einer Aufschaukelung und Verstärkung der destruktiven Prozesse.
Der Ablauf einer Strahlenmukositis erfolgt nach WHO in vier Stadien bzw. Intensitätsgraden, wobei je nach Disposition und therapeutischer Intervention nicht immer alle Phasen durchlaufen werden.
Zunächst kommt es zu Rötung, Brennen, kleinen oberflächlichen Läsionen und geringfügigem Schmerz bei der Aufnahme fester Nahrung. Im zweiten Stadium verstärkt sich die Entzündung und bereits die Aufnahme weicher Kost kann leichte Schmerzen verursachen. Bei Grad 3 findet man ausgedehnte Inflammation und Schleimhautläsionen im Sinne einer schweren Mukositis, bei Grad 4 entstehen dann tiefe Ulzera und eine künstliche parenterale Ernährung wird notwendig. Derart massive Auswirkungen können für die notwendige Behandlung eines Malignoms therapielimitierend werden.

Sekundärinfektionen können lebensbedrohlich werden

Zudem werden die tiefen Läsionen durch potenziell pathogene orale Keime aus vorbestehenden Läsionen besiedelt und sekundär infiziert. Besonders Candidaspezies und Anaerobier sind eine Gefahrenquelle. Bestehende Gingivitiden exazerbieren, akut ulzerierende Formen sind häufig die Folge. Über die oft ausgedehnten Wundflächen werden Pilze und Bakterien in das Blut eingeschwemmt und es kann bei neutropenischen Patienten zu einer lebensbedrohenden Sepsis kommen. Eine Soorstomatitis kann sich zudem auf den Ösophagus ausdehnen und hier erhebliche Probleme verursachen.

Prophylaxe und Therapie erhalten die Lebensqualität

Welche protektiven und therapeutischen Maßnahmen zur Verhinderung derart schwerer Läsionen stehen nun zur Verfügung? Im Idealfall sollten bestehende parodontale oder kariogene Läsionen noch vor Beginn der geplanten Radiotherapie saniert werden, um Streuquellen für Infektionen zu vermeiden. Durch eine individuelle 3D-Bestrahlungsplanung kann die Schleimhaut besser geschont werden.
Bei vorhandenen Metallplomben oder Inlays sind Schleimhaut- bzw. Lippenretraktoren aus Kunststoff (3mm Abstandsschienen) zu empfehlen, um die durch Streustrahlung an metallhaltigen Zahnfüllungen entstehenden intraoralen Dosisspitzen zu vermeiden. Wichtig ist eine exakte Aufklärung des Patienten hinsichtlich schleimhautschonender Maßnahmen. An der Basis steht eine gute regelmäßige, professionelle und individuelle Mundhygiene. Ein häufiger Wechsel der Zahnbürsten ist wegen der Gefahr einer bakteriellen/fungalen Kontamination zu empfehlen. Der Patient sollte angehalten werden, scharfe und saure Speisen zu vermeiden. Um Ulzerationen an Druckstellen zu vermeiden, ist bei entsprechender Disposition eine Prothesenkarenz während der Strahlentherapie erforderlich.
Alkoholhaltige oder säurehaltige Mundwässer und fluorierte Zahnpasten sollten nicht verwendet werden. Da aber häufiges Spülen wegen der auftretenden Xerostomie notwendig ist, empfehlen sich hier reines Wasser, Kochsalzlösung, Salbei oder milde Tees.
Bei Auftreten von Schmerzen kann abgestuft lokal und systemisch interveniert werden: Zunächst kommen Spülungen mit Polymer-Bikarbonatlösung (Bikarbonat und Polyethylenglycol mit geringen Mengen Chlorhexidin) zum Einsatz. Je nach Bedarf werden diese mit 0,1% Lidocain oder Tetracain, bei massivem Schmerz mit 0,2% Morphin versetzt. Gut geeignet wegen seiner antiinflammatorischen, analgetischen und antimikrobiellen Wirksamkeit ist auch Benzydamin. In schweren Fällen ist eine zusätzliche systemische Analgesie mittels Morphinderivaten erforderlich. Gegen die Mundtrockenheit kann 0,05% Pilocarpin zugesetzt werden. Auch die Verwendung von Kunstspeichel bei zu geringer Funktion der Parotis ist zu empfehlen. Candida-Superinfektionen werden antimykotisch mit beispielsweise Floconazolsuspension behandelt. Bei bakteriellen Infektionen sollte eine frühzeitige gezielte Antibiose eingeleitet werden, um massive Folgeschäden zu vermeiden. Hilfreich ist auch die Anwendung von Mundgels.
Nach Abschluss der Strahlentherapie muss der Patient engmaschig zahnärztlich kontrolliert werden, um bei Folgeschäden wie Karies, Schluckstörungen durch Xerostomie oder vermehrte Schleimhautinfektionen sofort gezielt eingreifen zu können.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at