Aufklärung: "To implant or not to implant"

DDr. Andreas Beer hat sich in unserer letzten Ausgabe mit der Frage der Indikationsstellung, Planung und möglichen Konsequenzen der Implantatversorgung beschäftigt. Dabei hat er die Behauptung aufgestellt, dass die „Erwähnung von Implantaten zumindest in einem Aufklärungsgespräch schon aus forensischer Sicht sinnvoll sei“. In diesem kurzen Beitrag soll diese Aussage einer „rechtswissenschaftlichen Überprüfung“ unterzogen werden.

Die ständige Judikatur besagt, dass der Patient inhaltlich über seinen Gesundheitszustand, die Behandlung selbst und damit verbundene Gefahren sowie über „Alternativen“ hierzu aufzuklären sei. Bei der „Aufklärung“ über Behandlungsalternativen hat der Arzt Vor- und Nachteile, Behandlungsfolgen und Schmerzbelastungen aufzuzeigen. Die jeweiligen Erfolgsaussichten sind gemeinsam mit dem Patienten gegeneinander abzuwägen. Der Arzt muss jedoch – ohne Nachfragen des Patienten – nicht über jede denkbare, ex ante medizinisch nicht angezeigte „Alternative“ aufklären.
Ärztliche „Aufklärung“ muss demnach grundsätzlich nicht immer alle in Betracht kommenden „Behandlungsalternativen“ umfassen, jedoch ist der Patient zur Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts über mehrere in Frage kommende Alternativen aufzuklären, insbesondere über solche „Behandlungsalternativen“, die therapeutisch adäquate Alternativen darstellen, wenn unterschiedliche Risiken bestehen und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat. 
Ob eine „Aufklärungspflicht“ über Alternativen besteht, hängt daher zunächst von der vom Sachverständigen zu beantwortenden medizinischen Frage ab, ob zur gewählten Behandlung eine therapeutisch adäquate Alternative bestanden hätte.
Ist medizinisch gesehen die Versorgung mittels Implantat eine therapeutisch adäquate Alternative – wie es DDr. Beer eindrucksvoll für konkrete Fälle aufzeigt –, besteht juristisch gesehen jedenfalls die Verpflichtung, über diese Behandlungsalternative „Implantat“ aufzuklären.
Das Problem in der Praxis könnte allerdings folgendes sein: Kann ein Zahnarzt, dem „das Wort Implantat schwer über die Lippen kommt“ (Zitat DDr. Beer) überhaupt erkennen, dass ein Implantat eine therapeutische adäquate Alternative darstellt? Fehlt es ihm schlichtweg an Fachwissen, in welchen Situationen ein Implantat möglich ist, kommt ihm auch die Alternative „Implantat“ nicht in den Sinn – und erklärt demnach hierüber nicht auf. Was bedeutet dies für die mögliche Haftung des Zahnarztes?
Der Arzt gilt als Sachverständiger und hat demnach einen Kenntnisstand aufzuweisen, der dem Leistungsstandard der jeweiligen Berufsgruppe entspricht.  Entspricht es demnach dem Kenntnisstand eines „durchschnittlich sorgfältigen Zahnarztes“, dass im konkreten Fall eine Implantatversorgung eine therapeutisch adäquate Alternative dargestellt hätte, hat der Arzt einen schuldhaften und vorwerfbaren Sorgfaltsverstoß begangen, wenn er nicht darüber aufklärt.
Zusammengefasst und mit anderen Worten: Wird in einem Gerichtsverfahren vom (ehemaligen) Patienten der Vorwurf erhoben, dass er nicht über eine mögliche Implantatversorgung aufgeklärt worden sei (diese aber gewählte hätte, wäre er darüber informiert worden), hat das Gericht einen Sachverständigen mit der Beantwortung der Frage zu beauftragen: Wäre im gegenständlichen Fall die Implantatversorgung eine therapeutisch adäquate Alternative gewesen (und demnach aufklärungspflichtig) und hätte dies ein durchschnittlich sorgfältiger Zahnarzt auch gewusst (und demnach vorwerfbar), führt dies in weiter Folge zu einer Haftung des Zahnarztes wegen eigenmächtiger Heilbehandlung und Schadenersatz, sollte dem Arzt nicht der Beweis gelingen, dass der Patient auch bei erfolgter Aufklärung über die Alternative Implantat der tatsächlich gewählten Methode den Vorzug gegeben hätte.
Demnach ist die Behauptung von DDr. Beer durchaus zutreffend: Unabhängig ob der jeweilige Arzt selbst Implantate setzt: Könnte ein Implantat eine „echte Alternative“ sein, hat er den Patienten darüber zu informieren bzw. an einen Kollegen zu verweisen, der den Patienten über die Erfolgsaussichten und Risken der Implantatversorgung aufklärt.

Dr. Martina Haag
Rechtsanwältin in St. Pölten
Expertin für Arzthaftungsprozesse
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