Fallbericht: Kieferorthopädie in der Praxis

Auch in der Erwachsenenbehandlung gilt der kieferorthopädische Lückenschluss als anerkannte Maßnahme. In den meisten Fällen erfolgen orthodontische Zahnbewegungen in Zahnlücken, wenn bei ausgeprägten Engständen Zähne aus kieferorthopädischen Gründen entfernt wurden. Aber auch in Fällen, in denen offensichtlich kein Platzmangel vorliegt, kann ein orthodontischer Lückenschluss von Vorteil sein.

Als Argumente für einen kieferorthopädischen Lückenschluss werden angeführt, dass eine geschlossene Zahnreihe mit gesunden parodontalen Verhältnissen erreicht werden kann, ohne dass Zähne beschliffen werden und ohne dass nach Abschluss der Behandlung Fremdmetalle im Mund verbleiben. Auf der anderen Seite ist eine körperliche Zahnbewegung bei Erwachsenen mit den zahlreichen Unannehmlichkeiten festsitzender Mechaniken verbunden und erfordert erfahrungsgemäß eine lange Behandlungsdauer. Sie sollte aus kieferorthopädischer Sicht aber durchgeführt werden, wenn dadurch eine wesentliche Verbesserung der gesamten okklusalen Situation erreicht werden kann. Schließlich stehen mit der Einführung von Minischrauben zur skelettalen Verankerung auch geeignete Apparaturen zur Auswahl, die die für körperliche Zahnbewegungen jeweils besonderen Anforderungen an das Kraftsystem erfüllen und die notwendige Biomechanik realisieren, um Molaren gezielt mesialisieren zu können.

Fallbeispiel

Als Fallbeispiel möchte ich eine junge Frau vorstellen, die meine Ordination mit folgendem Anliegen aufsuchte: „Nach der Extraktion meines linken oberen Fünfers habe ich hier nun eine Zahnlücke. Auch wenn ich sonst außer einem geringen Raummangel in der unteren Front keine Fehlstellung habe, wünsche ich mir eine Zahnspange, die die Molaren nach vorne schiebt und die Lücke schließt.“

Bei der klinischen Untersuchung der Patientin zeigt sich nicht nur die erwähnte Lücke bei 25 und ein
Raummangel in der unteren Front, sondern weiters eine bukkale Nonokklusion von 17 und 27.
„Die Versorgung ihrer Zahnlücke gehört primär nicht in den Indikationsbereich der Kieferorthopädie. Aber Sie haben eine schwere Fehlstellung im Molarenbereich, die korrigiert werden sollte!“, informierte ich die Patientin und riet, um diese okklusalen Probleme zu lösen, zu einer Therapie.
Wir begannen die Behandlung mit dem Lückenschluss bei 25. Eine Teil-apparatur, bestehend aus Bändern an den 1. Prämolaren und einem Innenbogen, die mit zwei palatinal gesetzten Minischrauben verbunden war, diente als Verankerungseinheit, gegen die der Molar mithilfe einer Zugfeder von bukkal und mit einer elastischen Kette von palatinal mesialisiert wurde. Der linke Siebener folgte wie erwartet spontan. Zur anschließenden Überstellung der in bukkaler Nonokklusion stehenden Zähne 17 und 27 und zur Behandlung des Engstandes in der unteren Front hatte ich zu einer Behandlung mit Kunststoffschienen der Fa. Invisalign geraten.
Das lehnte die Patientin allerdings aus Kostengründen ab. Deshalb wurde der Innenbogen mit zwei distalen Extensionen erweitert und eine Multibracketapparatur eingesetzt. Somit konnten die fehlstehenden Molaren mit nach palatinal und apikal gerichteten Kräften in die Okklusion eingestellt und nach Ausformung der Zahnbögen die Behandlung abgeschlossen werden.
In der Zwischenzeit sind viele neue Systeme entwickelt worden, die effizient sind und die Patienten kaum mehr belasten.

MR Dr. Doris Haberler
niedergelassene Kiefer-
orthopädin in Wien
office@dr-haberler.at


Bilderserie zum Fallbeispiel:

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