Antibiotika in der Zahnheilkunde/Teil4: Ihre Rolle in Prävention und Therapie

In der zahnärztlichen Praxis werden unterschiedliche Gruppen von Antibiotika und Antimycotika als therapieunterstützende Maßnahme bei der Behandlung von mikrobiell verursachten parodontalen und odontogenen Infektionen eingesetzt.

Entsprechend der unterschiedlichen Wirkungsspektren der einzelnen Substanzklassen sollte deren Verwendung auf einer vorangegangenen Analyse des Keimspektrums und im Idealfall auf Basis erstellter Antibiotikasensibilitätstests erfolgen um eine optimale Wirksamkeit zu gewährleisten. Durch exakte und möglichst breite Keimanalyse können schlecht- oder sogar unwirksame Antibiotikagaben von vornherein unterbunden werden. Eine bedarfsorientierte Verabreichung vermeidet zudem unnötig breite Antibiotikagaben, welche die Standortflora schädigen oder sogar eliminieren. Neben der Auswahl des passenden Wirkstoffes sind richtige Dosierung und Einhaltung der vorgegebenen Therapiedauer für den Erfolg entscheidend. Letztere setzen eine ausreichende Aufklärung des Patienten, sowie dessen Compliance voraus.
Nach den im vorangegangenen Teil besprochenen Substanzklassen sollen nun die weiteren für zahnärztliche Fragestellungen wichtigen Wirkstoffe diskutiert werden

Cephalosporine

Von den  Cephalosporinen werden Vertreter der ersten bis dritten Generation eingesetzt. Im Allgemeinen sind sie sie gut verträglich; allergische Reaktionen sind deutlich seltener als bei den Penicillinen. Es bestehen allerdings Kreuzallergien. Besonders bei Beteiligung pathogener grampositiver Erreger, wie Staphylokokken, aber auch bei atypischen Erregern aus der Gruppe der Enterobacterien, wie E. coli, zeigen die Cephalosporine gute Wirksamkeit. Vertreter der erste Generation der Cephalosporine ( z.B.: Cefazolin, Cefalexin) sind wegen einer fast immer bestehenden Beteiligung von Anaerobiern bei parodontalen Entzündungen in der Zahnarztpraxis nicht zu empfehlen. Die Gruppe 2 mit Wirkstoffen wie Cefuroxim oder Cefaclor zeigt zumindest eine gewisse Wirksamkeit im anaeroben Bereich, was bei  geringerem Anteil der betreffenden Keime ausreichend ist. Wenn hingegen die Anaerobier die Hauptmasse der Pathogene ausmacht, sind  Cephalosporine als Therapieoption ungeeignet.
Cephalosporine werden in vielen medizinischen Bereichen häufig und teilweise leider auch unselektiv eingesetzt. Besonders bei älteren oder chronisch kranken Patienten mit zahlreichen vorangegangenen Krankenhausaufenthalten sollten sie daher in der Zahnarztpraxis eher restriktiv verwendet werden. Diese Patientengruppen sind nämlich häufig Träger von ESBL- Keimen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Spezies von Enterobakterien (allen voran E. coli) mit erweiterten Spektren von Betalaktamasen. Sie sind resistent gegen Cephalosporine bis zur driten Generation und entwickeln zudem eine Reihe von Coresistenzen. ESBL- Keime  persistieren ohne Krankheitssymptome hervorzurufen im Darm. Allerdings sind sie, wenn sie in die Harnwege geraten, gefürchtete und schwer therapierbare Erreger. Unter normalen Umständen werden sie von den Wildformen der Enteobakterien zurückgedrängt. Häufige Gaben von Cephalosporinen selektionieren allerdings die ESBL Keime und machen so schwer zu beherrschende Infekte wahrscheinlicher. Auch wenn es sich bei den zu eliminierenden oralen Keimen nicht um ESBL handelt, setzt man solche Patienten einem unnötigen Risiko aus.

Makrolide

zeigen gegen eine Reihe von oral- pathogenen Keimen gute Wirksamkeit. Sie stören die 50S Untereinheit der bakteriellen Ribosomen und behindern so die Proteinsynthese der Bakterien. Ältere  Wirkstoffe wie Erythromycin  haben eine schlechte Bioverfügbarkeit. Die neueren Substanzen wie Azithromycin, Clarythromycin und Roxithromycin zeigen bessere Werte und gute Anreicherung im Sulcus und im Gewebe. Die Dosierung orientiert sich am jeweiligen Wirkstoff.  Erfasst werden grampositive und gramnegative Erreger, auch hier ist bei hohem Anaerobieranteil vom alleinigen Einsatz abzuraten. Als positives Kriterium ist der entzündungshemmende Einfluss der Makrolide durch die Verminderung der Zytokinproduktion zu werten.
Vorsicht ist bei Patienten unter Statintherapie geboten. Durch den Eingriff in das Cytochrom P450 System können cardiale Myopathien negativ beeinflusst werden.

Tetracycline

werden in der Zahnarztpraxis heute in erster Linie als Doxycyclin verwendet. Ist bei parodontalen Erkrankungen von erwachsenen Patienten Aggregatibacter (Actinobacillus) actinomycetem comitans beteiligt, stellen sie durchaus das Mittel der Wahl dar. Bei Kindern und Jugendlichen in der Wachstumsphase sollte der Einsatz dieser Substanzklasse wegen der calciumbindenden Eigenschaften mit Schädigung von Knochen und Zähnen, sowie einer Photosensibilisierung vermieden werden. Bei hier auftretenden aggressiven schweren Parodotopathien mit Beteiligung von A. actinomycetem comitans ist der Winkelhoff Cocktail vorzuziehen. Besonders gute Wirksamkeit hat Doxycyclin auch gegen Treponemen und atypische intrazelluläre Erreger. Die Dosierung erfolgt mit einer Erstgabe von 200mg und nachfolgend je 100mg über mindestens 10 Tage.

Fluorchinolone

hemmen die bakterielle Gyrase und damit die Entpiralsierung der DNA. Sie sollten in der Zahnheilkunde aber nur bei speziellen atypischen Keimnachweisen zur Anwendung kommen. Besonders Ciprofloxacin und Ofloxacin zeigen keine Wirksamkeit gegen Anaerobier. Levofloxacin hat in diesem Bereich verbesserte Eigenschaften. Wichtig ist vor allem die gute Wirksamkeit gegen Strepto - und Staphylokokken und im gramnegativen Bereich gegen diverse superinfizierende Enterobakterien, wie sie nicht selten bei Problempatienten, wie Diabetikern vorkommen. Zudem haben die Chinolone sehr gute Gewebsgängigkeit. Die Dosierung für Levofloxacin liegt bei 1x 500mg täglich, für Ciprofloxacin bei 2x 500mg, jeweils über 7 Tage.

Nitroimidazole

mit ihrem Hauptvertreter Metronidazol werden bei massivem Anaerobierbefall im Rahmen schwerer Parodontalerkrankungen und bei dentogenen Abszessen eingesetzt. Bei Kieferknochenosteomyelitis mit Anaerobierbeteiligung wird das Chemotherapeutikum mit im aeroben Bereich wirksamen Antibiotika kombiniert. Die rasche und gute Wirksamkeit beruht nicht zuletzt der ausgezeichneten Gewebsgängigkeit von Metronidazol. Besonders bei Nachweis von Keimen aus der Gruppe der schwarzpigmentierten Bacteroides, wie Porphyromonas gingivalis und Prevotella intermedia können sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Die orale Gabe erfolgt mit 3 x 500 mg täglich über 7 Tage.
Keine Wirksamkeit besteht gegenüber dem fakultativen Anaerobier A.actinomycetem comitans, hier ist eine Kombination mit Amoxicillin erforderlich.
Der Patient sollte, bei Verschreibung des Wirkstoffes wegen der möglichen Antabuswirkung unbedingt auf die Unverträglichkeit mit Alkohol hingewiesen werden.

Ch. Eder, L. Schuder