iPunkt: Initiative für PatientInnen mit besonderen Bedürfnissen

Das Ziel: eine umgehende, optimale und leistbare Therapie für behinderte Menschen, welcher Art auch immer, zu ermöglichen.

Ein 23-jähriges, psychisch erkranktes Mädchen mit einem zahnärztlich-chirurgischen Problem und starken Schmerzen wird in einer Wiener zahnärztlichen Notdienstpraxis vorstellig. Die Zahnärztin, obwohl für Vollnarkosen eingerichtet, muss die Patientin wegen zusätzlicher schwerwiegender internistischer Probleme (160kg Körpergewicht, cardio-pulmonale Insuffizienz), die eine stationäre Beobachtung nach der Narkose verlangen würden, abweisen. Es folgt ein Telefonmarathon der Zahnärztin, um die Patientin einer geeigneten Versorgung zuzuführen. Die GKK empfiehlt die Wiener Patientin an das Krankenhaus Wr. Neustadt, wo die notwendige Behandlung durchgeführt werden könnte. Die Kosten für den Transport von Wien nach Wr. Neustadt müsste die Patientin allerdings selber tragen, was nach Angaben der Betreuerin unmöglich ist.  Einer multimorbiden Patientin mit Morbus Alzheimer sollen alle verbliebenen Zähne - immerhin 15 an der Zahl - gezogen werden. Eine Narkosebehandlung scheint die einzige Lösung zu sein. Wieder wäre eine stationäre Nachbehandlung zumindest über eine Nacht dringend notwendig, da die Patientin nicht in der Lage ist, die Anweisungen für das Verhalten nach Zahnoperationen geistig zu erfassen. Es wird keine geeignete stationäre Einrichtung gefunden, die Patientin daher in der Ordination operiert und einen ganzen Tag (!!) in der Ordination beobachtet.
In beiden Beispielen sind es geistig beeinträchtigte Patienten, die, wie jeder Mensch, irgendwann einmal Zahnschmerzen haben und zum Zahnarzt gehen. Sie haben Anspruch auf die gleiche qualitativ hochwertige medizinische Versorgung wie alle anderen Menschen auch. Aber sie haben besondere Behandlungsbedürfnisse, die nicht in allen zahnärztlichen/ärztlichen Ordinationen erfüllt werden können. So braucht es zum einen Zeit, Geduld und behutsamen Umgang mit den Patienten, um die Behandlung zu erklären und durchzuführen oder die vom Patienten notwendige Zustimmung zur Behandlung einzuholen, wozu ja so gut wie alle Ärzte/Zahnärzte durchaus bereit sind. Zum anderen kann die Versorgung oft nur in Narkose erfolgen, was eine entsprechende Ausstattung und die Verfügbarkeit eines Facharztes für Anästhesie erfordert; dies ist schon nicht mehr in allen Ordinationen möglich.
Manchmal ist eine schlichte Narkosebehandlung immer noch zu wenig - die Patienten brauchen ein interdisziplinäres Ärzteteam und die stationäre Nachbehandlung in einem Krankenhaus.
Die geschilderten Fälle sind leider keine Einzelfälle. Denn besondere Bedürfnisse haben nicht nur intellektuell behinderte Patienten. In eine lange Liste maßgeblicher Erkrankungen reihen sich beispielsweise Mukoviszidose-Patienten, Schlaganfall-Patienten, Querschnitt-Patienten mit spastischen Lähmungen oder mit - zweifelsfrei seltenen, aber um nichts weniger dramatischen - Autoimmunerkrankungen oder seltenen Gendefekten. Sie alle müssen gelegentlich und häufig akut zum Zahnarzt, und allen ist eines gemeinsam: Sie haben eine Grunderkrankung, die in der medizinischen Versorgung spezielle Anforderungen an Praxis und Arzt stellt.
Sehr oft hatten die Patienten mit drei bis sieben medizinischen Einrichtungen Kontakt, bevor sie meist zufällig in einer Ordination/Ambulanz landen, die die notwendige Behandlung auch durchführen kann.
Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zu einer angemessenen Behandlung und Nachsorge sind für viele Patienten die enormen Kosten. Vollnarkosen in der Ordination sind Privatleistungen und werden von der GKK mit dem nahezu lächerlichen Betrag von ca. € 180.- refundiert. Derzeit gibt es mit dem KH Hietzing eine einzige Stelle, an der behinderte Patienten auch Zahnsanierungen erhalten, die natürlich bei allem guten Willen hoffnungslos überlaufen ist.  An anderen Institutionen werden in Narkose nur Zähne extrahiert; dies ist keine menschenwürdige Versorgung, zumal viele behinderte Patienten auch nicht prothesenfähig sind.
Diese behindernde Medizin (kein Druckfehler!) gibt es in vielen Ländern der Welt. Private Netzwerke existieren - was fehlt ist die öffentliche Vernetzung. Nur langsam ändern sich die Zustände.
In Wien hat sich vor Kurzem der Verein „iPunkt - Initiative für PatientInnen mit besonderen Bedürfnissen" konstituiert. Eine Gruppe von ÄrztInnen, ZahnärztInnen, VertreterInnen von Selbsthilfegruppen und Behindertenvereinen haben das Problem erkannt und Lösungen diskutiert. Ziel ist es, eine Anlaufstelle zu etablieren, wo Patienten mit besonderen Bedürfnissen umgehend eine optimale Therapie erhalten, oder zumindest direkt und ohne weiteren Zeitverlust (derzeit haben solche Patienten oft bis zu vier Monate Wartezeit!) an entsprechende Behandlungseinrichtungen zugewiesen werden können. Die ersten Etappen auf diesem langen und steinigen Weg sind genommen: Der Verein „iPunkt - Initiative für PatientInnen mit besonderen Bedürfnissen" wurde gegründet und eine Ambulanz eingerichtet. iPunkt möchte aber viel mehr erreichen: Derzeit gibt es kein wie immer geartetes Register von Kollegen, die zur Versorgung von solchen Patienten akut zur Verfügung stehen. Auch das wäre hilfreich! iPunkt möchte ein solches Verzeichnis erstellen und die Ordinationen, welche an dem Projekt mitarbeiten, österreichweit verlinken und vernetzen.
Es muss - bald - eine Möglichkeit geben, diese Patienten unter - falls notwendig - stationären Bedingungen zahnärztlich zu versorgen, unter Rücksichtnahme auf die soziale/finanzielle Situation der Patienten. Nicht jeder kann sich eine Privatbehandlung auch leisten!
Behinderte Patienten haben dasselbe Grundrecht auf einen Zugang zu moderner zahnmedizinischer Versorgung, auf eine Unterstützung zur gesunden Lebensführung und auf eine angemessene Behandlung wie alle anderen Patienten. Und keinem nichtbehinderten Patienten wird eine schmerzvolle Wartezeit von mehreren Monaten bis zum Behandlungsbeginn zugemutet. Ein Gleichstellungsgesetz haben wir ja schon, allein die Umsetzung in die tägliche Praxis hat noch enormen Nachholbedarf. 
„iPunkt - Initiative für PatientInnen mit besonderen Bedürfnissen" braucht die Unterstützung der Kollegenschaft; nur gemeinsam kann eine Änderung der derzeit problematischen Situation für die Schwächsten in unserer Gesellschaft erreicht werden.

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Mitarbeit, Mitgliedschaft, Spenden - alles herzlich willkommen!
iPunkt - Initiative für PatientInnen mit besonderen Bedürfnissen

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