Antibiotika in der Zahnheilkunde/Teil 3: Ihre Rolle in Prävention und Therapie

Dentogene und parodontale Infektionen werden durch variable und heterogene Kollektive von pathogenen Mikroorganismen verur-sacht und aufrecht erhalten. In vielen Fällen erfordert die erfolgreiche Therapie pyogener Infekte den adjuvanten Einsatz von geeigneten Antibiotika.

Besonders bei pyogenen Prozessen, wie beispielsweise im Rahmen von apikaler Parodontitis, Pericoronitis , dentogenen Abszessen und schweren parodontalen Entzündungen, können pathogene Keime fortgeleitet und damit zur Gefahr für den gesamten Organismus werden. Orale Infektionen werden praktisch immer durch Gemische von anaeroben und aeroben Keimen hervorgerufen. Hinzu kommen, besonders bei lang vorbestehenden Krankheitsverläufen und bei begleitenden Grunderkrankungen der betroffenen Patienten, noch atypische, nicht primär orale Erreger, welche die Therapie erschweren.
Die Entscheidung zum Einsatz von systemischen oder lokalen antibiotischen Substanzen fällt aufgrund des klinischen Zustandsbildes des Patienten; die Auswahl des Antibiotkums im Idealfall nach dem Ergebnis einer Kultur und des zugehörigen Antibiogramms. Zunehmende  Resistenzen der Keime erfordern eine exakte Abklärung als Voraussetzung einer optimalen Wirksamkeit der Behandlung. Daneben müssen die infrage kommenden Substanzgruppen für die Behandlung oraler Läsionen geeignet sein. Bei parodontalen Entzündungen etwa ist eine ausreichende Verfügbarkeit des Wirkstoffes und seiner Metaboliten im gingivalen Gewebe und im Sulkus notwendig. Hier erreichen Substanzklassen wie Clindamycin, Metronidazol, Doxycyclin, Penicilline und auch moderne Makrolide gute Konzentrationen. Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten müssen beachtet werden; ebenso sollte bei bestehenden Leber- oder Nierenfunktionsstörungen eine entsprechende Dosisanpassung vorgenommen werden.
Hier werden nun die wichtigsten Substanzklassen hinsichtlich Einsatzbereich, Dosierung sowie Neben- und Wechselwirkungen kurz diskutiert.

1. Penicilline

werden oral meist als Phenoxymethylpenicillin (Penicillin V) verabreicht. Sie zeigen gute Wirksamkeit gegen Streptokokken, Treponemen und auch Fusiforme. Allerdings gibt es, mit starken regionalen Unterschieden, bis zu 50% Resistenzen im anaeroben Bereich. Gute Wirksamkeit zeigen Penicilline in Kombination mit Metronidazol bei akut nekrotisierender Gingivitis (ANUG) und Parodontitis (ANUP). Die hier vorliegenden Gemische aus Fusiformen und Spirochaeten entsprechen im Wesentlichen jenen bei einer Plaut-Vincent-Angina.
Auch im Rahmen einer akuten und/oder chronischen Kieferknochenos-teomyelitis kann Penicillin zum Einsatz kommen. Hier sollte jedoch vorher immer eine Erregerdiagnostik durchgeführt werden. Häufiger als die klassischen Penicilline werden heute eher die nachfolgend beschriebenen Breitsektrumpenicilline eingesetzt.

2. Aminopenicilline

Mit den Vetretern Ampicillin und Amoxicillin sind sie besonders im aeroben Bereich gegen Strepto- und Staphylokkoken gut wirksam. Sie umfassen auch Teile des gramnegativen Keimspektrums, zeigen aber  erhebliche Instabilität gegenüber den Betalaktamasen vieler Erreger. Keine oder kaum Effekte zeigen die Substanzen gegen Keime der Bacteroidesgruppe und atypische Erreger wie Pseudomonas, Klebsiella und die Enterobakterien. Bei Actinomycose mit dem Leitkeim Actinomyces israeli hingegen sind Penicilline das Mittel der Wahl. Hier sind allerdings Langzeittherapien mit hoher Dosierung erforderlich, da die Antibiotika nur schlecht in das Granulationsgewebe eindringen können. Für die meist zusätzlich vorhandene anaerobe Begleitflora müssen oft weitere Antibiotika kombiniert werden.
Bei unkomplizierten Infekten liegt die Dosierung  bei  0,5-1g  dreimal täglich über sieben bis acht Tage.
Bei Gabe von Penicillinen kommt es  relativ häufig zu allergischen Reakt-ionen. Weitere Nebenwirkungen sind gastrointestinale Störungen und Hautexantheme. Kontraindiziert sind die Wirkstoffe bei EBV-Infektionen (Mononucleose) und bei Patienten mit lymphatischer Leukämie.

3. Kombinationen mit Aminopenicillinen

Aminopenicilline sind bei entsprechenden Mischfloren, wie sie bei  schweren Parodontopathien vorkommen, gut mit Metronidazol kombinierbar. Besonders bei kombiniertem Auftreten von Anaerobiern und dem Actinobacillus actinomycetem comitans ist diese Kombination (auch als Winkelhoff-Cocktail bekannt) sehr effektiv. Der klassische WinkelhoffCocktail setzt sich aus 3x 375mg Amoxicillin  plus 3x 250 mg Metronidazol zusammen; heute wird jedoch meist eine modifizierte Form mit 3x 500mg Amoxicillin und 3x 400 mg Metronidazol verwendet.

4. Amoxicillin/Clavulansäure

ist eine Kombination aus einem ß-Laktamasehemmer und einem Breitbandpenicillin mit breiter Wirkung im anaeroben und aeroben Bereich. Durch Störung der Vernetzung der Peptidoglykane der bakteriellen Zellwand wird deren Neusynthese bei der Teilung der Mikroorganismen unterbunden. Die Clavulansäure hemmt durch Komplexierung die Betalaktamasen der Bakterien.
Im aeroben grampositiven Bereich werden Staphylokokken und Streptokokken erfasst; eine Ausnahme bilden MRSA. Die Wirksamkeit im anaeroben Bereich ist aus eigener Erfahrung in vitro höher als in vivo, besonders wenn das infizierte Gewebe stark entzündet und ödematös ist. Die Dosierung sollte maximal 3x täglich 625mg betragen.
Eine alternative Kombination eines Aminopenicillins mit einem ß-Laktamasehemmer ist Ampicillin mit Sulbactam in einer Dosierung von 3x 500mg 3x täglich.
Die Nebenwirkungen dieser Kombinationspräparate sind ähnlich wie bei anderen Penicillinen; auf mögliche Leberfunktionsstörungen ist zu achten.

5. Clindamycin

gehört zu den Lincosamiden. Die Substanz zeigt hervorragende Bioverfügbarkeit und gute Wirksamkeit gegen Strepto- und Staphylokokken und bis weit in den anaeroben Bereich. Keine Wirkung zeigt Clindamycin auf Eikenella corrodens, Actinobacillus und Capnocytophaga. Die Substanz reichert sich gut in Sulkus und Gewebe an und kann auch bei Osteomyelitis und bei chronischen Abszessen erfolgreich eingesetzt werden.
Alternativ zu Penicillinen ist Clindamycin bei Actinomykosen wirksam, wobei es hier sogar zu einer verbesserten Eliminierung der anaeroben Begleitkeime kommt. Die Dosierung beträgt 2x täglich 2x 600mg über 7 Tage. An Nebenwirkungen sind gastrointestinale Probleme zu vermerken. Ein Augenmerk sollte auch auf die (sehr seltene) Möglichkeit einer pseudomembranösen Colitis durch Toxin-A- und B-bildende Clostridium difficile gelegt werden. Die Erkrankung kann von milden Durchfällen bis zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Im Anlassfall ist Clindamycin sofort abzusetzen. Schwere Fälle werden dann mit oralem Vancomycin und/oder Metronidazol therapiert.
Des Weiteren werden in der Zahnheilkunde Antibiotika aus den Gruppen der Cephalosporine, Makrolide, Tetrazykline  und Chinolone sowie Chemotherapeutika wie Metronidazol eingesetzt. Diese sollen Thema der nächsten Folge dieser Serie sein.

Ch. Eder
L. Schuder