Parodontitis ist eine Volkskrankheit. Deutsche Zahlen sprechen von bis zu 70% Erkrankten in der Bevölkerungsgruppe der 35-44 Jährigen (Deutsche Mundgesundheitsstudie IV, 2006). Aber wie viele Menschen in Österreich wirklich betroffen sind, ist aufgrund fehlender Daten nicht klar.
Die letzte Untersuchung des ÖBIG (Österr. Bundesinstitut für Gesundheit) fand als Telefoninterview an ca. 600 Probanden statt und ergab für diese Altersgruppe nur 31% subjektiv parodontal Erkrankte. Eine kürzlich an der Bernhard Gottlieb Universitätszahnklinik in Wien durchgeführte Studie zeigte ein erschreckendes Bild: über 5000 PatientinInnen, die die Ambulanz aus verschiedenen Gründen aufgesucht hatten, wurden mittels der parodontalen Grunduntersuchung (PGU) auf das Vorliegen einer Parodontitis untersucht. Die erhobenen Befunde wurden mit der subjektiven Wahrnehmung verglichen. Insgesamt zeigte sich, dass 58% aller jüngeren Erwachsenen eine parodontale Erkrankung (PGU von ≥3 = Sondierungstiefen von mehr als 3,5mm) aufwiesen. Selbst wahrgenommen hatten auch hier nur 31% ein Problem gegenüber 69%, denen nichts aufgefallen war!
Dies zeigt deutlich, dass angesichts des langsamen und meist schmerzlosen Verlaufs der chronischen Parodontitis nicht gewartet werden darf, bis PatientInnen selbst mit der Diagnose „Parodontose" kommen: eine wenig aufwändige Screeninguntersuchung, die PGU, identifiziert Risikopatienten mit akzeptabler Sensitivität und Spezifität.
Abhängig vom Ausmaß und Schweregrad des Befundes wird entschieden, ob die Behandlung in der eigenen Praxis vorgenommen werden kann oder in schweren Fällen eine Überweisung an eine spezialisierte Anlaufstelle vorzuziehen ist. Jedenfalls erfolgt eine Aufklärung der Patienten über Parodontitis, Verlauf und möglichen Zahnverlust bei Unterlassung der Therapie. Diese wird dokumentiert. Gegebenenfalls kommen weitere diagnostische Maßnahmen zum Einsatz: Einzelbildröntgen, Abklärung hinsichtlich Grunderkrankungen (Diabetes, Stress, Krankheiten des rheumatischen Formenkreises, Osteoporose), Rauchverhalten, Mundhygieneparameter etc.
Ursache von Parodontitis sind immer im Biofilm organisierte Bakterien, deren Vielfalt und mögliche Zusammenwirkung mit Viren und Pilzen noch gar nicht zur Gänze erforscht sind. Ausschlaggebend für den Ausbruch und das Fortschreiten der Erkrankung sind jedoch die individuelle Abwehrreaktion des Wirtes, (epi-)genetische Einflüsse sowie veränderbare und nicht-veränderbare Risikofaktoren. In den allermeisten Fällen liegt eine lokalisierte oder generalisierte chronische Parodontitis, eventuell erschwert durch endodontische Probleme oder Füllungsüberstände vor: nach Dokumentation der Ausgangssituation in einem geeigneten Formular (zB über www.oegp.at) erfolgt die systematische Entfernung des bakteriellen Biofilms aus allen Zahntaschen, von allen Wurzeloberflächen, das Anfinieren von Füllungen und die exakte Durchführung allfälliger endodontischer Behandlung Dies zeigt in den allermeisten Fällen eine deutliche Besserung. Bei Vorliegen sehr vieler sehr tiefer Taschen und weiterer Risikofaktoren wie Diabetes und schwerem Nikotinabusus sind (vorzugsweise nach Keimanalyse mittels PCR) systemische Antibiotika angezeigt. Die mechanische Zerreißung des Biofilms kann gleichwertig mit Handinstrumenten, Schall- oder Ultraschall durchgeführt werden. Besonderer Wert wird auf die Etablierung einer perfekten häuslichen Mundhygiene (Patientenschulung!) sowie Raucherentwöhnung gelegt.
Das subgingivale Debridement/die Depuration ist nicht mit „professioneller Zahnreinigung, PZR, Prophylaxe" zu verwechseln: subgingivales therapeutisches Arbeiten setzt genaue Kenntnisse der Zahnwurzelanatomie voraus und erfolgt bei hohen Sondierungstiefen in Lokalanästhesie.
www.paroknowledge.at Die Anmeldung ist ab sofort möglich. Wissenschaftlich Leitung: Dr. Corinna Bruckmann; MSc Tagungsleitung: Dr. Andreas Fuchs-Martschitz |
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