Niederösterreich: Servus aus dem Land des Lächelns

Medienkampagnen sind toll. So verkauft man zuckerhältigen Fruchtsaft oder frische saftige Äpfel, Schweinsstelze oder „Alpenlachs". Völlig egal. Aber Mundgesundheit? Niederösterreich gegen Ungarn: Das ist Brutalität!

Nein, wir wollen niemanden schlecht machen; wir wollen eine positive Kampagne. Egal wie viele Busse mit Zahntouristen gen Osten ziehen. Wir lassen in Discos lächelnde Menschen ob ihres kusswürdigen Gebisses fotografieren und küren dann das schönste Lächeln Niederösterreichs unter fachlicher Jury wieder in einer Disco (Tatsache, das ist Teil dieser bereits „gelaunchten" PR- Aktion, keine Narretei des Schreibers dieser Zeilen).

Super, warum stellen wir nicht gleich eine zahnärztliche Einheit in der Disco auf, um dort medienwirksam zu bohren, nein, besser Veneers anzufertigen? Aber bitte vor laufender Kamera. Arbeitstitel: „Eingesperrt in der Disco, nur das härteste Lächeln kommt durch". Moderiert vom glanzvollen Lächeln eines Hansi Hinterseer, mit bärig zähneknirschenden Kommentaren eines Armin Assinger („Welcher Patient follt zerst um, A,B,C oder D?").

Um in der sprachlichen Gegenwart (toll, super ...) zu bleiben, zitiere ich hiermit meinen absoluten Lieblingssatz der Patienteninfo, die Sie jederzeit über Ihre geschätzte Niederösterreichische Zahnärztekammer beziehen können: „... sorgen Sie rechtzeitig für ein makelloses Gebiss, denn ein strahlendes Lächeln kann den Flirtpartner um den Verstand bringen!"

Wow, ja, mich auch. So verkaufen wir ab sofort unsere Totalprothesen, weil mehr wird sich Herr Mayer und Frau Müller bald eh nicht mehr leisten können. Warten wir aufs Sparpaket.

Man könnte die Idee des Landes des Lächelns natürlich auch exportieren - ins Burgenland: Die 80 Kollegen werden dann gemeinsam in Rust das schönste Lächeln bieten; oder nach Kärnten - gut, die haben momentan wenig zu lächeln; oder ganz Österreich als Land des Lächelns: neben Walzer, Mozartkugel und Fendrich (we smile from Austria) ein echter Exportschlager. Aber nun bin ich wieder in irgendeinem zahnärztlichen Delir. Nein, man darf dieses Thema nicht lächerlich machen. Die Randbedingungen sind: Patienten sehen ordentliche Arbeit nicht. Patienten haben andere Wünsche, als wir ihnen aus fachlichen Gründen angedeihen lassen wollen. Patienten wollen nett lächeln, auch wenn es nur eine Fassade ist. Patienten - auch wenn sie scheinbar mündige sind - kümmern sich nur teilweise um ihre Gesundheit.

Was schließen wir daraus? Wir sind nach wie vor Ärzte (zumindest die meisten). Wir wollen unseren Patienten Gutes. Wir bieten unseren Patienten das Bestmögliche.

Aber das lässt sich in unserer Spaßgesellschaft offensichtlich nur mehr teilweise verkaufen. Ordnen wir uns jetzt der Spaßgesellschaft unter und gehen forensisch ein oder handeln wir nach unseren medizinisch-ethisch moralisch korrekten Prinzipien und gehen wirtschaftlich ein? Wo ist der Mittelweg?

Eine Patienteninformation abseits der verbotenen Eigenwerbung ist gut, diese derzeitige PR-Aktion allerdings verbesserungswürdig.

Medienkampagnen sind toll, wie gesagt. Aber wir sollten uns nicht unter unserem Wert verkaufen. Weder gegenüber der mündigen Patientenschaft noch gegenüber den Versicherungsträgern und auch nicht durch eine überforderte PR-Agentur. Sonst gibt es uns in zehn Jahren in dieser Form eh nicht mehr.

a.beobachter