Wechselwirkungen Parodontitis und rheumatische Erkrankungen

Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen zwischen beiden Erkrankungen lassen Zusammenhänge wahrscheinlich erscheinen.

Die Parodontitis zählt heute zu den häufigsten oralen Krankheitsbildern. In unterschiedlichen Ausprägungsformen kann sie in allen Lebensaltern auftreten und führt unbehandelt zur Zerstörung von Hart- und Weichgewebe des Zahnhalteapparates, zum Abbau des Kieferknochens und letztlich zum Zahnverlust. Die Erkrankung wird bakteriell ausgelöst und durch ein Spektrum fakultativ pathogener, teilweise auch anaerober Keime der Mundhöhle aufrechterhalten. Dennoch ist die Parodontitis nicht als monofaktorielle Erkrankung zu betrachten. Die Läsionen an Zahnfleisch und Kieferknochen sind vielmehr das Resultat aus dem Wechselspiel zwischen mikrobieller Besiedelung und individuell unterschiedlich stark ausgeprägter Immunantwort. Erst eine überschießende Immunantwort in Kombination mit bakteriellen Exo- und Endotoxinen führt zu einer in Schüben verlaufenden Gewebsdestruktion.

Weiters wirken sich exogene Faktoren, wie Mundhygiene, Ernährung, Tabakrauchen, und endogene Parameter wie bestehende Grunderkrankungen und Defekte der lokalen und systemischen Abwehr auf den Krankheitsverlauf aus. So wird etwa durch einen bestehenden, schlecht eingestellten Diabetes mellitus die Progression einer Parodontitis gefördert. Auf der anderen Seite beeinflusst auch die orale Erkrankung die Allgemeingesundheit des betroffenen Patienten. Eine aktive Parodontitis stellt einen Hochrisikofaktor für zahlreiche Erkrankungen wie etwa Arteriosklerose, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Diabetes mellitus dar. Die engen Verflechtungen und Wechselwirkungen zwischen oralen und vielen systemischen Krankheitsbildern gelten heute als anerkannte, wissenschaftlich belegte Tatsache.

Schon seit Langem werden auch Zusammenhänge zwischen Entzündungen der oralen Gewebe und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises diskutiert. So fand bereits bei Hippokrates die Heilung eines Patienten mit schwerer Gelenkserkrankung nach Extraktion eines eitrigen Zahnes Erwähnung, und die so genannte „orale Sepsis" wurde um die Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert als Ursache für viele systemische Erkrankungen wie Osteomyelitis und Arthritis angesehen, fand aber immer auch Widersprüche.

Neue Studien belegen nun aber, dass bis zu 50% der Patienten mit rheumatischen Systemerkrankungen gleichzeitig an schweren parodontalen Erkrankungen leiden und einen deutlich schlechteren Zahnstatus aufweisen, als gesunde Vergleichsgruppen. Auf der anderen Seite zeigen Rheumapatienten in den akuten Stadien bestehender Parodontalerkrankungen gleichzeitig auch deutliche Verschlechterungen ihrer Gelenkssituation. Die Entzündungswerte sind in diesen Phasen bis auf das Achtfache erhöht.

Ähnliche Entzündungsmediatoren bestimmen den Verlauf beider Krankheitsbilder
Beide Krankheitsbilder weisen zahlreiche Übereinstimmungen in ihren Zytokinmustern auf. Bei akuten parodontalen und gingivalen Läsionen sind die Weichgewebe extrem vulnerabel und es kommt bereits bei geringfügigen mechanischen Belastungen, wie dem Kauen härterer Nahrungsmittel und dem Zähneputzen, zu kleinen Verletzungen und damit zu einer hämatogenen Einschwemmung der parodontalpathogenen Mikroorganismen sowie zu zumindest passageren Bakteriämien. Der Organismus antwortet darauf mit Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Interleukinen (Il) und Tumornekrosefaktor alpha (TNFa). Das IL-1 bindet wiederum an Rezeptoren der Zielzellen und bewirkt so die Weiterleitung des Entzündungsreizes und die Initiierung von zahlreichen Immunabwehrreaktionen. Es wird PGE2 ausgeschüttet, und über die Bildung von Kollagenasen und Elastasen sowie Osteoklastenaktivierung kommt es zum irreversiblen Abbau von Knochen und Bindegewebe.

Ebenso führen Il-1, IL-6 und TNFa bei der rheumatoiden Arthritis an den Zellen der Synovia zu einer Freisetzung von Prostaglandinen und MMPs (Elastasen). Die Blutgefäße werden durchlässig, es entstehen Schwellungen, Rötungen und Schmerz. Die aktivierten Kollagenasen und Elastasen spalten Eiweißverbindungen und zerstören die Matrix, in der Folge kommt es zum Abbau von Knorpel- und Knochengewebe.Bei beiden Erkrankungen entsteht also die Destruktion in einem ähnlichen Muster durch überschießende Immunantworten mit akuten Schüben innerhalb eines chronisch entzündlichen Prozesses. Beide Erkrankungen werden multifaktoriell ausgelöst, verstärkt und aufrechterhalten. Genetische Voraussetzungen, Alter, Geschlecht und exogene Einflüsse sind mitbestimmende Faktoren.

Porphyromonas gingivalis als Schlüsselkeim und Verbindungsglied
Nun ist aber, im Gegensatz zur rheumatischen Erkrankung, für die Parodontitis eine mikrobielle Genese bewiesen. Eine gemischte, individuell durchaus variable Mikroflora bildet Biofilme auf den gingivanahen Zahnoberflächen, und die natürliche Standortflora wird durch eine komplexe parodontalpathogene, zu großen Anteilen anaerobe Plaque ersetzt. Ein besonders aggressiver, mit potenten Pathomechanismen ausgestatteter Keim in diesem Zusammenhang ist Porphyromonas gingivalis. Neue Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass es sich bei diesem Bakterium um einen Schlüsselkeim in der Verbindung zwischen parodontalen und rheumatischen Erkrankungen handeln könnte. In einer Studie der Universität in Pittsburgh an 40 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), welche gleichzeitig unter schwerer Parodontitis litten, konnten Antikörper gegen Porphyromonas gingivalis in der Gelenksflüssigkeit nachgewiesen werden. Dieser Keim ist nun imstande, ein bestimmtes Enzym, nämlich die Peptidylarginindeiminase, zu bilden. Dieses Enzym verändert die Aktivität von Argininresten und fördert damit die Entstehung von Peptidyl-Citrullinresten, die wiederum die Bildung von APCA-Autoantikörpern initiieren. Diese sind typisch für rheumatoide Arthritis. An der Charité der Universitätsklinik Berlin laufen Untersuchungen zur Erforschung der Bedeutung von bakteriellen Einflüssen bei Genese der rheumatoiden Arthritis.

Korrelierte therapeutische Maßnahmen führen zum Erfolg.
Neben diesen unmittelbaren Zusammenhängen zwischen den beiden Krankheitsbildern kommen auch weitere, einander wechselseitig beeinflussende Faktoren zum Tragen. So haben Rheumapatienten oft eine eingeschränkte Beweglichkeit ihrer Hände und/oder leiden unter entzündlichen Kiefergelenksbeschwerden, was eine optimale Mundhygiene erschwert und verhindert. Die daraus resultierende Plaqueakkumulation fördert wiederum die orale Entzündung. Bei spezifischen Krankheitsbildern des rheumatischen Formenkreises wie der Sklerodermie wird durch vernarbtes Bindegewebe die Öffnung des Mundes erschwert, beim Sjögren Syndrom bewirkt die damit verbundene Hyposalivation eine persistierende Mundtrockenheit mit erhöhter Anfälligkeit für bakterielle und fungale Besiedelung. Bei Patienten mit Morbus Behcet erschweren Ulzerationen und Geschwüre die Mundhygiene. Die vulnerablen, blutenden Läsionen sind ideale Nährböden für pathogene atypische Mikroorganismen.

Über die Nebenwirkungen von im Rahmen der Rheumatherapie eingesetzten Cytostatika kann es zu Gingivahyperplasien kommen. Die Pseudotaschen bilden Retentionsstellen für Plaque und damit die Basis für neue Entzündungsherde.

Der enge Zusammenhang zwischen rheumatoider Arthritis und Parodontalerkrankungen wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass sich bei erfolgreicher Therapie des einen Leidens auch das andere Krankeitsbild signifikant verbessert. So kommt es nach professioneller Zahnreinigung und gezielter antimikrobieller Therapie der oralen Infektionen zu einer Verbesserung der rheumatischen Symptome. Andererseits zeigte eine rumänische Studie an 25 an rheumatoider Arthritis und schwerer Parodontitis erkrankten Personen, welche eine Therapie mit TNF a-Inhibitoren erhielt, bei 80% auch eine signifikante Verbesserung des Parodontalstatus.

All diese Fakten zeigen die Bedeutung einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt, Allgemeinmediziner und Rheumatologen bei gleichzeitigem Auftreten der beiden Krankheitsbilder. Der fachübergreifende Austausch und die gegenseitige Abstimmung der Therapiekonzepte bilden die Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

Ch. Eder, L. Schuder

Die Zusammenarbeit von Zahnärzten, Rheumatologen und praktischen Ärzten ist entscheidend.