Mit dem Spruch ,,six teeth in six months", so erfuhr ich bei der letzten Fortbildungsveranstaltung, werden in England kieferorthopädische Behandlungen des sichtbaren Bereichs beworben. |
![]() Abb.1
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Da wir für medizinische Leistungen, wenn sie nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden, haften, ist hier eine besonders sorgfältige Fallanalyse sowie Patientenaufklärung zu empfehlen. In vielen Fällen müssen wir danach die gewünschte Therapie ablehnen und die Patienten vom Nutzen einer umfassenden kieferorthopädischen Behandlung überzeugen. |
![]() Abb. 2
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Allerdings sind in der Erwachsenenbehandlung orthodontische Maßnahmen, die lediglich die Zahnstellung im sichtbaren Bereich betreffen und Fehlstellungen im Seitenzahnbereich unberücksichtigt lassen, nicht prinzipiell falsch. Als Beispiel möchte ich einen jungen Mann vorstellen, der meine Ordination aufsuchte, weil seine Frontzahnstellung für ihn ein soziales Problem darstellte. Ein frontoffener Biss und ein Diasthem zwischen den oberen Einsern störten optisch und verstärkten einen Sprachfehler. (Abb. 1: Diasthema mediale, offener Biss in der Front, verkehrte Lachlinie und interdentale Einlagerung der Zunge) |
![]() Abb. 3a
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Der Patient war bereits informiert, dass in seiner Situation nur eine umfassende kieferorthopädisch-chirurgische Behandlung zielführend sei. (Abb. 2: Der seitliche Kreuzbiss beidseits und die übererruptierten Molaren erfordern eine chirurgische Intervention) Aber, so betonte er, eine solche Maßnahme käme für ihn nicht infrage. Er sei am Beginn einer beruflichen Karriere, häufig mehrere Wochen im Ausland tätig und könnte weder die während der kieferorthopädischen Behandlung notwendigen regelmäßigen Kontrolltermine einhalten noch die Zeit für den operativen Teil erübrigen. |
![]() Abb. 3b
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Ich riet zu einer Kompromissbehandlung mit dem Grozatgerät. Es handelt sich hierbei um eine einfache und für den Patienten wenig belastende Maßnahme. Das abnehmbare Drahtgerät wird mit Klammern an vier Oberkieferzähnen fixiert. An den Frontzähnen werden Kunstoffknöpfe fix geklebt und mithilfe von Peitschenfedern, die den aktiven Teil der Zahnspange darstellen, erfolgen die Zahnbewegungen. Das Diasthem wird geschlossen und vier Frontzähne werden extrudiert. Die Stellung der Seitenzähne bleibt dabei unverändert (Abb. 3a+b: Die nach caudale aktivierten Drahtfedern hängt der Patient selbst über die Knöpfchen ein.) |
![]() Abb. 4
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Der Patient trug den Apparat anfangs Tag und Nacht, entfernte ihn aber zum Essen, beim Sport und während wichtiger beruflicher Termine. Trotz längerer Aufenthalte im Ausland und weniger Kontrolltermine war die für den beruflichen Erfolg wichtige gewünschte Verbesserung der Sprache und der Ästhetik im Mundbereich nach einem Behandlungsjahr erzielt. (Abb. 4: Das angestrebte Behandlungsergebnis). Anschließend sollte der Apparat immer wieder eingesetzt werden, sobald sich eine Rezidivtendenz zeigte. Nach einem weiteren Jahr setzte der Patient das Gerät ab. Die nächste Kontrolle erfolgte erst sechs Jahre später. (Abb. 5: Zustand sechs Jahre nach Absetzen der Apparatur) Der Biss war mit den Jahren langsam wieder etwas aufgegangen. „Sie haben ja noch Ihren Apparat, wir können damit die Frontzahnstellung nochmals korrigieren," meinte ich. Mein Patient lachte selbstbewusst: „Ich habe mittlerweile die angestrebten beruflichen und privaten Ziele erreicht. Ich bin zufrieden, aber mit meiner Tochter komme ich rechtzeitig zur Kontrolle." Primaria Dr. Doris Haberler |
![]() Abb. 5
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