Kieferorthopädie in der Praxis

Wenn ein einzelner Frontzahn palatinal in den Kreuzbiss durchbricht, ist Platzmangel die häufigste Ursache. Da diese Fehlentwicklung im gut sichtbaren Bereich liegt, wird sie von den Eltern oder vom Zahnarzt rechtzeitig wahrgenommen und kann meistens mit einfachen Mitteln korrigiert werden. Bei meinem 45-jährigen Patienten hat sich eine frühzeitige Therapie allerdings als wenig erfolgreich erwiesen (Abb. 1).

Trotz mehrerer Extraktionen, die im Rahmen der damaligen kieferorthopädischen Behandlung durchgeführt wurden, konnte der Platz für 12 nicht ausreichend geöffnet werden, und der Zahn verblieb im Kreuzbiss (Abb. 2).

Abb. 1: Die frühzeitige Therapie hatte wenig Erfolg

Die verschachtelte Stellung der Frontzähne stört funktionell, aber es war primär die beeinträchtigte Ästhetik die den Patienten veranlasste, Lösungen zu suchen, die dieses Manko beheben können (Abb. 3).

Eine neuerliche kieferorthopädische Therapie mit einer fixen Apparatur kommt für ihn nicht in Frage. Er ist in seiner anspruchsvollen beruflichen Position viel unterwegs und muss gesellschaftliche Verpflichtungen wahrnehmen.

Abb. 2: Die Zähne 16, 25, 35 fehlen bereits
Schließlich ist bei genauer Analyse eine ideale Okklusion als Behandlungsziel in diesem Fall selbst mit modernsten Multibracket-Techniken schwierig zu realisieren. Zusätzlich erfordert die Kreuzbissüberstellung eine erhebliche, permanente Bisssperre.

Wir entscheiden uns daher für eine Kompromissbehandlung mit Invisalign-Schienen. Der ClinCheck zeigt die virtuellen Modelle, die erforderlich sind, bis schrittweise das geplante okklusale Ergebnis erreicht ist (Abb. 4a-c).

Abb. 5: Veränderung der Zahnstellung.
Da die Stellung der Seitenzähne zwar nicht optimal ist, aber was die Funktion betrifft bis zuletzt ausreichend gut war, soll sie nicht verändert werden. Mit den Schienen wird daher lediglich die Stellung der Frontzähne und der Eckzähne in beiden Kiefern korrigiert (Abb. 5). Zur Platzbeschaffung für 12 ist eine approximale Schmelzreduktion notwendig (Abb. 4a-c, Abb. 5).
Abb. 6: Schienen als Bisssperre.

Obwohl während der Kreuzbissüberstellung ein gesicherter Biss nicht möglich ist, empfindet der Patient die Behandlung als nicht störend (Abb. 6). Er trägt die „unsichtbare" Zahnspange außer beim Essen immer und wechselt sie in 14-tägigen Abständen (Abb. 7).

Nach elf Monaten ist das geplante persönliche Ziel erreicht. Da die umfangreiche Bewegung des Zweiers eine starke Rückbildungstendenz erwarten lässt, und der Patient die Kieferorthopädie definitiv abschließen will, retiniert er die Zahnstellung sofort mit einer prothetischen Versorgung (Abb. 8).

Abb. 8: Prothetische Versorgung

Mittlerweile zum Generaldirektor ernannt, ist nun ein unbekümmertes Lächeln möglich (Abb. 9).

Prim. Dr. Doris Haberler

Aus Platzgründen können hier nicht alle Abbildungen dargestellt werden. Sie finden sie in der Printausgabe von Zahn.Medizin.Technik.

Abb. 9: Am Ende ? ein
unbekümmertes Lächeln.