Gute Basis: Fußboden in der Praxis

Eines der wichtigsten Gestaltungselemente in einer Praxis ist der Fußboden. Nicht nur deshalb, weil es sich um eine große Fläche handelt, die optisch angenehm wirken und einladen soll, sie zu betreten, sondern weil sie zum gesamten Kontext passen muss - somit auch zu dem Teil, den man Hygiene nennt. Was aber auf den ersten Blick hin als Problem erscheint, ist im Endeffekt keine schwierige Sache, denn es gibt einige Bodenbeläge, die nicht nur den Zweck der absoluten Sauberkeit erfüllen, sondern sogar voll im Trend liegen. Die Möglichkeiten sind ziemlich variantenreich, obwohl es doch ein paar wichtige Spielregeln zu beachten gibt. Wie in jeder medizinischen Einrichtung muss der Bodenbelag auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen, mit der sich die Praxis konfrontiert sieht, abgestimmt sein. So gilt es meist, eine rutschfeste, trittsichere Oberfläche zu finden, die sich insbesondere kompromisslos gut reinigen lässt und auch optisch allerhöchste Sauberkeit ausstrahlt. Weiters soll der Boden fugenlos sein, um das Festsetzen von Bakterien zu vermeiden, sowie auch extrem belastbar. Schließlich herrscht in den Praxen reger Kundenverkehr, der den Boden ziemlich beanspruchen kann.
Bolon/GreenVinyl

Ein Boden im Gesundheitswesen muss also ganz schön etwas aushalten: Die Rollen des Arbeitsstuhles, Flüssigkeiten und andere behandlungsbedingte Materialien, aber auch das ständige Reinigen und Sauberhalten, das unter Umständen sogar mehrmals am Tag von statten geht. Resistenz ist auch gegenüber Desinfektionsmitteln und Feuchtigkeit gefragt. Verletzungen des Bodens sind dabei nicht zulässig. Außerdem müssen die Bodenbeläge in Form eines Hohlkehlenhochzugs oder mit verschweißten flüssigkeitsdichten Leisten wandseitig abgeschlossen werden, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Eine leichte Reinigung hat oberste Priorität.

Was in Frage kommt
Völlig klar ist, dass textile Erzeugnisse die Anforderungen nicht erfüllen können. Sie würden geradezu kontraproduktiv wirken. Holzböden hingegen können in bestimmten Bereichen zur Anwendung kommen, jedoch auch nur dann, wenn sie ausreichend versiegelt sind, ordentlich gewartet werden und nicht gerade im Behandlungsbereich verlegt werden. Sie eignen sich dafür umso mehr für den Empfangs-, Büro- und Wartebereich, die dadurch weniger steril, dafür ein wenig wohnlicher aussehen können. 

Armstrong/Lino/Uni/Walton
Als Alternative bieten sich farblich abgestimmte Fliesen in warmen Farbtönen an. Sie sind wahre Naturschönheiten, die lediglich nur aus Ton und Wasser bestehen. Leider wurden sie in den letzten Jahren zu Unrecht eher stiefmütterlich behandelt und erfahren aber gerade jetzt in den Zeiten des Umdenkens in Hinblick auf Nachhaltigkeit und gesundes Ambiente einen Aufschwung als gestalterisches Element. Dass die Fliese nicht nur ein geduldeter Bodenbelag für Nassräume ist, sondern viel mehr kann, demonstriert zum Beispiel eindrucksvoll die Fliesenserie Bosco von Agrob Buchtal, die sich bei ihrer ausdrucksstarken Gestaltung von natürlichen Vorbildern wie altem, verwittertem Holz inspirieren ließ. Die Holzstruktur wurde dabei nicht einfach nur imitiert, sondern keramisch neu interpretiert, wobei die innovative Oberflächenveredelung Hydrotect den Fliesen eine außergewöhnliche Funktionalität angedeihen lässt.
Agrob Buchtal/Vision
Unter anderem liegen Bodenbeläge aus PVC wieder im Trend. Auch wenn dieses Material immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik steht: Das unerschütterliche Polyvinylchlorid ist in der Bodenindustrie ob seiner Widerstandkräfte in der Praxis nicht wegzudenken. Betrachtet man aber den Standpunkt und vor allem den Anspruch einer Praxis, als Gesundheitsinstitution auf nachhaltige, ökologisch vertretbare Ausstattung Wert zu legen, kann diesbezüglich Entwarnung gegeben werden. Schließlich handelt es sich bei PVC um einen der weltweit am häufigsten verwendeten Kunststoffe. Es ist stabil und kräftig wie auch flexibel und weich. Und PVC ist auch tatsächlich rezyklierbar, denn die Hauptbestandteile von PVC sind Ethylen, gewöhnliches Salz, Natriumchlorid. Der Chlorgehalt im PVC-Polymer führt dazu, dass das PVC im Gegensatz zu anderen Polymeren feuerresistente Eigenschaften hat und so vielseitig ist. Sie können überall da eingesetzt werden, wo hohe Abriebfestigkeit, Beständigkeit gegenüber Säuren und Laugen sowie leichte Reinigung gefordert werden sowie auch dort, wo mit Feuchtigkeit zu rechnen ist. Kurz: Vom Eingangsbereich über den Behandlungsraum bis zur Toilette zu jeder Funktion kompatibel. Anlässlich des ehrgeizigen Plans „Vinyl 2010" haben sich sämtliche PVC-Hersteller bereit erklärt, eine Reduzierung des Umwelteinflusses zu unterstützen zugunsten erneuerbarer Bestandteile, der Ressourcenschonung und der CO2-Bilanz.
Royal Mosa/Terra

Alte Bekannte
Auch Linoleum gilt als strapazierfähig und langlebig, reagiert aber empfindlich auf zu große Feuchtigkeit. Um dem entgegen zu wirken, müssen die Verlegenähte verschweißt werden. Linoleum ist zusätzlich antistatisch, schwer entflammbar und sehr widerstandsfähig wie auch leicht fungizid, und es enthält eine bakterienhemmende Schicht - alles wichtige Eigenschaften für Räume mit erhöhter Hygiene. Doch hier überlegt man ebenfalls im ersten Moment, ob ein Material mit diesen Vorzügen überhaupt umweltverträglich sein kann. Die Zweifel beginnen schon damit, dass 1860 Linoleum ausgerechnet von einem britischen Chemiker - der übrigens Frederick Walton hieß - entwickelt wurde. In unseren Denkprozessen herrscht große Skepsis, wenn das Wort Chemie mit im Spiel ist. Bei Linoleum aber, das in den vergangenen Jahren leider auch aus der Sicht der Raumgestaltung stark aus der Mode gekommen ist, ist das Gegenteil der Fall. Die Zutaten sind oxidativ polymerisiertes Leinöl, Naturharze, Kork- oder Holzmehl, Kalksteinpulver, Farbstoffe und eine Schicht aus Jute als Trägerschicht. Das Leinöl ist dabei die Hauptkomponente, der Rest sorgt für die Gestaltung der spezifischen Eigenschaften. Linoleum wurde in seiner Rolle als elastischer Bodenbelag durch den PVC-Boden ziemlich abrupt abgelöst und wurde des Platzes verwiesen zugunsten eines Produktes, dem Linoleum in seinen Eigenschaften leicht das Wasser reichen kann. Architekturgrößen wie Bruno Taut, Josef Hoffmann, Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe konnten sich jedenfalls sehr für Linoleum begeistern.

Ein anderes Produkt, das ebenfalls wieder mehr ins Rampenlicht rückt, ist Gummi. Sofern er nicht komplett synthetisch hergestellt wird, ist er ein Produkt der Natur, gewonnen aus dem Milchsaft tropischer Pflanzen, den diese zu ihrem eigenen Schutz abgeben und damit verletzte Stellen abdichten und heilen. Dieser vulkanisierte Naturkautschuk wird heute als Werkstoff Gummi verwendet. Die Bäume, von denen der Kautschuk entnommen wird, werden nicht beschädigt. Die Herstellung der Gummibodenbeläge geht also nicht mit der Zerstörung von natürlichen Ressourcen einher, ebenso wenig werden bei der Produktion umweltbelastende Substanzen erzeugt. Die so genannten Kautschuk- oder Elastomerbeläge sind extrem widerstandsfähig. In der Praxis sind diese als schwer entflammbar einzustufen und resistent bei kurzzeitigen Einwirkungen von Lösemitteln, Ölen und Fetten sowie verdünnten Säuren oder Laugen, so dass es zu keiner Oberflächenbeschädigung kommt. Es gibt darüber hinaus neue Ausführungen, bei denen die Oberflächen zusätzlich geschützt und der Verbrauch von Reinigungsmitteln, Wasser und Energie drastisch gesenkt werden kann. Gummi ist sehr strapazfähig und belastbar, doch auch er zeigt irgendwann einmal Ermüdungserscheinungen. Am Ende seines Daseins kann er durch seine Zusammensetzung sogar im Hausmüll entsorgt werden und muss nicht aufwändig rezykliert werden.

Diese Materialien haben eines gemeinsam: Sie sind alte Bekannte, auf die man sich verlassen kann. Insbesondere in einer Arztpraxis, wo es genau darauf ankommt, was man unter dem Füßen hat, als etwas, das sich gleichzeitig angenehm, sauber und sicher anfühlt. Und wie man sieht, nimmt man es auch mit der Umweltfreundlichkeit sowohl beim Material selbst als auch der Produktion heute viel genauer, womit das Prädikat „Sauber und menschenfreundlich" bereits verdient ist.

Barbara Jahn