Ein langwieriger Prozess

Juristische Streitigkeiten zu komplementären Behandlungen sind bisher selten - umso wichtiger erscheint die Aufarbeitung eines komplizierten Verfahrens.

Die Klägerin wurde nach einem Zervixkarzinom, das restlos entfernt werden konnte, vom Onkologen zu einer ganzheitlich arbeitenden Zahnärztin überwiesen. Zur Abwehrsteigerung sollten ein Elektroakupunkturtest, Amalgamsanierung mit Begleittherapie und Herdentfernung durchgeführt werden. Die Patientin füllt auch einen Fragebogen aus, wo sie bestätigt, eine ganzheitliche Betreuung zu wünschen. Die Frage zum Informationsmaterial läßt sie leider aus.

Der Biotest ergab keinen Entzündungsherd, jedoch eine Amalgambelastung. Daraufhin wurde eine Wurzelbehandlung auf 16 belassen, die zahlreichen Amalgame entfernt und durch Glasionomer ersetzt. Einige Füllungen waren tief, auch Karies war darunter. Als Begleittherapie wurden Homöopathika und Chlorellaalgen eingesetzt.

Die Patientin klagt über wechselnde Zahnbeschwerden, die oberen Weisheitszähne werden entfernt. Dann wechselt die Klägerin die Zahnärztin. Sie braucht auf 15 eine Wurzelbehandlung, dieser hatte eine tiefe Glasionomerfüllung. Die Wurzelbehandlung verläuft erfolgreich, die neue Kollegin macht Compositefüllungen, weil die Patientin nach wie vor kein Amalgam möchte. Nach einem Jahr werden einige Füllungen getauscht, Schmerzen macht nunmehr 16, Revision und Antibiotikaeinsatz helfen nicht.

Nach einigen Sitzungen sucht sich die Patientin einen neuen Zahnarzt. Der Zahn 16 wird nach mehreren Spülungen entfernt. Auf vier Zähnen werden Goldinlays angefertigt, darunter auch solche, die bereits Compositefüllungen auswiesen. Die Aussage des Kollegen, dass bei der Kariesanfälligkeit der Patientin Metallfüllungen besser wären, ist daher durchaus zu unterstreichen.
Die Klägerin sieht das allerdings anders: Sie meint, die Amalgamentfernung wäre ein Fehler gewesen, die Begleitbehandlung unnötig. Auch hätte ihr niemand gesagt, dass Glasionomerfüllungen als Übergangslösung zu sehen und engmaschig zu kontrollieren sind, da sie höhere Auflösungstendenz haben als Composites. Der Verlust des Zahnes 16 sei natürlich auch der Beklagten anzulasten. Nebenbei sei erwähnt, dass eine Rechtsschutzversicherung besteht und der klagende Anwalt ihr neuer Lebensgefährte ist.

Die erste Hürde besteht darin, die Richterin zu überzeugen, dass ich mit der beklagten Kollegin nicht eng befreundet bin oder in wirtschaftlicher Beziehung zu ihr stehe. Da es bei Juristen auch so ist, dass in Österreich die Zahl der Spezialisten für ein bestimmtes Fachgebiet klein ist, wird dieses Argument anerkannt. Ich kenne auch die beiden Nachbehandler und den Onkologen - und muss jedes Wort auf die Goldwaage legen, da der Klagevertreter meint, wir hätten uns abgesprochen und verständigen einander durch Blicke und Gesten.

Sehr vorteilhaft erwies sich, dass alle drei Zahnärzte ausgezeichnet dokumentiert haben, es gab nachvollziehbare Karteikarten und umfangreiche Röntgendokumentation. Dadurch war es möglich nachzuweisen, dass die Patientin tatsächlich sehr kariesanfällig ist. Durch den häufigen Zahnarztwechsel hat ihr aber noch nie jemand empfohlen, ihre Zähne besonders häufig kontrollieren zu lassen. Bei allen betroffenen Kollegen hat sie mehrmals Termine nicht wahrgenommen. Obwohl jeder von uns andere Schwerpunkte und Lieblingsmaterialien hat, ergibt sich kein Widerspruch und keine Kritik an den Arbeiten der Vorgänger.

Für die praktische Vorgehensweise wird bei Komplementärverfahren normalerweise die Meinung eines Experten der Gesellschaft eingeholt, welche die Methode lehrt und vertritt. In diesem Fall konnte ich dies als Vertreter der Landeszahnärztekammer erledigen. Dass wir über ein Kammerreferat für Komplementärmedizin und eine Ausbildung mit Diplomabschuss verfügen, zählt vor Gericht. Sollten Sie jemals einen Gutachter benötigen: Fr. Dr. Martina Gredler und Dr. Elisabeth Wernhart-Hallas sind ebenfalls Sachverständige mit Komplementärdiplom.

Das Argument, dass halbjährliche Zahnarztkontrollen allgemein empfohlen werden und dies jedem bekannt sein dürfte, wird schließlich gewürdigt. Die Beklagte hat auch selbst Broschüren zusammengestellt, die sie den Patienten mitgibt, bevor sie mit der Sanierung beginnt. Die Klägerin bestreitet, diese je gesehen zu haben, es gibt auch keine Helferin, die gesehen hätte, dass diese ausgehändigt wurden, ein Vermerk über die Aushändigung fehlt ebenfalls. Um diesen Punkt wird lange diskutiert, er kann nicht geklärt werden. Der Forderung des Anwaltes, auch einen schulmedizinischen Sachverständigen zu bestellen, wird nicht stattgegeben, weil wir ja auch Schulmediziner sind.

Beachten Sie: Der Streitwert am Beginn liegt bei knapp 9.000.- Euro, der Prozess zieht sich über 2 ½ Jahre, zwei Zahnärzte und der Onkologe verbringen einige Stunden bei Gericht, bei zwei Sitzungen zu je drei Stunden bin ich als Gutachter geladen - Gerichts- und Anwaltskosten sind beträchtlich. Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus?

Schulmedizin ist unsere gemeinsame Basis: Patienten, die einen eindeutig sichtbaren Herd „alternativ" behandeln wollen, verweise ich auf ihren Zahnarzt.
Aufklärung ist ungeheuer wichtig - über schulmedizinische und komplementäre Möglichkeiten. Bitte unbedingt in der Kartei vermerken.
Unsere kammereigene Ausbildung und das Diplom sind wertvolle Rechtsgrundlagen, Sachverständige mit Zusatzausbildung komplettieren die rechtliche Basis. Ich wünsche uns allen, dass wir einander nie vor Gericht begegnen müssen, sollten Sie die Wahl haben, rate ich die Schlichtungsstellen der in Anspruch zu nehmen - in Wien werden automatisch Kollegen mit Zusatzausbildung als Schlichter herangezogen.

Dr. Eva-Maria Höller

Seminar:
Homöopathie in der Zahnheilkunde
Dr. Eva-Maria Höller
11.-12. Juni 2010

Büro des Zahnärztlichen Interessenverbandes, 1010 Wien

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Verschiedene Einsatzmöglichkeiten in der Zahnheilkunde:
Klassische Homöopathie,
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Glasionomere sind gut verträglich ? auch die licht-
härtenden.