Teil 1 - Allergie in der Zahnarztpraxis

Im zahnärztlichen Bereich werden im Rahmen der Behandlung sowohl Personal als auch Patienten mit einer Reihe möglicher Allergene konfrontiert.

Allgemein besteht eine ansteigende Tendenz zu allergischen Reaktionen, wobei jedoch eine strikte Unterscheidung zwischen echten Allergien und toxischen, nicht allergischen Reaktionen getroffen werden muss. So können diverse nach einem Zahnarztbesuch auftretende Läsionen der Mundschleimhaut beim Patienten ähnlich wie eine allergische Reaktion aussehen. Dazu gehören Schwellungen an Lippen, Wangen und Mundboden, Rötungen, Kribbeln oder Taubheitsgefühl an umschriebenen Schleimhautbereichen, weiters aphthoide Läsionen, Lichen, oder Herpesvirus-assoziierte Bläschen. Da die Reaktion auf ein Allergen oft ähnlich einer Entzündung imponiert, müssen mikrobielle, mechanische oder chemische Ursachen ausgeschlossen werden.

Orale Mukosa mit niedrigem Allergisierungspotenzial

Eine echte allergische Reaktion setzt eine vorangegangene Sensibilisierung mit einem Allergen voraus. Typischerweise findet man allergische Reaktionen eher im perioralen Bereich oder an den Lippen als direkt auf der Mundschleimhaut. Die Mukosa ist zwar hoch permeabel und durch ihre Exposition zu Fremdsubstanzen (Nahrungsaufnahme, Respiration) eigentlich für allergische Reaktionen prädestiniert. Jedoch durch ihre strukturellen Unterschiede zur normalen Haut mit den hier präsenten antigenpräsentierenden dentritischen Zellen und der gegenüber der Haut deutlich geringeren Dichte an Mastzellen und eosinophilen Granulozyten besteht eine hohe Toleranz gegenüber möglichen Allergenen. Die gute Durchblutung der oralen Mukosa verhindert zudem eine Depotbildung der Allergene. Der Speichel erweist sich zusätzlich durch das Wegspülen von allergisierenden Substanzen und seinen Gehalt an IgA als protektiver Faktor.

Exakte Anamnese hilft bei der Erfassung von Allergien

Dennoch existieren im zahnärztlichen Bereich eine Reihe von Wirkstoffen, die – ebenso wie ihre molekularen Bestandteile – zu Hypersensibilitätsreaktionen führen können. Dazu gehören vor allem die zu den Spitzenallergenen zählenden für Füllungen verwendeten Kunststoffe, wie Methylmethacrylat, diverse Kompositmaterialien, Prothesenkunststoffe und Metalllegierungen. So enthalten Füllungen mit Gold auch Palladium. Allergische Reaktionen auf dieses Metall beruhen meist auf einer nicht zu unterschätzenden Ko-Allergie mit Nickel. Hypersensibilitätsreaktionen auf Nickel sind, ausgelöst durch eine vorangegangene Allergisierung durch beispielsweise Modeschmuck, in der Bevölkerung sehr verbreitet. Eine exakte Allergieanamnese beim Patienten sollte daher vor Verwendung bestimmter Materialen unbedingt erfolgen. Relativ gering (0,01%) sind echte Allergien auf Amalgam (Testung auf anorganische Quecksilberverbindungen im Allergietest!). Kaum allergische Reaktionen finden sich auf Titan. Weit häufiger hingegen zeigen Patienten Allergien auf Bestandteile von Mundwässern, Zahnpasten oder ätherischen Ölen und Kolophoniumkomplexen.

Kunststoffkomponenten als Gefahrenquelle

Nicht nur Patienten, auch das zahnärztliche und zahntechnische Personal ist mit beruflich bedingten, möglicherweise allergischen Hauterkrankungen konfrontiert. Allem voran steht hier die Latexallergie auf Bestandteile von Arbeitshandschuhen, welche aufgrund ihrer Häufigkeit ausführlich im zweiten Teil des Artikels diskutiert werden soll. Daneben bilden die im zahnärztlichen Bereich verwendeten Kunststoffe zur Herstellung von Zahnersatz in diesem Zusammenhang ein nicht unerhebliches Problem. Meist sind es Acrylate, welche durch Mischung von Flüssigkeiten mit einem Pulver hergestellt werden. Die Flüssigkeit enthält neben dem hoch allergenen Methylmethacrylat meist Inhibitoren wie Hydrochinon, Akzeleratoren wie Dimethyl-p-Toluidin, weiters Vernetzer und Weichmacher. Im Pulver sind neben Methylmethacrylatpolymer auch Farbstoffe und Katalysatoren enthalten. Kommt es beim Mischen der Komponenten oder beim Formen des noch nicht auspolymerisierten Materials zu Kontakt mit der Haut, kann dies schwere Reizungen mit Ausbildung von toxischen, nicht allergischen Kontaktekzemen verursachen, welche bei regelmäßigem Kontakt mit den reizenden Substanzen chronifizieren. Die natürliche Barrierefunktion der Haut wird beeinträchtigt, dies führt über kurz oder lang auch zu einer Allergisierung auf den jeweiligen Wirkstoff. Die Folge ist ein chronisches allergisches Kontaktekzem. Daneben kann es auch, seltener, zu einer akuten allergischen Sofortreaktion kommen.

Typ-1- und Typ-4-Reaktion haben zahnmedizinische Relevanz

Prinzipiell unterscheidet man nach Coombs und Gell vier unterschiedliche Typen der echten allergischen Reaktion. Im zahnmedizinischen/zahntechnischen Bereich sind dabei die Typ-1- und die Typ-4-Allergie von Bedeutung. Typ-1- oder Allergie vom Soforttyp führt auf der Mundschleimhaut zum oralen Allergiesyndrom mit einer Stomatitis/Cheilitis/Glossitis medicamentosa und lichenoiden Reaktionen. Diese Reaktion wird über IgE-Antikörper vermittelt, welche bei Antigenkontakt zu Degranulierung von Mastzellen und Basophilen und damit zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren führen. Die Auswirkungen sind unterschiedlich schwer und reichen von milden lokalen Reaktionen wie Juckreiz und Erythem bis zu Anaphylaxie. Besonders zu beachten ist hier die Allergie auf Antibiotika, wobei topische Applikationen in der Mundhöhle in weit höherem Ausmaß zur Sensibilisierung führen als enterale Gaben.
Die Typ-4-Allergie, oder Allergie vom Spättyp wird nicht humoral über Antikörper sondern zellulär über sensibilisierte T-Lymphozyten vermittelt. Sie ist die Ursache des klassischen allergischen Kontaktekzems. Die morphologische Ähnlichkeit von toxischen lokalen und entzündlichen Reaktionen und echten allergischen Reaktionen macht die Unterscheidung oft schwierig. Hinweise auf eine allergische Genese sind auftretende Veränderungen an Haut/Schleimhaut in unmittelbarem örtlichem und zeitlichem Konnex mit dem angenommenen Allergen, der Nachweis eines tatsächlichen allergenen Potenzials des Wirkstoffes, eine ausreichende Freisetzung des Stoffes im Reaktionsgebiet und letztlich die Bestätigung in einem positiven Epikutantest.

Ch.Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at