Wechselwirkung - Parodontitis und altersbedingte Makuladegeneration

Die chronische Parodontitis steht in enger Wechselwirkung mit zahlreichen Erkrankungen des Gesamtorganismus. Die über mikrobielle Reize permanent aufrecht erhaltene Entzündungsreaktion moduliert und fördert Stoffwechselerkrankungen, immunologische Störungen, Herz- und Gefäßerkrankungen ebenso wie Erkrankungen des Verdauungstraktes oder des rheumatischen Formenkreises.

Weniger bekannt sind die Auswirkungen auf das Auge, obgleich die Wechselwirkungen von oralen Läsionen und Augenerkrankungen schon lange bekannt sind und von Schwabe klassifiziert wurden. So treten etwa in Zusammenhang mit akuten Schüben von Parodontitis vermehrt Lidödeme auf. Bei Übergreifen der oralen Entzündungsprozesse auf Periost und Knochen kann es bis zu Orbitaphlegmonen kommen. Die Einschwemmung von parodontal-pathogenen Keimen und ihrer Stoffwechselprodukte ins Blut kann Thrombosen der Vena ophthalmica und des Sinus cavernosus verursachen. Folgen sind Iritis, Choroiditis oder Neuritis des Nervus opticus.

Parodotitis beeinflusst die Progression von AMD.

Aktuelle Studien zeigen erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf der altersbedingten Makuladegeneration, kurz mit AMD bezeichnet. Zur Hauptrisikogruppe der AMD gehören Menschen ab dem 55. Lebensjahr. In der westlichen Welt ist sie die Hauptursache für Sehverlust bei der älteren Generation, allein in Österreich leiden etwa 125.000 Menschen an einer Form dieser Erkrankung. Ursache dafür ist eine degenerative Veränderung mit Atrophie der Netzhaut an der Makula. Dies geschieht durch Ablagerungen von nicht vollständig durch Phagozyten aufgebrauchten zellulären Abbauprodukten aus den rhodopsinbeladenen Disci der retinalen Photorezeptoren. Sie akkumulieren zwischen der Bruch´schen Membran und der Basallamina des Retinapigmentepithels. In der Bruch´schen Membran lagern sich zusätzlich Lipide ab, welche die Stoff diffusion zwischen Aderhaut und den Photorezeptoren behindern. Gleichzeitig nimmt altersbedingt die Zellzahl im Pigmentepithel ab. Gefördert und vorangetrieben werden diese Prozesse allerdings zusätzlich durch chronische Entzündungen wie Parodontitis und ihrer Auswirkungen auf das Immunsystem. Eine kürzlich erschienene Studie (Wagley et. al., 2015) untersuchte die Zusammenhänge zwischen den beiden Krankheitsbildern. Mehr als 8000 über 40-jährige Patienten, welche in zwei Altersgruppen (über und unter 60-jährig) unterteilt wurden, nahmen an der Untersuchung teil. Parameter wie Geschlecht, Bildungsstatus sowie vorliegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nikotinabhängigkeit, Hypertonie, Body Mass Index und der Wert des C-reaktiven Proteins wurden berücksichtigt. Unter Einbeziehung sämtlicher Daten konnte eine deutliche, von anderen Risikofaktoren unabhängige Korrelation zwischen parodontaler Erkrankung und Makuladegeneration dargestellt werden.

Oxidativer Stress durch Parodontitis

Wo aber liegen die Wurzeln beider Läsionen? Studien haben gezeigt, dass bei AMD-Patienten beträchtlich erhöhte Blutspiegel von antioxidativen Enzymen wie Glutathionperoxidase und Superoxiddismutase vorliegen, was als Reaktion auf vermehrten oxidativen Stress zurückzuführen ist. Bei der chronischen Parodontitis werden als Folge der Interaktion zwischen vorwiegend anaeroben Bakterien und den Wirtsgeweben ständig solche freien Radikale von den Phagozyten und neutrophilen Granulozyten gebildet. Sie sind zunächst gegen die pathogenen Mikroorganismen gerichtet, greifen aber durch die überschießende Immunreaktion auch körpereigene Eiweiße, Enzyme und die DNA der Wirtszellen an. Über die Blutbahn werden neben den Radikalen auch Bakterien und deren Stoffwechselprodukte in den restlichen Organismus eingeschleust. Bei schweren Formen der Parodontitis kommt es schon bei einfachen Manipulationen, wie etwa dem Kauen härterer Nahrung oder bei der täglichen Mundhygiene, zu Bakteriämien. Der Organismus antwortet darauf mit generalisierter Entzündungsbereitschaft und mit Freisetzung von Entzündungsmediatoren. Die freien Radikale reagieren an der bereits durch den natürlichen Alterungsprozess vorgeschädigten Makula mit den Phospholipiden der Zellmembranen und beeinträchtigen so den Stoffwechsel der Zellen. Chronische Entzündungen beruhen auf äußerst komplexen Netzwerken von biochemischen Interaktionen. Über Interleukine und TNFa werden unter anderem auch Prostaglandine freigesetzt. Durch ein Zusammenspiel der genannten Mediatoren mit immunkompetenten Zellen und über hochregulierte Wachstumsfaktoren wie VEGF (vascular endothelial growth factor) kann es in etwa 20% der Fälle zu einer Neubildung von Gefäßen kommen. Diese Neovaskularisation findet vor allem unterhalb der Choroidea und der Makula statt und führt zu einer Progression der Erkrankung in Form der aggressiv verlaufenden feuchten Makuladegeneration mit raschem Verlust der Sehkraft. Neben gezielten Therapien und ernährungsphysiologischen Kriterien sollte bei Patienten mit AMD auch der ganzheitliche Aspekt der Erkrankungen kritisch analysiert werden. Dabei spielt im Sinne der interdisziplinären Medizin die zahnmedizinische Komponente eine wichtige Rolle. Die Sanierung chronisch-entzündlicher oraler Läsionen ist ein Baustein bei der Reduktion vorhandener Risikofaktoren.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at

Hoher Risikofaktor bei chronisch-entzündlichen oralen Läsionen