Wenn der Patient mal wieder nervt - Auch neurologische Ursachen sind möglich

Sie haben eine Krone eingesetzt und seither kommt der Patient, jeden Tag. Sie haben mit Artikulationspapier geprüft und immer wieder eingeschliffen, es sieht alles perfekt aus. Und mehr und mehr wächst der Verdacht, dass der Patient eher ein supranasales Problem hat. Kann sein – oder es handelt sich um einen „neurologischen Zahn“.

Eine Nervkompression kann am ganzen Körper auftreten. Und obwohl wir wissen, dass im Mund die höchste Rezeptorendichte des ganzen Körpers vorliegt, machen wir uns dort wenig Gedanken über Nervkompression, auch, weil es in der universitären Ausbildung für Zahnärzte oft nicht gelehrt wird. So wie ein Nerv von der Wirbelsäule z.B. durch einen subluxierten Wirbelkörper Druck erfahren kann, wodurch sensible oder funktionelle Störungen verursacht werden können, so gibt es dieses Phänomen unter dem Terminus „neurologischer Zahn“ im oralen Bereich. Jeder Zahn ist durch dento-alveoläre Ligamente in der Alveole aufgehängt. An diesen Ligamenten befinden sich vier verschiedene Nervenrezeptoren, die Reize aller Art in die Trigeminuszentrale leiten. Es handelt sich dabei nach Prof. Nelson Annunciato um:
1. Endköpfe, die für jegliche Kaukrafterhöhung zuständig sind;
2. ringförmige Spiralrezeptoren, die Kraftreduzierungen melden;
3. Spontanauslöser, die die Ruheschwebe kontrollieren und bei Frühkontakten Impulse zum Bruxismus auslösen können;
4. Nozizeptoren als allgemeine Schmerzempfänger.
Wird ein Zahn durch ein plötzliches Trauma (Aufbiss auf einen Kirschkern) oder durch kontinuierlich vorhandene Fehlkontakte (Elongation, Spannung im Brückengerüst, zu hohe Füllung oder zu hohe Krone) in seiner Achsenrichtung immer wieder ausgelenkt, feuern diese oben beschriebenen Rezeptoren je nach ihren Messparametern eine Summation von Dauerreizen zu den Trigeminuskernen. Zusätzlich kommt es an der physiologisch sehr engen Nerveneintrittstelle in dem Zahn, dem Foramen apikale, auch zur Kompression der in der Pulpa enthaltenen Lymph- und Blutgefäße. Dies kann einen Rückstau verursachen, der längerfristig eine Nerventzündung im Zahn provoziert und so zusätzlich den Nerv reizt. Je nach bereits bestehender Belastung dieser Region sind die Auswirkungen eher lokal oder peripher. Lokale Symptome eines neurologischen Zahnes sind Temperaturempfindlichkeit, Aufbissschmerz und in manchen Fällen auch Berührungsempfindlichkeit. Also Patienten, wie sie jeder Zahnarzt in seiner Praxis hat, mit wiederkehrenden Schmerzen an Zähnen, an denen die Ursache nicht in einer kariösen oder parodontalen, aber eben auch nicht in der normalen Okklusionskontrolle mit dem Artikulationspapier zu finden ist.
Solche neurologischen Zähne mit funktioneller Fehlstellung in der Alveole können jedoch auch Auswirkungen über das Nervensystem auf den ganzen Körper haben. Jede Art peripherer Probleme kann von neurologischen Zähnen, die durch Ausweichbewegungen die Kiefergelenkslage verändern, ausgehen. Über den Os temporale und weitergeleitete craniale, sternale und sacrale Torsionen können so auch Talusfehlstellungen entstehen. Als allgemeine Symptome wurden von Tampé Auswirkungen auf das Gleichgewichtsorgan, das Herz, das Diaphragma, den Uterus und auf das Auge beschrieben.

Auffinden eines neurologischen Zahnes

Ist über Röntgenbild und Vitalitätsprobe weitgehend sichergestellt, dass keine anderen Pathologien die Ursache der Probleme des Patienten sind, ist es gut, an den neurologischen Zahn als Option zu denken. Oft gibt bereits die Anamnese den Hinweis. Aus der Geschichte, die der Patient dazu erzählt, oder aus der Füllungs- oder Kronengestaltung lässt sich ableiten, in welche Richtung der Zahn ausgewichen sein könnte.
Kann der Patient den auslösenden Zahn nicht mehr genau angeben, sind bioenergetische Testmethoden wie die Applied Kinesiology/funktionelle Myodiagnostik hilfreich. Über einen Muskeltest kann der problematische Zahn lokalisiert werden, da die Berührung des Zahnes im Bereich des Zahn-Gingiva-Übergangs eine Veränderung in der vorher normalen Muskelreaktion auslöst. Dieser Zahn wird anschließend mit leichtem Druck in verschiedenen Richtungen bewegt, wobei der Druck am Zahn gehalten wird (gehaltener Challenge). In der Vektorrichtung, welche die vorher gefundene Auffälligkeit negiert, kann ähnlich wie bei der schonenden Manipulation eines fehlstehenden Wirbels nun der Zahn in der Einatmungsphase in die entsprechend gefundene Vektorenrichtung mobilisieren werden. In der Ausatmungsphase wird der Druck gelockert. Dieses Vorgehen wird 5–6 mal wiederholt. In all den Jahren der Behandlung von neurologischen Zähnen fanden wir in weniger als 5% die Exspirationsphase als unterstützende Atemphase. Die hier dargestellte Korrektur eines fehlstehenden Zahnes ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn es sich um akute Traumen handelt. Es sollte dann nach Abschluss der Korrektur durch leichten und festen Biss sowie eventuell Kauen einer Mandel überprüft werden, ob der Befund tatsächlich aufgehoben ist.
Bei Zähnen, die über längere Zeit durch Fehlkontakte ausgelenkt wurden, ist immer eine Einschleifkorrektur notwendig. Wichtig ist dabei, dass diese Zähne häufig bei der Prüfung mit Artikulationspapier primär ja keine Fehlkontakte zeigen. Durch Spannungsveränderung der Shar-pey´schen Fasern hat der Zahn bereits seine Achsenrichtung gedreht und steht nicht mehr sichtbar im Fehlkontakt. Die Fehlstellung wird jedoch weiterhin über die Rezeptoren an den Trigeminus gemeldet, was die lokalen und peripheren Dysfunktionen aufrechterhält. Dies bedeutet, dass der Fehlkontakt erst gefunden werden kann, wenn der Zahn nach dem oben beschriebenen Vorgehen wieder in die korrekte Achsenrichtung gestellt wurde. Plötzlich ist dann bei der Prüfung mit 8μ-Arti-kulationspapier wieder der Fehlkontakt sichtbar. Nach dem Einschleifen kann erneut über bio-energetische Testmethoden festgestellt werden, ob eine weitere Korrektur und Einschleifen notwendig sind. Erst wenn weder Okklusion noch Artikulation mehr zu Störungen führen, ist die Behandlung abgeschlossen.
Zusätzlich kann dem Patienten für eine schnelle Beschwerdefreiheit geholfen werden, indem Sie andere Therapiemethoden, die Sie bereits in Ihre tägliche Arbeit integriert haben, mit diesem Vorgehen kombinieren. Die Neuraltherapie kann die Selbstheilungskräfte aktivieren. Sie beeinflusst alle Regelkreise des Organismus, ob nerval, hormonell, muskulär, zirkulatorisch oder lymphatisch.
Über Mundakupunktur wird die Dynamik des Energiesystems, die sogenannten Meridiane, zugunsten der Heilung beeinflusst.
Mit Homöopathika kann die Regeneration des traumatisierten Nervgewebes unterstützt werden. Über Phytotherapie, besonders über den Lymphabfluss und die Entgiftung anregende Komplexpräparate, kann auch diese Begleitsymptomatik des neurologischen Zahnes schneller in den Griff gebracht werden.

Dr. EVA MEIERHÖFER
FA für Oralchirurgie
Klagenfurt
praxis@meierhoefer.at

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