Alternativmedizin: Heilmittel oder Hokuspokus?

Das war der Titel einer Folge der Serie Talk im Hangar 7 – zwei meiner Freunde aus dem Dachverband waren unter den Gästen.  Zeitgleich gab es einen Artikel im „Profil“, wo Edzard Ernst der Komplementärmedizin nur wenig Wirkung zuerkennt, und ein Interview des Chefarztes der Salzburger Gebietskrankenkasse für die Tageszeitung Salzburger Nachrichten, wo er begründet, warum die GKK nichts für Homöopathie bezahlt.

Anlass für die Angriffswelle war eine Stellungnahme der australischen Gesundheitsbehörde, dass Homöopathie unwirksam sei. Für diese Erkenntnis hat sie eine groß angelegte Metastudie  (basierend auf 200 Studien) durchgeführt.
Edzard Ernst war zwei Jahrzehnte lang Professor für Komplementärmedizin in Exeter. Dort entstanden rund 40 klinische Studien, 300 Reviews und über 1000 Fachartikel. Er behauptet, anfangs von der Wirksamkeit komplementärer Methoden überzeugt gewesen zu sein, dass diese aber einer kritischen Überprüfung nicht standgehalten hätten und der Nutzen im Vergleich zu möglichen Nebenwirkungen oft klein gewesen sei.
Für Dr. Eve Marie Wolkenstein (Homöopathie, Akupunktur und TCM) ein Widerspruch in sich in Bezug auf die Homöopathie: Wenn Homöopathie ein reines Placebo sei, könne es ja keine Nebenwirkungen haben …
Prof. Ernst behauptet weiter, dass Komplementärmediziner Studien oft überhaupt ablehnen, sie halten ihre Medizin für zu individualisiert dafür und verfechten ihre Ansichten mit fanatischer Überzeugung, oft ausgelöst durch persönliche Schlüsselerlebnisse.
Allerdings werden im „Profil“ auch zwei nicht uninteressante Details aus Ernsts Lebenslauf erwähnt: Er war eine Zeit im Wiener AKH tätig (physikalische Medizin), wo er einen Fachartikel über die medizinischen Gräueltaten während der naturmedizinfreundlichen Nazidiktatur verfasste. Den nachfolgenden Intrigen entfloh er nach Exeter. Dort beendete er seine Tätigkeit nach Meinungsverschiedenheiten mit Prinz Charles, der ein großer Anhänger der Naturheilkunde ist und über eine Beschwerde beim Rektor eine Streichung der finanziellen Mittel für das Institut erreicht hat.
Er betrachtet speziell Homöopathie als wirkungslos und will aus moralisch-ethischen Gründen Patienten davor schützen, Geld dafür auszugeben oder andere wirksame Therapien zu versäumen.
Dass es Ärztekammerdiplome für Komplementärverfahren gibt, betrachtet er als Dummheit, die Unterwanderung der Universitäten funktioniert seiner Ansicht nach nur, weil letztere wie Autofabriken geführt werden.
Im „Profil“-Artikel urteilt er über folgende Methoden:

Akupunktur:

Seiner Ansicht nach schwer zu überprüfen, ob es mehr als Placebo ist. Er sieht Nebenwirkungen von 10 % und zitiert die Möglichkeit eines Pneumothorax. In anderen Ländern bestehe zudem die Gefahr von Infektionen durch nicht sterilisierte Nadeln.

Kommentar: Es gibt Studien der Uni Graz/Prof. Litscher, wo Akupunktur und das Stechen anderer, nicht als Akupunkturpunkte bekannter Haut-areale verglichen wurden und die Akupunkturpunkte deutliche Veränderungen im EEG zeigten. Die Hauptnebenwirkung, die ich beobachten konnte und vor der uns Prof. Bucek (HNO) stets warnte, war ein vegetativer Kollaps, unangenehm, aber rasch vorübergehend – also bitte nicht im Stehen nadeln! Damals war der Lehrsatz: Ihr könnt überall stechen, nur nicht ins Auge. Natürlich wurde auch erwähnt, dass es speziell in der Schlüsselbeingegend möglich wäre, einen Pneumothorax zu erzeugen, aber nicht mit den üblichen Nadeln und medizinisch ausgebildeten Kollegen.

Chiropraktik:

Nach Prof. Ernst wenig wirksam, aber sehr gefährlich. Er ortet 50% Nebenwirkungen und warnt vor der Gefahr eines Schlaganfalles oder dass der Klient im Rollstuhl landen könnte …
Ich halte manuelle Methoden keinesfalls für unwirksam, habe aber immer empfohlen, sie gut ausgebildeten Physiotherapeuten und Ärzten zu überlassen. Nur einige ganz sichere Griffe, z.B. für die Kiefergelenkstherapie, dürfen wir ohne Weiteres anwenden – und die lehren wir auch „zahnarztsicher“ in unseren Kursen.

Irisdiagnostik:

Sie widerspricht seiner Meinung nach der Anatomie und entspricht nur der Zufallswahrscheinlichkeit.
Ich habe einen Kurs darüber gemacht – man braucht ein spezielles Mikroskop und eine Fotoanlage. Man kann erstaunlich viele Veränderungen erkennen, aber auch gute Irisdiagnostiker, wie der geniale Heilpraktiker Peter Mandel (Deutschland), sichern Diagnosen natürlich schulmedizinisch ab und arbeiten bei der Therapie mit Ärzten zusammen. Für die zahnärztliche Praxis nicht geeignet.

Homöopathie:

Naturwissenschaftlich ist ein Effekt laut Prof. Ernst ausgeschlossen, da keine Substanz nachweisbar ist.
Prof. Frass beruft sich im Talk im Hangar 7 auf das Ähnlichkeitprinzip, das in langer Anamnese erarbeitet werden muss. Dr. Wolkenstein sieht die Wirkung in der Dynamisierung (Potenzierung, Energieanreicherung).
Anhänger der Substanzwirkung sollen unter D6 bleiben, da bei Tiefpotenzen noch etwas vom Stofflichen nachweisbar ist. Klassische Homöopathen arbeiten mit Hochpotenzen, diese wirken stärker auf psychischer Ebene.
Wir Zahnärzte arbeiten mit „Routinehomöopathie“ (Zitat von Prof. Frass), also symptomatisch oder mit Komplexmitteln, in der Hoffnung, dass sich der Körper aussucht, was er braucht (nicht klassisch homöopathisch, aber zeitsparend und wirksam, wieso auch immer). Laut Edmund Brandt (Apotheker, Hangar 7) werden etwa 90–95% der Homöopathika verkauft, weil sie bei irgendwem schon mal geholfen hätten …

Bachblüten:

Die Kräfte sind nach Prof. Ernst nicht nachweisbar. Patienten wie Zahnärzte haben fast stets Rescuetropfen parat.
Meine Erfahrung mit ausgesuchten oder ausgetesteten Bachblüten in seelischen Ausnahmezuständen (für etwa vier Wochen) sind hervorragend, der gleiche Effekt ist mit ein paar Tropfen verdünnten Cognacs nicht erzielbar.

Phytotherapie:

Pflanzen und Gewürze lässt selbst Prof. Ernst gelten, schließlich beruht ja auch die Schulmedizin großteils darauf.
Natürlich sind Kräutertees oder ätherische Öle nicht gefährlich, aber Tinkturen, selbst Salben können schnell die toxikologischen Grenzwerte erreichen. Mit Tiefpotenzhomöopathie lassen sich ähnliche Erfolge erzielen, aber es braucht langfristig hohe Gaben, um Schaden anzurichten.
Grundsätzlich dreht es sich um zwei große Themenkreise:
1. Kann Alternativmedizin schaden, weil dadurch Schulmedizin unterbleibt?
Die Folge wäre, dass man Patienten schützen sollte und die Methoden zumindest regulieren.
Wir in Österreich sehen uns als Komplementärmediziner, der Großteil arbeitet dual und kombiniert Schul- und Komplementärmedizin, wie es sein sollte. Eine Gefahr stellen somit die Energetiker dar, deren vorgeschriebene Grundausbildung gering ist. Da habe ich schon Meldungen gehört wie „Sie nehmen Antibiotika? Sind Sie lebensmüde?“
In der Hand der Ärzte oder unter deren Anleitung sind auch seltsame Methoden zulässig. Auch Klangtherapie oder Lichtstäbe – niemand von uns wird das als einzige Therapie anwenden.
2. Die Frage ist, ob öffentliche Gel-der für komplementäre Methoden aufgewendet werden sollen?
Florian Aigner, Physiker, spricht sich im Hangar 7 strikt dagegen aus. In Deutschland zahlen einige Kassen für Homöopathie, in der Schweiz ebenfalls, allerdings läuft eine Evaluierung mit einer vorgesehenen nochmaligen Abstimmung. Bei uns sammelt die Gesellschaft für Homöopathie Unterschriften – und erregt den Zorn des Chefarztes der Salzburger GKK Dr. Peter Grüner. Seiner Meinung nach ist Homöopathie eine Luxusversorgung, deren Wirkung sich nicht beweisen lässt. Sie funktioniere über Zeitaufwand und Empathie. Wenn man die unspezifischen Symptome ernst nimmt, geht es dem Patienten gleich besser, so wie nach einer Beichte.
Besonders das Wassergedächtnis ist ihm angesichts der vielen Kläranlagen suspekt – aber vielleicht hätte eine D200 von Klärschlamm eine sehr kathartische Wirkung. Homöopathie hält er für eine gute Einnahmequelle für Ärzte, Akupunktur wird jedoch bei Indikationen wie Allergien oder Parkinson bezuschusst.
Der Referent für Komplementärverfahren der Salzburger Ärztekammer, Dr. Sepp Fegerl, weist zu Recht auf die schlechte Honorierung des ärztlichen Gesprächs hin. Unser gemeinsames Problem ist aber, dass man beim therapeutischen Gespräch höchstens die Dauer in Minuten messen kann, aber nicht die Qualität, den persönlichen Einsatz oder gar den Energietransfer, der dabei stattfinden kann. Auch Hahnemann selbst war der Meinung, dass die Arznei ein „Opfer“ als Gegengabe wert sei und dadurch besser wirke…
Auch Aderlass und Quecksilbersalbe waren einmal Schulmedizin – viele Mittel unserer High-Tech-Medizin werden auch in der Versenkung verschwinden. Je strikter Volksmedizin verboten war, umso stärker war der Zustrom. Der beste Schutz für Patienten ist, darauf zu achten, dass die Therapie von einem Arzt geleitet wird.

Dr. Eva-Maria Höller
Zahnärztin und Kieferorthopädin in Wien
Schwerpunkt: Komplementärverfahren
Gerichtlich beeidete Sachverständige
mit Zusatzbezeichnungen
Kieferorthopädie und Komplementärverfahren
ordi.hoeller@aon.at

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