Jeder Patient ist vom (behandelnden) Zahnarzt sowohl über Art und Umfang, Schwere und Dringlichkeit als auch über die Erfolgsaussichten sowie die etwaigen Folgen und Risiken des geplanten zahnärztlichen Eingriffs aufzuklären, sofern dieser nicht dringend medizinisch indiziert ist (Notfall).
Die Aufklärung hat in einer für den Patienten verständlichen Art und Weise im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs stattzufinden. Dem Patienten soll die Tragweite der jeweiligen Behandlung dargelegt und die Möglichkeit eröffnet werden, nach eigener Einschätzung und Abwägung der Folgen und Risiken eine Entscheidung (Einwilligung/Ablehnung) zu treffen. Die zahnärztliche Aufklärung ist daher eine unabdingbare Voraussetzung für die rechtmäßige Einwilligung des Patienten in die Behandlung, und nur ein ausreichend aufgeklärter Patient kann eine solche abgeben. Wie soll nun in der Praxis vorgegangen werden, wenn der aufklärende Arzt feststellt, dass der Patient aufgrund sprachlicher Barrieren einem Aufklärungsgespräch nicht ausreichend folgen kann?
Beiziehung eines Dolmetschers
Zeigt sich vor oder während des Aufklärungsgesprächs, dass die sprachlichen Fähigkeiten des Patienten nicht ausreichend sind, um diesem zu folgen, kann das Aufklärungsgespräch allenfalls in einer von beiden Parteien ausreichend beherrschten Sprache (z.B. Englisch) vorgenommen werden. Gewinnt der Zahnarzt nach dem durchgeführten Aufklärungsgespräch allerdings den Eindruck, dass der Patient nicht sämtliche Aspekte der Aufklärung verstanden hat, so ist von der Durchführung der Behandlung – sofern diese nicht dringend medizinisch indiziert ist – abzuraten. Kommt diese Variante mangels einer von beiden Parteien ausreichend beherrschten Sprache nicht in Betracht, sollte zum Zweck einer ausreichenden Aufklärung ein „Dolmetscher“ beigezogen werden. Dies kann ein Berufsdolmetscher sein, oder aber auch sprachkundige Kollegen, Personal, Angehörige oder andere Vertrauenspersonen des Patienten sowie von Konsulaten oder Botschaften entsandte Übersetzer. Die Beiziehung einer sprachkundigen Person beim Aufklärungsgespräch als Dolmetscher bedarf der Zustimmung des Patienten (Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht). In der Praxis wird dies so aussehen: Der Patient betritt mit dem Übersetzer den Behandlungsraum und gibt zu verstehen, dass diese Person beim Aufklärungsgespräch anwesend sein soll. Die Aushändigung und Unterfertigung eines fremdsprachigen Aufklärungsbogens alleine reicht für eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht aus. Wurde die zahnärztliche Behandlung ohne ausreichende Aufklärung vorgenommen und tritt ein unvermeidliches Risiko bzw. eine Komplikation auf, über welche/-s aufgrund der sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten nicht oder nicht ausreichend aufgeklärt wurde, haftet der behandelnde Zahnarzt für den eingetretenen Schaden, selbst wenn die Behandlung lege artis durchgeführt wurde.
Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung
Der Zahnarzt darf grundsätzlich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung der beigezogenen fachkundigen Vertrauensperson oder des Dolmetschers vertrauen, soweit diese offensichtlich kompetent und aus der Reaktion des Patienten nichts Gegenteiliges abzuleiten ist. Um Haftungsprobleme zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei der Aufklärung fremdsprachiger Patienten den Namen, die Anschrift und die Nahebeziehung des Übersetzers zum Patienten entsprechend in der Krankengeschichte zu dokumentieren.
Dringende Behandlung
In dringend medizinisch indizierten zahnärztlichen Behandlungen, in denen es aufgrund des durch die Aufklärung bzw. der Suche nach einem Übersetzer entstehenden Zeitverlusts zu einer ernsten gesundheitlichen Gefährdung für die Gesundheit oder das Leben des Patienten kommen kann, ist der Zahnarzt trotz einer allenfalls bestehenden sprachlichen Barriere verpflichtet, die erforderliche zahnärztliche Hilfe zu leisten. In Notfällen werden geringere Anforderungen an die Aufklärung gestellt. Grundsätzlich gilt als Anhaltspunkt für das erforderliche Maß an Aufklärung, dass diese umso umfassender sein muss, je weniger dringlich der Eingriff ist. Im Umkehrschluss sind die Anforderungen an die Aufklärung daher umso geringer, je dringender der Eingriff ist. Es empfiehlt sich allerdings, die jeweiligen Gründe, weshalb die Beiziehung einer sprachkundigen Vertrauensperson oder eines Dolmetschers nicht möglich war, im Einzelfall (insbesondere zu Beweiszwecken) entsprechend zu dokumentieren.
Mag. REGINA KRAHOFER Rechtsanwältin bei ULSR (Urbanek Lind Schmied Reisch RAe OG) in 3100 St. Pölten, Domgasse 2 krahofer@ulsr.at 02742/351550-115
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