Xerostomie - häufige Ursache für Erkrankungen der oralen Gewebe:

Ein Mangel an Speichel führt zur Destabilisierung des oralen Ökosystems.

Ausreichende Speichelproduktion und Speichelfluss sind  wichtige Voraussetzungen für die Gesundheit der Hart- und Weichgewebe der Mundhöhle. Ein gesunder erwachsener Mensch produziert in seinen Speicheldrüsen zwischen 1 und 1,5l Speichel pro Tag. Man unterscheidet zwischen den paarigen, großen, über Ausfuhrgänge in die Mundhöhle mündenden Drüsen (Glandula parotis, G. submandibularis und G. sublingualis) und den kleinen, unpaaren, intraoralen, vorwiegend muzinösen Glandulae an den Lippen, der Wangenmukosa, dem Gaumen und am Rachen. Die Glandula parotis mündet auf der Papilla salivaris superior gegenüber dem zweiten und dritten Oberkiefermolaren und produziert rein serösen, dünnflüssigen Speichel, welcher besonders reich an Enzymen, Proteinen und auch Immunglobulinen ist. Die Glandula submandibularis mündet gemeinsam mit der Unterzungenspeicheldrüse auf der Caruncula sublingualis, welche wiederum aus drei verschiedenen Anteilen, nämlich rein serösem, rein mukösem und gemischtem Drüsengewebe aufgebaut ist. Je nach Aktivität und reflektorischer Stimulation werden Speichelmenge und anteilige muzinöse und seröse Zusammensetzung über das sympathisch-parasympathische System reguliert.

Speichel spielt eine wichtige Rolle in der lokalen Immun-abwehr

Nun haben nicht nur die Speichelmenge, sondern auch die Zusammensetzung und die Inhaltsstoffe wesentlichen Einfluss auf die Erhaltung der Integrität der oralen Gewebe. Der Gehalt an Wasser, Mineralstoffen, Puffersubstanzen, bakteriziden und fungiziden Inhaltsstoffen und Immunglobulinen bestimmt die Rolle des Speichels bei der Remineralisation der Zähne und der Abwehr pathogener Mikroorganismen. Der Bikarbonatpuffer hält einen pH-Wert zwischen 5,1 und 7,1 aufrecht. Besonders bei vermehrtem Speichelfluss steigt der Pufferanteil überproportional an, was etwa bei der Aufnahme säurehaltiger Nahrungsmittel ein wichtiger Faktor für die Neutralisation des oralen Milieus ist. Zudem enthält Speichel reichlich gelöstes Kalzium und Phosphat. Dadurch wird ein Gleichgewichtszustand zwischen dem Hydroxyl- und Fluorhydroxylapatit der Zähne und dem umgebenden Substrat hergestellt. Gleichzeitig werden Porositäten von Schmelz, Dentin und Zement über den Einbau der Mineralstoffe ausgeglichen.
Die Xerostomie geht mit einer Reihe pathologischer Veränderungen im oralen Milieu einher. Die Patienten haben Probleme beim Schlucken, die Schleimhaut ist gerötet, oft kommt es zu Halitosis. Nicht selten tritt zusätzlich ein „Burning-Mouth-Syndrom“ mit Veränderungen der Geschmacksempfindung und heftigem Zungenbrennen auf. Die Papillen auf der Zunge sind vergrößert und ödematös.

Abklärung von Ausmaß und Ursache der Xerostomie

Der Nachweis einer pathologischen Mundtrockenheit erfolgt zunächst klinisch. Bei der Untersuchung findet der Zahnarzt am Mundboden keinen Flüssigkeitsspiegel. Auch bei mechanischer Stimulation der Drüsen lässt sich keine Speichelsekretion auslösen. Typischerweise haftet der Untersuchungshandschuh beim Abtasten der trockenen Schleimhaut an der Oberfläche fest. Eine endgültige Diagnose erbringt dann eine Speichelflussmessung, wobei Ruhespeichel und stimulierter Speichel bestimmt werden. Der Ruhespeichel wird nach vorherigem Abschlucken über zwei Minuten gesammelt und sollte beim Gesunden 0,25–1ml/min betragen. Bei Hyposalivation sinkt die Menge auf 0,1–0,25ml/min, beim Vollbild einer Xerostomie auf unter 1ml/min. Für die Gewinnung des stimulierten Speichels kann der Patient zuckerfreien Kaugummi kauen, danach wird der im Mund angesammelte Speichel geschluckt; erst dann beginnt die Messung der nun produzierten Speichelmenge. Normalerweise können zwischen 1–3ml Speichel pro Minute gewonnen werden; bei Hyposalivation nur 0,5 - 1ml, bei Xerostomie unter 0,5ml.

Vermehrte Infektionen durch atypische Keime auf trocke-ner Schleimhaut

Bei ausgeprägter Verminderung oder falscher Zusammensetzung des Speichels kommt es nicht nur zu einer mangelnden Benetzung der Schleimhäute, sondern auch zu massiven Störungen des ökologischen Gleichgewichts in der Mundhöhle. Das Fehlen ausreichender Muzinanteile bedeutet den Verlust des schützenden Überzugs auf der Mukosa. Die Schleimhäute werden vulnerabel. Harte Nahrungsmittel führen zu Läsionen, welche dann ein bevorzugtes Substrat für potenziell pathogene Mikroorganismen bilden. Begünstigt wird die Situation durch die damit einhergehende Verminderung an IgA, Lactoferrin und Lactoperoxidase. was zu einer erheblichen Störung der lokalen Immunabwehr führt. Lactoferrin bindet normalerweise das für viele parodontal-pathogene anaerobe Keime lebenswichtige Eisen. IgA agglutiniert die mikrobiellen Antigene und Lactoperoxidase behindert den Kohlenhydratstoffwechsel und die Glykolyse von Bakterien. Über im Speichel vorhandene glykolysierte Proteine, sogenannte PRPs, wird die Adhärenz vieler pathogener Mikroorganismen gestört. Nicht zuletzt kommt es durch die zu geringe Menge an Flüssigkeit zu einer mangelnden Clearence der Zahn- und Schleimhautoberflächen.  Oral-pathogene Mikroorganismen und atypische, normalerweise nicht zur Mundflora gehörige Keime wie Enterobakterien, koagulasepositive Staphylokokken und verschiedene Hefen und Pilze überwuchern die Residentflora. Diese Keime verfügen über potente Virulenzfaktoren und lösen so massive Entzündungen in der Mundhöhle aus. Es kommt zu Exazerbationen vorbestehender gingivaler und parodontaler Erkrankungen und vermehrtem Auftreten von Karies.
Wegen der vielfältigen möglichen Ursachen einer Xerostomie sind Abklärung und Sicherung der Diagnose für eine erfolgreiche Therapie unerlässlich.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at

 

Zungenveränderung bei Xerostomie