Aus der Praxis - Verbliebene Fremdkörper im Knochen: Ein Problem in der Implantologie?

Titanimplantate werden aufgrund umfangreicher Langzeitstudien und außergewöhnlich hoher Erfolgsquoten als die bevorzugte Wahl für den Ersatz fehlender Zähne angesehen [1, 3]. Unter optimalen Voraussetzungen können Erfolgschancen von bis zu 97,6% erreicht werden [8]. Eine grundlegende Voraussetzung ist die Schaffung eines optimalen Umfelds im umliegenden Hartgewebe. Im Jahr 2021 führten Marzook et al. eine Untersuchung an 180 DVT-Scans durch und stellten fest, dass in 46,67% der Extraktionsalveolen abnormale Radioopazitäten zu finden waren. In 25 Fällen (13,89%) handelte es sich dabei um verbliebene endodontische Füllmaterialien. Diese im Knochen verbliebene Fremdkörper stellen somit eine häufig auftretende Komplikation in der klinischen Praxis dar.

Um eine reibungslose Integration von Implantaten sicherzustellen, ist es von entscheidender Bedeutung, ein implantatfreundliches Umfeld zu schaffen. Es gilt zu bedenken, dass Implantate, die in Bereichen platziert werden, in denen zuvor eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt wurde, ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Periimplantitis aufweisen [2, 8, 11]. Weiters wird angenommen, dass die Entstehung einer retrograden Periimplantitis auf verbliebenes oder benachbartes infektiöses Gewebe zurückzuführen ist [10]. Wenn also verbliebene Bakterien Zugang zur Implantatoberfläche erhalten, besteht die Möglichkeit, dass sie sich dort ansiedeln und in weiterer Folge zu einer apikalen Periimplantitis führen [7–9]. Auch periapikale Läsionen in der Nähe des Implantats, beispielsweise an Nachbarzähnen, können zu einem Misserfolg führen. Eine Periimplantitis kann also aufgrund von chronischen Entzündungen an benachbarten Zähnen oder auch aufgrund früherer fehlerhafter endodontischer Behandlungen begünstigt werden [6]. Dies unterstreicht die kritische Bedeutung der präzisen Einhaltung einer korrekten Arbeitslänge während der endodontischen Behandlung. Insbesondere während der Obturation kann so ein übermäßiges Einpressen von Wurzelfüllmaterialien in den apikalen Bereich vermieden werden. Derartige Überfüllungen können zur Verschlimmerung oder Aufrechterhaltung einer bestehenden chronischen Entzündung führen und so langfristig das Risiko zur Entwicklung einer apikalen Periimplantitis erhöhen [9]. Ein weiterer entscheidender Faktor liegt in der angemessenen Kürettage nach der Zahnentfernung [4]. Zu diesem Zeitpunkt können überpresste Wurzelfüllmaterialien in der Regel minimalinvasiv mit einem scharfen Löffel entfernt werden. Eine spätere Entfernung dieser Fremdkörper geht meist mit einem deutlich höheren Aufwand einher. Sollten Fremdkörper in der Nähe des Implantatlagers verbleiben, besteht zwangsläufig die Gefahr, dass die verbliebenen Restbakterien während der Implantation reaktiviert werden und in weiterer Folge zu einem verzögerten Implantatverlust führen [5]. Um einen langfristigen Erfolg des Implantats sicherzustellen, ist es also entscheidend, jegliche Abweichungen im geplanten Implantatbett bereits vor dem Eingriff mithilfe einer radiologischen Untersuchung zu erkennen und gegebenenfalls zu beseitigen. Anhand dieses Fallbeispiels soll die Entfernung eines solchen Fremdkörpers demonstriert werden.

Fallbeispiel

Ein 59-jähriger Patient stellte sich wenige Tage nach der Entfernung des Zahnes 46 in der chirurgischen Abteilung der Sigmund Freud Universität vor. Hier wünschte er sich die Platzierung eines Einzelzahnimplantats in den Bereichen 36 und 46. Es wurde eine zwei- und im Anschluss dreidimensionale Bildgebung mittels Kleinbild und DVT durchgeführt. Dabei wurde ein verbliebener endodontischer Fremdkörper (vermutlich Sealer) im apikalen Bereich des geplanten Operationsgebiets in Regio 46 identifiziert. Da sich der Fremdkörper im Bereich der zukünftigen Implantatposition befand, entschieden wir uns dafür, die Implantation und die Entfernung des Fremdkörpers zeitgleich während der Aufbereitung des Implantatbetts durchzuführen. Um eine präzise Entfernung des Fremdkörpers zu gewährleisten, haben wir uns auf eine schablonengeführte Implantatbohrung festgelegt. Dazu wurde das vorhandene DVT mit den Daten eines Intraoralscans in der Software Planmeca Romexis® abgeglichen und anschließend die Bohrschablone entworfen. Nachdem das Implantat digital an die gewünschte Endposition platziert worden war, wobei es den Fremdkörper vollständig umschloss, wurde die Schablone mithilfe eines SprintRay Pro 95s im eigenen Haus gedruckt. Klinisch wurde das Implantatbett gemäß dem Bohrprotokoll von Camlog für ein Conelog-Implantat mit 13mm Länge und 3,8mm Durchmesser aufbereitet. Nach Abschluss der letzten Bohrung erfolgte eine erneute radiologische Überprüfung, welche die Entfernung des Fremdkörpers bestätigte. Das Implantat wurde maschinell eingesetzt und der Gewebelappen für eine geschlossene Heilung speicheldicht vernäht. Nach der Einheilungszeit von drei Monaten wurde der Re-Entry durchgeführt und es folgte die Abformung des Implantats. Abschließend wurde eine Einzelzahnkrone aus Zirkoniumdioxid verschraubt, um das Implantat zu vollenden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein optimales Hartgewebe von entscheidender Bedeutung für den langfristigen Erfolg von Implantaten ist. Eine gut vorbereitete und infektionsfreie Umgebung ermöglicht die reibungslose Integration und reduziert das Risiko für Komplikationen erheblich.

Kontakt:
Dr. Benamin Di Bora
Chirurgische Abteilung der SFU Zahnklinik
benjamin.dibora@med.sfu.ac.at


Literatur
1.
Adell R, Lekholm U, Rockler B, Brånemark PI (1981) A 15-year study of osseointegrated implants in the treatment of the edentulous jaw. Int J Oral Surg 10 (6): 387–416
2.
Bell CL, Diehl D, Bell BM, Bell RE (2011) The immediate placement of dental implants into extraction sites with periapical lesions: a retrospective chart review. J Oral Maxillofac Surg 69 (6): 1623–1627. doi:10.1016/j.joms.2011.01.022
3.
Brånemark PI, Hansson BO, Adell R, Breine U, Lindström J, Hallén O, Ohman A (1977) Osseointegrated implants in the treatment of the edentulous jaw. Experience from a 10-year period. Scand J Plast Reconstr Surg Suppl 16: 1–132
4.
Çolak S, Demïrsoy MS (2023) Retrospective analysis of dental implants immediately placed in extraction sockets with periapical pathology: immediate implant placement in infected areas. BMC Oral Health 23 (1): 304. doi:10.1186/s12903-023-02986-0
5.
Di Murro B, Canullo L, Pompa G, Di Murro C, Papi P (2021) Prevalence and treatment of retrograde peri-implantitis: a retrospective cohort study covering a 20-year period. Clin Oral Investig 25 (7): 4553–4561. doi:10.1007/s00784-020-03769-5
6.
Ferreira SB, Figueiredo CM, Almeida ALPF, Assis GF, Dionísio TJ, Santos CF (2009) Clinical, histological, and microbiological findings in peri-implant disease: a pilot study. Implant Dent 18 (4): 334–344. doi:10.1097/ID.0b013e3181a44fd8
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Flanagan D (2016) Implant Placement in Failed Endodontic Sites: A Review. J Oral Implantol 42 (2): 224–230. doi:10.1563/aaid-joi-D-15-00126.
8.
López-Martínez F, Gómez Moreno G, Olivares-Ponce P, Eduardo Jaramillo D, Eduardo Maté Sánchez de Val J, Calvo-Guirado JL (2015) Implants failures related to endodontic treatment. An observational retrospective study. Clin Oral Implants Res 26 (9): 992–995. doi:10.1111/clr.12415
9.
Marzook HAM, Yousef EA, Elgendy AA (2021) Endodontic remnants are found more than other radiopacities in proposed implant sites. Int J Implant Dent 7 (1): 33. doi:10.1186/s40729-021-00307-0
10.
Ramanauskaite A, Juodzbalys G, Tözüm TF (2016) Apical/Retrograde Periimplantitis/Implant Periapical Lesion: Etiology, Risk Factors, and Treatment Options: A Systematic Review. Implant Dent 25 (5): 684–697. doi:10.1097/ID.0000000000000424
11.
Schwartz-Arad D, Chaushu G (1997) Placement of implants into fresh extraction sites: 4 to 7 years retrospective evaluation of 95 immediate implants. J Periodontol 68 (11): 1110–1116. doi:10.1902/jop.1997.68.11.1110

 

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