Kinderzahnheilkunde - MIH, Lebensqualität und Präsidentschaft

Nach längerer Zeit führte ZMT wieder ein Interview mit Frau Prof. Dr. Katrin Bekes, Leiterin des Fachbereichs Kinderzahnheilkunde an der Univ.-Zahnklinik Wien.

Wie sieht Ihr Rückblick auf die letzten Jahre aus?

BEKES: Mittlerweile existiert der Fachbereich Kinderzahnheilkunde an der Medizinischen Universität in Wien seit 8,5 Jahren. Es ist immer noch die einzige universitäre eigenständige Abteilung auf diesem Fachgebiet in Österreich. Wir konnten in den Jahren seit dem Bestehen die organisatorischen und klinischen Strukturen in den drei universitären Bereichen der Krankenversorgung, der Lehre und der Forschung kontinuierlich und kompetent weiterentwickeln. Zudem haben wir mit der Gründung und der Etablierung des österreichweit einzigen Kompetenzzentrums für Patienten und Patientinnen mit Kreidezähnen (Spezialambulanz für Mineralisationsstörungen) eine wichtige Anlaufstelle für niedergelassene Kollegen und Kolleginnen schaffen können. Hinsichtlich der Corona-Pandemie kann man sagen, dass wir sehr gut durchgekommen sind. Wir behandeln derzeit jährlich ca. 4000 Kinder bei uns in der Abteilung. Dies alles war und ist nur deshalb möglich, weil mir ein Team von engagierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zur Seite steht. Gemeinschaftlich haben wir in den letzten Jahren die großen Herausforderungen nicht nur erfolgreich bewältigt, sondern die Basis für eine weitere innovative Gestaltung des Fachbereichs Kinderzahnheilkunde gelegt.

Wie ist der Stand in der MIH-Forschung?

BEKES: Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) – im Volksmund auch Kreidezähne genannt – hat mittlerweile nicht nur innerhalb der Kinderzahnmedizin, sondern der gesamten Zahnheilkunde hohe klinische Relevanz erreicht. Von einer MIH betroffene Molaren können mehr oder minder stark ausgeprägte Schmelzeinbrüche aufweisen, die in Kombination mit eventuell auftretenden Überempfindlichkeiten für betroffene Kinder mit zum Teil starken Beeinträchtigungen verbunden sein können. Der derzeitige Fokus der Forschung liegt nach wie vor auf der Eruierung potenzieller ätiologischer Faktoren sowie auf klinischen Studien, in denen Therapiemöglichkeiten untersucht werden. Auch unser Fachbereich ist stark in die MIH-Forschung involviert, sowohl in der Grundlagen- als auch in der klinischen Forschung. Dabei haben wir Kooperationspartner weltweit.

Wie kann die Hyper-sensibilität bei MIH am besten behandelt werden?

BEKES: In einer kürzlich publizierten, international viel beachteten Studie, die federführend von unserem Fachbereich geleitet wurde, konnten wir erstmalig zeigen, dass mit einem Sealing der betroffenen Zähne eine sofortige Reduktion der Schmerzempfindlichkeit erreicht wird. Zudem wurden die Beobachtungen durch die Selbstwahrnehmung der Patienten – gemessen anhand der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität – bestätigt. Die vor Beginn der Behandlung berichteten Einschränkungen in der Lebensqualität (insbesondere Häufigkeit von Schmerzen und Einschränkung bei der Nahrungsaufnahme) wurden mit der Applikation der Versiegelungen deutlich gemildert.

Was gibt es Neues im Bereich der Forschung zur mund-gesundheitsbezogenen Lebensqualität?

BEKES: Aufgrund meiner überwiegenden Arbeit mit Kindern liegt mein Interesse primär in der Erforschung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bei jüngeren Patienten. Wir haben in jüngster Zeit intensiv im Bereich der MIH hierzu geforscht und tun dies immer noch: Welche Auswirkungen hat die MIH in ihren verschiedenen Schweregraden per se? Gibt es Unterschiede, ob die Molaren oder auch die Inzisiven befallen sind? Welche Möglichkeiten der Besserung der Lebensqualität bieten verschiedene Therapien? Zudem beschäftigen wir uns momentan aber auch mit der prinzipiellen Fragestellung, wie man die Lebensqualität einheitlich über alle Lebensspannen hinweg – vom Kleinkind bis zum Erwachsenen – mit möglichst denselben Instrumenten messen kann. Derzeit nutzen wir hierzu unterschiedliche Fragebögen in den unterschiedlichen Altersklassen. Die Arbeiten dazu sind noch in einem theoretischen Stadium, erste klinische Anwendungen sind geplant.

Was sind Ihre Aufgaben und Pläne als Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin?

BEKES: Die DGKiZ ist mit über 2000 Mitgliedern eine der größeren Fachgruppierungen innerhalb der Zahnmedizin. Vor vier Jahren habe ich die Präsidentschaft übernommen und vertrete die Gesellschaft national und international (europäisch und weltweit). Die Aufgaben sind mannigfaltig. Unter anderem beschäftigt uns momentan die Problematik der absehbaren Versorgungslücke bei Zahnbehandlungen vulnerabler Gruppen in Intubationsnarkose sehr stark. Hierzu haben wir im Rahmen unserer Jahrestagung in Berlin Ende September federführend zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Deutschen Gesellschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung oder besonderem medizinischem Unterstützungsbedarf e.V. sowie dem Bundesverband der Kinderzahnärzte eingeladen. Durch meine weitere Funktion als 1. Vizepräsidentin der ÖGKiZ habe ich zudem die Möglichkeit, den Austausch zwischen beiden Gesellschaften zu fördern und gemeinsam die Stärken zu bündeln.

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

BEKES: Auch in diesem Interview möchte ich nochmals auf die Wichtigkeit der Zahngesundheitsförderung und der Prävention oraler Erkrankungen aufmerksam machen, die nach wie vor im Mittelpunkt der zahnärztlichen Therapie, der Curricula des Zahnmedizinstudiums und der Forschung stehen müssen. Mit dem Fachbereich Kinderzahnheilkunde, meinen Funktionen sowohl in der Österreichischen als auch der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin sowie als Vertreterin der beiden Länder im internationalen Setting hoffe ich, dazu beitragen und Impulse geben zu können.

Herzlichen Dank für das Interview!

Priv.-Doz. Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

 

 

 

 

 

Prof. Dr. Katrin Bekes