Innsbruck - Zahnerhaltung und Parodontologie

Seit einem Jahr ist Prof. Dr. Ines Kapferer-Seebacher Direktorin der Universitätsklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie des Departments für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Universität Innsbruck. Aus diesem Anlass führte ZMT mit ihr das folgende Interview.

Die Univ.-Klinik für Zahnersatz und Zahnerhaltung der Medizinischen Universität in Innsbruck wurde letztes Jahr geteilt?

KAPFERER-SEEBACHER: Ja, der Universitätsrat hat die Teilung empfohlen, da der Großteil der zahnmedizinischen Departments im deutschsprachigen Raum diese oder ähnliche Organisationsstrukturen aufweist. Neben der Univ.-Klinik für Kieferorthopädie (Direktor: Prof. Dr. Adriano Crismani) und der Univ.-Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Direktor: Prof. DDr. Andreas Kolk, MHBA) besteht das Department nun des Weiteren aus der Univ.-Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, die ich seit 1. Oktober 2022 leite und der Univ.-Klinik für zahnärztliche Prothetik, die seit 1. April 2023 von Prof. Dr. Sebastian Schwindling geleitet wird. Ich erlebe die Teilung als sehr positiv, da wir nun den Fokus verstärkt auf unsere Fachgebiete legen können. Die Universitätskliniken müssen auf hohem Niveau und evidenzbasiert lehren und forschen, weshalb es Spezialisten und Spezialistinnen in den diversen Fachbereichen braucht.

Wie sieht Ihr Rückblick auf das letzte Jahr aus?

KAPFERER-SEEBACHER: Die Übergabe verlief sehr gut. Als stellvertretende Direktorin war ich schon seit drei Jahren in die budgetären und personellen Entscheidungen involviert. Die Teilung der Univ.-Kliniken wurde zwar am 1.10.2022 mit der Pensionierung von Prof. DDr. Ingrid Grunert vollzogen, aber dadurch, dass ich die Univ.-Klinik für zahnärztliche Prothetik noch sechs Monate interimistisch leitete, war die Umsetzung schleichend. Schon vor der Teilung haben wir die Spezialisierungen im Bereich der Endodontie und der Kinderzahnheilkunde gestärkt, sowohl bei der budgetären Planung als auch bei Personalfragen, weshalb wir im letzten Jahr gut in die neue Ära starten konnten. Der Bereich der zahnärztlichen Prophylaxe und Parodontologie ist ja in Tirol historisch gewachsen und stark vertreten, hier gab es vorerst weniger zu tun. Ein dominierendes Thema war die Einstellung der zahnärztlichen Nachtdienste am Uniklinikum. Seit 1. Februar ist der zahnärztliche Schmerz- und Akutdienst wochentags nur mehr bis 16:30 geöffnet und nicht mehr wie bisher 24 Stunden sieben Tagen die Woche. Das zog massive strukturelle Änderungen und großen Unmut bei den Mitarbeitern des zahnmedizinischen Departments und der Tiroler Bevölkerung nach sich. Der Mund-, Kiefer-Gesichtschirurgische Notdienst blieb natürlich erhalten, aber Sie können sich vorstellen, dass die Abgrenzung für die hilfesuchenden Patientinnen und Patienten nicht immer klar ist.

Welche Zukunftspläne haben Sie?

KAPFERER-SEEBACHER: In den nächsten Jahren gilt es, die Fachbereiche der Zahnerhaltung mit Endodontie, Kinderzahnheilkunde, Parodontologie, Kariologie und Prophylaxe in Forschung und Klinik weiter auszubauen. Zusätzlich etablieren wir am Uniklinikum die Funktionelle Myodiagnostik im zahnärztlichen Bereich, um Patienten eine Anlaufstelle an der Schnittstelle zwischen Schulmedizin und Komplementärmedizin zu bieten und um eine wissenschaftliche Basis dafür zu schaffen. Im personellen Bereich gilt es, die Attraktivität der Univ.-Klinik als Arbeitgeberin zu erhöhen. Wir müssen die spezialisierten Zahnärzte und -ärztinnen an der Klinik halten und gleichzeitig wechselnden Universitätsassistenten und -assistentinnen die Möglichkeit geben, einige Jahre an der Univ.-Klinik berufliche Erfahrungen zu sammeln. Mit der Ausverhandlung einer attraktiven Lehrprämie haben wir im letzten Jahr einen ersten großen Schritt in die richtige Richtung getan. Wissenschaftlich bleiben wir weiterhin auf den Gebieten der zahnärztlichen Prophylaxe – im Speziellen mechanische Mundhygienehilfsmittel, Fluoride, Airflow – sowie der seltenen Erkrankungen aktiv. Aktuell sind wir an der Erstellung von zwei S3-Leitlinien zur zahnmedizinischen Behandlung seltener Krankheiten beteiligt. Ein neues Forschungsgebiet ist – wie vorher erwähnt –, die klinisch etablierten Konzepte der Ganzheitsmedizin auf eine wissenschaftliche Basis zu heben. Für den Studiengang Zahnmedizin haben wir letzte Woche (Anfang September) von einem externen Advisory Board großes Lob für die hohe Qualität der klinischen Lehre und die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit bekommen. Hier werden wir in den nächsten Jahren verstärkt in die Digitalisierung gehen. Auch steht eine große Erweiterung der vorklinischen Kursräume an. Auf cirka 160 m2 werden neue Phantomsäle und Technikräume mit den notwendigen Nebenräumen entstehen. Darauf freuen wir uns sehr!

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

KAPFERER-SEEBACHER: Derzeit gibt es wieder viele Diskussionen um die Wiedereinführung der sogenannten Österreicher-Quote für das Zahnmedizin-Studium. Mit mehr als 50 freien Kassenstellen in Tirol haben wir tatsächlich ein gravierendes Problem. Als Studiengangsleiterin ist mein primäres Anliegen, begabte, motivierte und interessierte Studierende auszubilden, die Herkunft ist für mich nicht relevant. Aber Ziel der Politik muss es sein, diese jungen Zahnmediziner und Zahnmedizinerinnen durch Attraktivierung der Arbeitsbedingungen in Österreich zu halten, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern.

Herzlichen Dank für das Interview!

Priv.-Doz. Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Prof. Dr. Ines Kapferer-Seebacher