Auch hier gibt es einen Zusammenhang - Parodontitis & chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Parodontitis ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates und man schätzt, dass es weltweit 1.100.000.000 Fälle mit schwerer Parodontitis gibt [1]. Parodontitis gilt gemeinsam mit Karies als häufigste Ursache für Zahnverlust, sie führt zu einer eingeschränkten Kaufunktion, beeinflusst das ästhetische Erscheinungsbild, ist häufig mit Mundgeruch assoziiert und hat somit auch einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität. Darüber hinaus hat Parodontitis aber nicht nur lokale Auswirkungen auf die Mundhöhle, sondern beeinflusst auch zahlreiche systemische Erkrankungen, wie beispielsweise Diabetes mellitus.

In diesem Zusammenhang wurde in den letzten Jahren vermehrt ein möglicher Zusammenhang zwischen Parodontitis und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) diskutiert. Die Prävalenz von CED, zu denen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören, nimmt weltweit zu, und in Europa sind mehr als 1,3 Millionen Menschen betroffen [2]. Bei den meisten Patienten wird die Diagnose im Jugend- und jungen Erwachsenenalter gestellt, und sie haben ein Leben lang mit dieser chronischen, in Schüben verlaufenden und stark belastenden Krankheit zu kämpfen. CED hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten und stellt auch eine beträchtliche finanzielle Belastung für die Gesellschaft dar, sowohl durch die direkten als auch durch indirekte Kosten (z.B. Arbeitsunfähigkeit und krankheitsbedingte Ausfälle). Betrachtet man sowohl Parodontitis als auch CED, zeigen sich ähnliche Risikofaktoren (z.B. Rauchen, Ernährung, psychosozialer Stress), aber auch eine durchaus vergleichbare Krankheitsentstehung. Bei beiden Erkrankungen kommt es zu einer übermäßig starken Entzündungsreaktion in der Darm- bzw. Mundschleimhaut aufgrund einer bakteriellen Belastung bei einer für die Erkrankung empfänglichen Person. Im Rahmen dieser Entzündungsreaktion wird von der Immunabwehr des eigenen Körpers nicht nur die bakterielle Belastung bekämpft, sondern es kommt auch zu einer Zerstörung des körpereigenen Gewebes. Unter anderem aus diesen Gründen wird ein möglicher Zusammenhang von CED mit der Mundgesundheit vermehrt untersucht. Bisherige Studien, die hauptsächlich auf kleinen Fallzahlen beruhten, zeigten, dass Personen mit CED im Vergleich zu jenen ohne CED eine höhere Prävalenz und/oder einen höheren Schweregrad an Parodontitis aufweisen [3]. Kürzlich publizierte Studien in asiatischen Bevölkerungsgruppen und mit größeren Fallzahlen haben auch auf eine mögliche bidirektionale Beziehung hingewiesen, d.h. dass sowohl eine CED eventuell das Risiko, an Parodontitis zu erkranken, erhöht als auch eine Parodontitis, das Risiko an CED zu erkranken [4–6]. In Anbetracht der Tatsache, dass die Häufigkeit beider Erkrankungen weltweit nach wie vor zunimmt, ist es relevant, auch vermehrt europäische Daten zu erheben, die auf größeren Fallzahlen basieren und mögliche Zusammenhänge zwischen diesen zwei Erkrankungen untersuchen.
Derartige Daten wurden nun in Dänemark im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie mit standardisierten und validierten Fragebögen zur Erhebung der allgemeinen Gesundheit, der Mundgesundheit und der CED-bezogenen Gesundheit erhoben. Dieser Fragebogen wurde sowohl von Patienten mit CED als auch von nach relevanten Kriterien gepaarten Kontrollpersonen ohne CED ausgefüllt. Die Analyse basierte auf den Antworten von 1108 CED-Patienten und 3429 Kontrollpersonen. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen:
• CED-Patienten gaben im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikant schlechtere Mundgesundheit und mehr Parodontitis-bedingte Probleme an. In der detaillierten statistischen Auswertung zeigte sich sowohl für Patienten mit Colitis ulcerosa als auch für Patienten mit Morbus Crohn eine im Vergleich zu den Kontrollen zwei- bis dreifach höhere Wahrscheinlichkeit für einen subjektiv nur als mittelmäßig bis schlecht empfundenen Gesundheitszustand von Zähnen und Zahnfleisch. Die Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer schweren Parodontitis war rund zweifach erhöht, und Patienten mit Morbus Crohn wiesen zudem eine um 91% höhere Wahrscheinlichkeit für eine höhere Zahnverlustrate auf [7].
• CED-Patienten mit einer höheren Zahnverlustrate und/oder mit einer schweren Parodontitis zeigten im Vergleich zu CED-Patienten ohne orale Erkrankungen signifikant höhere Werte bei dem „IBD disability index“, der das Ausmaß der Einschränkungen durch die CED-Erkrankung im täglichen Leben abschätzt, sowie eine signifikant höhere CED-Krankheitsaktivität in den letzten 12 Monaten [8].
• CED-Patienten berichteten im Vergleich zu den Kontrollpersonen signifikant häufiger über Probleme bei Aktivitäten des täglichen Lebens, die auf den Zustand der Zähne oder des Mundes zurückzuführen waren, und dieser Einfluss schien bei Patienten mit Morbus Crohn größer zu sein als bei Patienten mit Colitis ulcerosa. Darüber hinaus reduzierten eine höhere Zahnverlustrate und das Vorhandensein von oralen Läsionen signifikant die krankheitsspezifische Lebensqualität von CED-Patienten (noch unveröffentlichte Daten).
• CED-Patienten suchen signifikant häufiger ihren Zahnarzt auf, benötigen mehr zahnärztliche Behandlungen und geben dementsprechend auch mehr Geld für zahnärztliche Behandlungen aus. CED-Patienten werden von ihrem Arzt nur selten (d.h. in nur etwa 12,5% der Fälle) über CED-assoziierte orale Läsionen informiert, obwohl etwa 30% der Patienten angaben, solche Probleme gehabt zu haben, und nur etwa 10% erhalten eine Behandlung für die CED-assoziierten oralen Läsionen (noch unveröffentlichte Daten).
Zusammengefasst stellte diese Fragebogenstudie die erste großangelegte Fall-Kontroll-Studie mit rund 4500 Teilnehmern in einer europäischen Bevölkerung dar. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass CED-Patienten häufiger an oralen Erkrankungen, wie Parodontitis, leiden und sogar eine höhere Zahnverlustrate aufweisen. Zusätzlich scheinen die oralen Probleme auch einen negativen Einfluss auf die CED-Krankheitsaktivität und -intensität zu haben. Es wird daher dringend empfohlen, CED-Patienten aus zahnärztlicher Sicht engmaschig zu überwachen, um die Entstehung von Parodontitis zu verhindern und/oder ihr Fortschreiten zu hemmen und damit auf lange Sicht Zahnverlust zu vermeiden. Diese interessanten Zusammenhänge werden zurzeit in einer Zusammenarbeit zwischen der Sigmund Freud PrivatUniversität und der Universität Malmö sowohl in einer österreichischen Kohorte als auch in einer prospektiven Studie [9] weiter untersucht.

Literatur:

1. Chen MX, Zhong YJ, Dong QQ, Wong HM, Wen YF (2021) Global, regional, and national burden of severe periodontitis, 1990-2019: An analysis of the Global Burden of Disease Study 2019. J Clin Periodontol 48:1165-1188 10.1111/jcpe.13506
2. Zhao M, Gönczi L, Lakatos PL, Burisch J (2021) The Burden of Inflammatory Bowel Disease in Europe in 2020. J Crohns Colitis 15:1573-1587 10.1093/ecco-jcc/jjab029
3. Papageorgiou SN, Hagner M, Nogueira AV, Franke A, Jäger A, Deschner J (2017) Inflammatory bowel disease and oral health: systematic review and a meta-analysis. J Clin Periodontol 44: 382–393 10.1111/jcpe.12698
4. Chi YC, Chen JL, Wang LH, Chang K, Wu CL, Lin SY, Keller JJ, Bai CH (2018) Increased risk of periodontitis among patients with Crohn’s disease: a population-based matched-cohort study. Int J Colorectal Dis 33: 1437–1444 10.1007/s00384-018-3117-4
5. Kang EA, Chun J, Kim JH, Han K, Soh H, Park S, Hong SW, Moon JM, Lee J, Lee HJ, Park JB, Im JP, Kim JS (2020) Periodontitis combined with smoking increases risk of the ulcerative colitis: A national cohort study. World J Gastroenterol 26: 5661–5672 10.3748/wjg.v26.i37.5661
6. Lin CY, Tseng KS, Liu JM, Chuang HC, Lien CH, Chen YC, Lai CY, Yu CP, Hsu RJ (2018) Increased Risk of Ulcerative Colitis in Patients with Periodontal Disease: A Nationwide Population-Based Cohort Study. Int J Environ Res Public Health 15:E2602 10.3390/ijerph15112602
7. Bertl K, Burisch J, Pandis N, Bruckmann C, Klinge B, Stavropoulos A (2022) Periodontitis prevalence in patients with ulcerative colitis and Crohn’s disease - PPCC: A case-control study. J Clin Periodontol 10.1111/jcpe.13615
8. Madsen GR, Bertl K, Pandis N, Stavropoulos A, Burisch J (2023) The Impact of Periodontitis on Inflammatory Bowel Disease Activity. Inflamm Bowel Dis 29: 396–404 10.1093/ibd/izac090
9. Attauabi M, Madsen GR, Bendtsen F, Wewer AV, Wilkens R, Ilvemark J, Vladimirova N, Jensen AB, Jensen FK, Hansen SB, Siebner HR, Nielsen YJW, Møller JM, Thomsen HS, Thomsen SF, Ingels HAS, Theede K, Boysen T, Bjerrum JT, Jakobsen C, Dorn-Rasmussen M, Jansson S, Yao Y, Burian EA, Møller FT, Fana V, Wiell C, Terslev L, Østergaard M, Bertl K, Stavropoulos A, Seidelin JB, Burisch J (2022) Influence of Genetics, Immunity and the Microbiome on the Prognosis of Inflammatory Bowel Disease (IBD Prognosis Study): the protocol for a Copenhagen IBD Inception Cohort Study. BMJ Open 12:e055779 10.1136/bmjopen-2021-055779

Kristina Bertl, Abteilung für Parodontologie,
Sigmund Freud PrivatUniversität