Fallbericht: Revision einer Wurzelkanalfüllung an einem 2. Oberkiefermolar bei symptomatischer chronischer apikaler Parodontitis

Endodontische Behandlungen, insbesondere Revisionen bereits wurzelgefüllter Zähne, stellen im täglichen Klinikbetrieb bisweilen auch für erfahrene Endodontologen eine Herausforderung dar. Die moderne Endodontologie beschäftigt sich mit der Gesundheit von Pulpa und periapikalem Gewebe sowie deren Prävention und bei Bedarf deren (Schmerz-) Therapie. [1] Bei bereits erfolgter Erkrankung der Pulpa mit nachfolgender apikaler Parodontitis setzt die Erreichung dieser Ziele eine adäquate chemo-mechanische Aufbereitung, Desinfektion und Obturation des gesamten Wurzelkanalsystems mit entsprechender postendodontischer Versorgung voraus. Während in epidemiologischen Studien die Häufigkeit eines apikalen entzündlichen Geschehens nach Wurzelkanalbehandlung mit 25% bis 50% angegeben ist [2], beträgt der Prozentsatz eines Misserfolgs nach Therapie durch spezialisierte Behandler in etwa 15% [3]. Der nachfolgende Fallbericht bietet Einblicke in die moderne mikroskopgestützte Endodontie, die es ermöglicht, auch komplexe Fälle voraussagbar behandeln zu können.

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Eine 29-jährige Patientin wurde mit dumpfen Beschwerden an Zahn 17, die seit mehreren Wochen bestanden, vorstellig. Allgemeinmedizinisch ergab die Anamnese keine pathologischen Befunde. Die Wurzelkanalbehandlung erfolgte alio loco vor ca. 7 Jahren. Die klinische Untersuchung lieferte folgende Befunde: Der Zahn reagierte negativ auf die Sensibilitätsprobe mittels Kältespray sowie positiv auf Perkussion und Palpation. Des Weiteren waren sowohl Mobilität als auch Sondierungstiefen physiologisch. Der Zahn war mit einer adhäsiven Füllung, die randspaltig war, versorgt. Anschließend erfolgte eine radiologische Diagnoseaufnahme des Zahnes (siehe Abb. 1).
Mithilfe der erhobenen Befunde konnte die Diagnose „symptomatische  apikale Parodontitis“ gestellt werden. Die Analyse des Falles hinsichtlich seines Schwierigkeitsgrades mithilfe des objektivierbaren Formulars der AAE (American Association of Endodontists) ergab einen hohen Schwierigkeitsgrad mit der Empfehlung der Behandlung durch einen spezialisierten Endodontologen [4]. Nach ausführlicher Aufklärung über mögliche Therapieoptionen sowie die damit verbundenen Abläufe, Risiken und Kosten entschied sich die Patientin für den Zahnerhalt im Sinne einer orthograden Revision. Die gesamte Behandlung erfolgte mikroskopgestützt unter absoluter Trockenlegung mittels Kofferdam. In einem ersten Schritt wurde die gesamte Füllung und Karies entfernt. Die anschließende intrakoronale und intrakanaläre Diagnostik ergab noch verbliebene unter sich gehende Areale mit Kronenpulparesten und nicht wandständiges und kontaminiertes Wurzelfüllungsmaterial im palatinalen, distobukkalen und mesiobukkalen Kanal. Es folgte eine Aufbaufüllung im Sinne einer zirkulären adhäsiven Restauration. Nach Reinigung der Pulpakammer und Schaffung gerader Zugänge zu den jeweiligen Wurzelkanälen konnte ein 4. Kanal (2. mesiobukkaler Kanal) zwischen dem 1. mesiobukkalen und palatinalen Kanal identifiziert und dargestellt werden. Unter kontinuierlicher Spülung mit Natriumhypochlorit konnte schließlich die gesamte alte Wurzelfüllung unter Zuhilfenahme von rotierenden, reziprokierenden sowie Ultraschall-Instrumenten entfernt werden. Nach Sondierung und endometrischer Bestimmung der Arbeitslänge mit Stahlfeilen wurden die Kanäle entsprechend ihrer jeweiligen anatomischen Konfiguration mit Nickel-Titan-Instrumenten instrumentiert und mechanisch aufbereitet. Danach folgten eine medikamentöse Einlage mit Kalziumhydroxid und ein provisorischer okklusaler Verschluss mit Glasion-omerzement. Beim nächsten Termin war die Patientin beschwerdefrei. Nach Kontrolle der ermittelten Arbeitslängen und einer abschließenden aktivierten Spülung wurde eine Kontrastaufnahme mithilfe eingepasster Guttapercha-Points erstellt (siehe Abb. 2). Im Anschluss wurden die Wurzelkanäle in warm-vertikaler Kompaktionstechnik mit Guttapercha und einem Sealer auf Epoxidharz-Basis gefüllt sowie ein Füllröntgen angefertigt (siehe Abb. 3). In einem letzten Schritt wurde nach Reinigung und Konditionierung des Dentins der Zahn adhäsiv mit einem Glasfaserstift versorgt. Zum Schluss der Behandlung wurde ein Kontrollröntgen erstellt (siehe Abb. 4).
Nachdem alle therapeutischen Ziele umgesetzt werden konnten und der Zahn beim 2-Jahres-Recall klinisch beschwerdefrei sowie radiologisch unauffällig war (siehe Abb. 5), ist in diesem Fall von einer sehr guten Prognose auszugehen – vorausgesetzt, der Zahn wird wie empfohlen mit einer höckerumfassenden Restauration versorgt.

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Literatur:


  1. Quality guidelines for endodontic treatment: consensus report of the European Society of Endodontology. Int Endod J. 2006 Dec; 39 (12): 921–30. doi: 10.1111/j.1365-2591.2006.01180.x.

  2. Jaclyn G Pak, Sara Fayazi, Shane N White. Prevalence of periapical radiolucency and root canal treatment: a systematic review of cross-sectional studies. J Endod. 2012 Sep; 38 (9): 1170–6. doi: 10.1016/j.joen.2012.05.023.

  3. Y-L Ng, V Mann, S Rahbaran, J Lewsey, K Gulabivala. Outcome of primary root canal treatment: systematic review of the literature – Part 2. Influence of clinical factors. Int Endod J. 2008 Jan; 41 (1): 6–31. doi: 10.1111/j.1365-2591.2007.01323.x. Epub 2007 Oct 10.

  4. https://www.aae.org/specialty/wp-content/uploads/sites/2/2022/01/CaseDifficultyAssessmentFormFINAL2022.pdf

    Kontakt:
    Dr. med. dent. Dr. scient. med. Rinet Dauti
    Abteilung für konservierende Zahnheilkunde
    Sigmund Freud PrivatUniversität Wien
    Freudplatz 3, 1020 Wien
    rinet.dauti@med.sfu.ac.at