Parodontitis und Implantate - Der digitale Workflow im parodontal kompromittiertem Gebiss

Parodontitis lässt sich einfach diagnostizieren und auch mit relativ wenig Aufwand nach der aktuellen S3-Leitlinie behandeln. Sie hinterlässt jedoch – wenn zu spät erkannt oder behandelt – unwiederbringlichen Schaden ästhetischer und funktioneller Natur. Fehlende Papillen, lang erscheinende Zähne bis hin zu Lücken sind bei so gut wie jedem Parodontitispatienten im Stadium III–IV zu finden. Der Wunsch nach einer festsitzenden Versorgung ist in jener Patientengruppe allgegenwärtig, doch gestaltet sich eine Implantatversorgung oft sehr schwierig. Eine vorhersagbare Planung und Implantation über den „fully digital workflow“ kann gerade im parodontal reduzierten Gebiss helfen, eine befriedigende Lösung für die Patienten zu erreichen.

Bevor man überhaupt an eine Implantattherapie bei Parodontitispatienten denkt, muss Parodontitis vorab behandelt und stabilisiert sein. Dies sollte nicht mittels Ausextrahieren der Kiefer erfolgen, sondern den S3-Leitlinien folgend, durch eine Parodontitisbehandlung zum Erhalt der restlichen Zähne in 3-4 Schritten. Der erste Schritt liegt in der Schulung und Motivation der Patienten in häuslicher perfekter Plaquekontrolle sowie der Reduzierung von Risikofaktoren wie Rauchen und schlechte Diabeteseinstellung. Nach subgingivalem Debridement (Schritt 2) und Reevaluation ist im besten Fall ohne weitere Maßnahmen (Parodontalchirurgie/Schritt 3) ein stabiler gesunder parodontaler Zustand erreicht. Dies bedeutet: die Abwesenheit von Sondierungstiefen >= 5 mm mit Blutung auf Sondierung sowie keine Sondierungstiefen von >= 6 mm. Im Schritt 4 sorgt die UPT für einen Erhalt des stabilen Zustands und trägt dazu bei, dass mit deutlich weniger Komplikationen bei späteren Implantaten gerechnet werden kann.
Im stabilen Parodontitispatienten können nun Implantate gesetzt werden, deren Erfolg nicht nur auf der Überlebensrate beruht, sondern auf dem Ergebnis des Implantat-prothetischen Komplexes, der Stabilität der Implantatprothetik sowie der gesunden mukosalen Verhältnisse.
Um diese Ziele zu erreichen, bringt der digitale Workflow einige Vorteile:
• keine bösen Überraschungen während der Implantation aufgrund vorheriger genauer Implantatplanung bei reduziertem Knochenniveau
• bewegliche Zähne, die sich nicht für eine konventionelle Abformung eignen, können problemlos gescannt werden
• eine korrekte dreidimensionale Positionierung der Implantate ermöglicht eine optimale Gestaltung des endgültigen Zahnersatzes
• der digitale Workflow erleichtert die Herstellung von verschraubten Suprakonstruktionen durch die
exakte Positionierung
• das Potenzial für biologische und mechanische Komplikationen wird reduziert
• die Anwendung des Intraoralscanners ist zudem schneller als die konventionelle Abformung und wird von den Patienten als angenehmer empfunden
• ähnliche prothetische Ergebnisse im Vergleich zur konventionellen Vorgangsweise wurden berichtet.

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Eine rezente systematische Übersichtsarbeit befasste sich mit der Fragestellung, ob der „fully digital workflow“ die Genauigkeit der computer-assistierten Implantatchirurgie im Lückengebiss verbessert und kam zu der Schlussfolgerung, dass ein „fully digital workflow“ dem „partially digital workflow“ überlegen ist. Dies betraf sowohl die Abweichungen am Implantat coronal, apikal, angulär als auch in der Tiefensetzung. Hinsichtlich klinischer Effizienz und Patientenpräferenz zeigt sich in einer Metaanalyse auch, dass abgesehen von der Anpassungszeit der Restauration, der digitale Workflow besser abschnitt (siehe Tabelle).
Ob nun der statische oder dynamische Zugang (Echtzeit-3D-Führung) besser abschneidet, werden erst künftige Studien zeigen. Bisher konnten in wenigen Untersuchungen für beide Varianten ähnliche Erfolge/Misserfolge berichtet werden. Hierbei können Fehler vor allem bei der Kalibrierung sowie bei der Umwandlung von Daten aus dem klinischen Bereich in die digitale Plattform (vom Patienten zur Software) und umgekehrt, die Rückübertragung von der digitalen Planung auf die physische Umgebung des Mundes des Patienten (Software zum Patienten) auftreten.
Wenn Bohrschablonen verwendet werden, können diese auch zu Abweichungen von der digitalen Planung während der Implantation führen. Dies kann z.B. durch Bewegungen der Bohrschablone während des Eingriffs geschehen oder durch eine dicke Schleimhautsituation, die sich auch allein durch die Gabe der Lokalanästhesie verändern kann.
Nach derzeitiger Evidenz lässt sich über den digitalen Workflow folgendes zusammenfassen:
• bei Einzelimplantaten haben monolithische Versorgungen hohe Erfolgs- und Überlebensraten
• es gibt derzeit noch Abweichungen und Fehler bei der Verwendung computergesteuerter Implantatsysteme
• die klinischen Anforderungen an den Chirurgen sind bei der geführten Implantation nicht geringer einzustufen
• die Genauigkeit beim Zusammenführen von Datensätzen ist kritisch.
Wenn mögliche Prozessfehler berücksichtigt werden, kann durch den digitalen Workflow ein präzises, stabiles und dauerhaftes Ergebnis erzielt werden.

Univ.-Prof. Dr. Hady Haririan, PhD, MSc

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Hady Haririan,
PhD, MSc
Leiter Parodontologie, Zahnklinik
Sigmund Freud PrivatUniversität
(SFU), Fakultät für Medizin,
Freudplatz 3/2, 1020 Wien
hady.haririan@med.sfu.ac.at

Literatur:

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