Die Entzündung wegessen - Ernährungslenkung bei Parodontitis

Parodontitis ist durch ihre Multifaktorialität eine komplexe Erkrankung, deren Behandlung einen vielfältigen Ansatz erfordert. Neben Beherrschung der Risikofaktoren wie Rauchen oder ein schlecht eingestellter Diabetes, der Optimierung der Biofilmkontrolle und einem sorgfältigen Debridement aller erhöhten Sondierungstiefen spielen weitere Faktoren eine Rolle, um parodontal stabile Verhältnisse zu erreichen.

Der entzündungsfördernde Einfluss mancher Lebensmittel auf unseren Körper konnte schon in einigen Studien bewiesen werden und sollte auch in der modernen Parodontitistherapie Berücksichtigung finden. Parodontitisdiagnostik ist relativ schnell und einfach, die Behandlung jedoch nicht immer vorhersagbar erfolgreich, bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Dabei wird oft deutlich, dass Parodontitis eine systemische Komponente beherbergt. Einige Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2, Dyslipoproteinämie, Hypertonie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden in ihrer Entstehung und Progression durch Ernährung beeinflusst. So führt die westliche Ernährung, bestehend aus viel Zucker, raffiniertem Getreide, rotem und verarbeitetem Fleisch und frittierten Lebensmittel zu vermehrter Entzündung. Eine ausgewogene Ernährung, reich an Früchten, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Olivenöl und Fisch, wirkt hingegen entzündungshemmend. Spezielles Augenmerk wird auf die Zufuhr unterschiedlicher Fettsäuren gelegt. Gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren wirken entzündungsfördernd, Omega-3-Fettsäuren, aber auch Ballaststoffe und Vitamine weisen eine entzündungshemmende Wirkung auf unseren Körper auf. Rotes Fleisch erhöht die Entzündung durch die in ihm enthaltene Arachidonsäure, einer ungesättigten Omega-6-Fettsäure. Wölber et al. haben in einer wegweisenden Studie 2019 gezeigt, dass die Ernährung einen wesentlichen Einfluss auf die Gingivitis hat. In jener Untersuchung wurde eine Testgruppe mit westlicher Ernährung (45% prozessierte Kohlenhydrate) einer Kontrollgruppe mit antientzündlicher Ernährung gegenübergestellt. Es wurde gezeigt, dass sich die beiden Gruppen nicht hinsichtlich der Plaquewerte unterschieden, die Kontrollgruppe jedoch signifikant weniger Blutung aufwies. Dies könnte für die Entzündung so interpretiert werden, dass nicht die Plaque der entscheidende Faktor ist, sondern der Wirt bzw. wie der Wirt auf einen Biofilm reagiert, der parodontalfreundlich gefüttert wird. Dies gibt auch wiederum Hoffnung, wenn man als Behandler versucht hat, die häusliche mechanische Plaquekontrolle seitens der Patienten zu optimieren und dies nicht entsprechend umgesetzt wird. Über gezielte Ernährungslenkung könnte so die unzureichende Plaquekontrolle übertrumpft und trotz verbleibender Plaque eine Reduktion der Entzündung erreicht werden. In Bezug auf den parodontalen Gesundheitszustand sollte insbesondere auf den Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch verzichtet werden, da dies mit Parodontitis assoziiert sein kann. Eine Studie von Staufenbiel et al. hat bereits gezeigt, dass Vegetarier hinsichtlich der Entzündungszeichen, der Parodontalschäden und der häuslichen Zahnpflege einen besseren parodontalen Gesundheitszustand aufweisen konnten. Könnte die Ernährungsweise nun auch einen Einfluss auf die Parodontitisprävalenz haben? Dieser Frage wird derzeit an der Abteilung für Parodontologie an der Zahnklinik der SFU Wien nachgegangen, wo der parodontale Zustand von Probanden mit veganer, vegetarischer und omnivorer Ernährungsgewohnheit erhoben wird. Nähere Infos dazu bzw. zu einer möglichen Teilnahme sind unter: https://ernaehrungsstudie.at/ zu finden. Neueste Erkenntnisse zu dieser Thematik werden auch bei der kommenden Jahrestagung der ÖGP von 22.–24. 6. 23 in Kitzbühel präsentiert werden, Kochworkshop inklusive (www.paroknowledge.at).

Univ.-Prof. Dr. Hady Haririan, PhD, MSc

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