Innsbruck - Viel Arbeit auf der MKG-Chirurgie

Seit 2004 ist Prof. DDr. Michael Rasse Leiter der Innsbrucker Klinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie. ZMT sprach mit ihm über fachliche und gesundheitspolitische Themen.

Könnten Sie bitte die Innsbrucker Klinik für MKG-Chirurgie kurz vorstellen?

RASSE: Die Klinik, die auch für orale Chirurgie zuständig ist, beschäftigt 22 Ärzte und Ärztinnen, alle doppelt approbiert, also mit abgeschlossenem Medizin- und Zahnmedizinstudium. Das ist zweifellos selten. Wir haben keine Nachwuchs-probleme und werden in den nächsten Jahren auch keine haben. Es gab bei uns noch nie eine unbesetzte Stelle. Anscheinend hat sich herumgesprochen, dass junge Ärzte hier gut ausgebildet werden – wir können die gesamte Breite des Fachs abdecken. Unsere Ärzte und Ärztinnen sind Idealisten, denn wie wäre es sonst zu erklären, dass man bei in Relation zur Ausbildungszeit geringer Bezahlung mit Begeisterung tätig ist?
Wir operieren pro Jahr 1.000 Verletzte, wobei Gelenkstraumatologie (übrigens mein Habilitationsthema) ein Schwerpunkt ist. In der Traumatologie gibt es eine intensive Zusammenarbeit mit der Neurochirurgie, in jeder Woche, wir sind auch OP-Nachbarn. Auch im Bereich der Fehlbildungschirurgie (Spalten, kraniofaziale Missbildungen, Kraniosynostosen, Hypertelorismus, Fehlbildungen der Branchialbögen) kooperieren wir mit anderen Kliniken.  Durch Standardisierung in Chirurgie und Anästhesie haben sich die OP-Zeiten und auch der Aufenthalt auf der Intensivstation verkürzt. Heute verbleiben die Patienten in der Regel nur einen Tag auf der Intensivstation, auch wenn die Operation einen Tag gedauert hat. Früher waren es bis zu zehn Tage.
Dies alles ist nur dank einer sehr guten Anästhesie möglich. Es gibt für unseren Bereich ein eigenes Team, hier möchte ich speziell Prof. Strohmenger und Doz. Luckner nennen. Auch die Kinderintensivstation arbeitet auf höchstem Niveau. Die Pflege ist gut eingearbeitet. Man muss bedenken, dass es hier oft um Patienten geht, bei denen gleichzeitig auch andere Fehlbildungen – auch Herzfehlbildungen – vorhanden sind.
Diese exzellente Zusammenarbeit mit der Anästhesie stellt für mich sicherlich einen Höhepunkt meiner Laufbahn dar. Patienten mit Fehlbildungen werden uns aus ganz Österreich und auch aus dem Ausland zugewiesen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Tumorchirurgie inklusive Rekonstruktion. Hier hat die Computerplanung (bei Resektion und Rekonstruktion) einen wesentlichen Fortschritt und mehr Sicherheit gebracht. Die Präzision der Rekonstruktion ist erstaunlich, es stimmt alles auf den Millimeter genau. Die Kosten sind beträchtlich, werden aber vom Krankenhausträger übernommen.
Wir operieren auch ein ausgedehntes Spektrum an Dysgnathien (oft kombiniert mit Fehlbildungen), pro Jahr rund 150 bis 250 Fälle.  Die Operationen betreffen das komplette Gesichtsskelett bis zur Schädelbasis, auch die Positionen der Augen und den Gehirnschädel.

Wie sieht es mit der Überschneidung mit anderen Fächern aus?

RASSE: Es gibt Überschneidungen mit zahlreichen Fächern, vor allem HNO, plastische und Wiederherstellungschirurgie, abhängig von den Interessen der Vorstände und den Aktivitäten der Ärzte. Wir haben ein Gentleman‘s Agreement mit den Nachbarfächern, wir sagen ihnen nicht, was sie machen bzw. nicht machen sollen und vice versa. Der gesetzliche Rahmen wird allerdings vollständig ausgeschöpft.

Wie erleben Sie an Ihrer Klinik die Belastung der Ambulanzen und das Arbeitszeitgesetz?

RASSE: Es gibt in Tirol an sich genügend niedergelassene MKG-Chirurgen, allerdings haben sie keine Kassenverträge. Die Ambulanzbelastung ist hoch. Ich denke, ein Ambulanzbesuch sollte nur mit Zuweisung durch einen Facharzt möglich sein,  ich sehe keine andere Lösung.
Bei uns haben sich fast alle Ärzte für das Opt-out entschieden. Wenn das 2021 nicht mehr möglich ist, wird es zu Leistungsreduktionen kommen. Die Politik hat sich der Illusion hingegeben, dass bei einer Kürzung der Arbeitszeit um ein Viertel sich an der Leistungserbringung nichts ändern wird. Eine solche Kürzung kann aber ohne zusätzliche Ärzte nicht kompensiert werden. Ich sehe daher den politischen Willen, die Leistung hinunterzufahren. Hinzu kommt, dass bei Universitätsangestellten ein Drittel der Arbeitszeit für Forschung und Lehre vorgesehen ist. 

Abschließend darf ich Sie noch um einen kurzen Rückblick auf den Jahreskongress der Österreichischen
Gesellschaft für MKG-Chirurgie bitten!

RASSE: Der Kongress hat den Fortschritt durch Computerplanung abgebildet. Vieles wird digital geplant und dann direkt praktisch umgesetzt. In der rekonstruktiven Chirurgie, der Fehlbildungs- und orthognathen Chirurgie wird dies für die Knochenchirurgie genutzt werden. In zehn Jahren wird es niemand mehr auf andere Weise machen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com


Prof. DDr. Michael Rasse