Da staunt die Assistentin - PMS und der Zusammenhang mit toten Zähnen

Am 1. April habe ich eine neue Praxis eröffnet. Das neue Team stammt aus klassischen Zahnarztpraxen, das merkte ich bereits am ersten Tag, weil meine neue Empfangsdame mit einem Blick mein Büro betrat, der mir klar macht – ihre nächsten Sätze werden spannend.

„Da steht eine Patientin bei mir vorne, die wegen PMS (prämenstruelles Syndrom) und zunehmenden Allergien kommt. Ihr Hausarzt schickt sie. Was soll ich denn mit ihr machen? Was will sie beim Zahnarzt?“
Ich kann mir vorstellen, was der Hausarzt der Patientin vermutete, wenn er sie zu mir geschickt hat, und lud meine Empfangsdame ein, der Behandlung beizuwohnen und zu erleben, dass im Körper alles mit allem verbunden ist.
Noch bevor ich der Patientin in den Mund schaute, palpierte ich an ihrem Hals die Adler-Langer-Reflexpunkte am Hals. Diese Druckpunkte liegen suboccipital im Bereich des N. occipitalis minor und paravertebral im Bereich der Querfortsätze von C1–C7 und wurden von Dr. Ernesto Adler, der als Zahnarzt in Spanien arbeitete, und Dr. Hans Langer, HNO-Arzt aus Deutschland, beschrieben.
Je nach Höhe der Druckpunkte stehen sie mit bestimmten Körperbereichen und -zusammenhängen in Verbindung. Sind einzelne Druckpunkte beim Patienten schmerzhaft oder im Vergleich mit den anderen verquollen, liegt ein Hinweis darauf vor, wo nach einem Störfeld gerade im Kopfbereich zu suchen ist.

• Druckpunkte suboccipital über C0 geben uns Hinweise auf Störfelder in der Stirnhöhle und dem oberenen Nasenraum.
• Druckpunkte in Höhe C1 stehen für Belastungen der Kieferhöhle und des unteren Nasenraums.
• Schmerzhafte Verquellungen über dem Querfortsatz bei C2 weisen auf Zahnstörfelder auf dieser Körperseite im Oberkiefer, bei C3 im Unterkiefer hin.
• Sind die Bereiche C4–C7 schmerzhaft, liegen alte chronische, speziell bei C7 auch häufig akute tonsilläre
Prozesse oder Ohrinfektionen vor.

Spätere Untersuchungen von Dr. Langer ergaben Hinweise darauf, dass Organstörungen von Herz, Magen, Leber, Galle, Pankreas, Niere und Blase ebenfalls refl ektorisch eine Verquellung im Bereich von C3, seltener von C4, bewirken können. Doch ich ging davon aus, dass der Hausarzt diese Ursachen bereits abgeklärt hatte, denn die Patientin kannte die Untersuchung schon. Ihr Hausarzt hatte das ebenfalls gemacht und weil er einen auffälligen C3 gespürt hatte, für den er in seinem Bereich keine Ursache finden konnte, zu mir als Zahnarzt überwiesen.
Mittels dieses kurzen manuellen Checks und eines Blicks in den Mund, einschließlich Sensibilitätskontrolle der Zähne im zugehörigen Kieferabschnitt, konnte ich sehr zielgerichtet eine Röntgenaufnahme erstellen lassen. Mein Eingangsverdacht wurde radiologisch bestätigt. Bei der Patientin war eine Entzündung an einem seit ca. zehn Jahren wurzelkanalbehandelten Zahn aufgetreten. Die Patientin fragte nun – genau wie meine Empfangsdame – nach, was das denn mit ihren eigentlichen Beschwerden der Zunahme von Unverträglichkeiten und dem immer stärker werdenden PMS zu tun habe? Die Antwort war einfach. Histamin, also der Botenstoff unseres Immunsystem, das bei Entzündungen und Allergien von den Makrophagen ausgeschüttet wird, aber auch in vielen Nahrungsmitteln vorhanden ist, ist ein sogenanntes biogenes Amin ist. Aus nervtoten Zähnen treten ebenfalls biogene Amine wie Mercaptan, Thioether durch den Eiweißzerfall sowie Cadaverin und Putrescin als bakterielle Abbauprodukte auf. Für deren Abbau benötigt der Körper die sogenannte Diaminoxidase (DAO).
Allerdings wird die DAO, die sonst für den Histaminabbau zur Verfügung stünde, nicht nur vorrangig für die aus dem Zahn stammenden biogenen Amine verwendet, weil die Affinität dazu höher ist als die von Histamin. Gleichzeitig haben diese Stoffe auch noch die Fähigkeit, die DAO dauerhaft zu blockieren. Durch den zunehmenden Histaminspiegel im Körper reagierte die Patientin verstärkt auf Lebensmittel, die viel Histamin beinhalten, aber auch auf reizende Stoffe wie Pollen, was ihr Gefühl der zunehmenden Allergien verursachte. Auf Nachfrage gab die Patientin auch weitere bekannte Symptome einer Histaminintoleranz wie eine schlechte Alkoholverträglichkeit, besonders bei Rotwein, an. Sie beklagte immer wieder Durchfälle, für die niemand eine Ursache finden konnte, und empfand eine Zunahme der Symptome, wenn sie Aspirin gegen ihre ständigen Kopfschmerzen einnahm. Histamin jedoch aktiviert die weitere Histaminfreisetzung. Zudem benötigt die DAO, um optimal arbeiten zu können, Vitamin B6 als Coenzym. Hier liegt der Zusammenhang zur PMS-Symptomatik bei der Patientin. Durch den dauernden Abbau biogener Amine wird verstärkt B6 verbraucht und die Mängel sind teilweise alleine über die tägliche Nahrung nicht mehr auszugleichen. Da B6 gleichzeitig einen wesentlichen Anteil an der Synthese der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin hat, welche unter anderem für das seelische Wohlbefi nden von großer Bedeutung sind, haben Frauen, die unter einem Vitamin-B6-Mangel leiden, ein erhöhtes Risiko, ein prämenstruelles Syndrom mit Stimmungsschwankungen zu entwickeln. So konnte ich der Patientin den Zusammenhang zwischen ihren Symptomen und der Zahnmedizin erklären. In der Medizin wird der Zustand überschießenden Reagierens auf Histamin als Pseudoallergie – Histaminintoleranz – betitelt, kurz HIT. Die beschriebenen Symptome sind vielfältig und reichen von Störungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. Herzrhythmusstörungen, Hypertonie) über ZNS-Störungen (z.B. Schwindel, Kopfschmerzen, Tagesrhythmus-Vigilanz) bis hin zu gastrointestinalen Problemen (z.B. Bauchschmerzen, Krämpfe, Diarrhoe, Meteorismus).
Da es labormedizinisch keinen eindeutigen Nachweis gibt und bei den Patienten deshalb oft jahrelang keine Ursache für Beschwerden gefunden werden kann, obliegt es uns Ärzten, bei entsprechender Anamnese und dem Zusammenspiel mehrerer in diese Richtung deutender Befunde hellhörig zu werden. Naturheilkundlich, z.B. über die funktionelle Myodiagnostik, lässt sich der Verdacht bestätigen, ebenso wie über eine Histamin-Auslass-Ernährung mit anschließender Massivbelastung mit Histamin. Und was passiert, wenn nun eine solche Diagnose bestätigt wird? Im Falle unserer Patientin haben wir multifaktoriell reagiert. Der überweisende Kollege hatte mit der Patientin bereits die Karenz von histaminhaltigen Lebensmitteln besprochen. Mittels funktioneller Myodiagnostik ermittelte ich aus den Orthomolekularia, die den Histaminabbau direkt oder indirekt (Vit. C, Vit. B6, Cu sowie Ca, Mg, Zi) unterstützen, die für die Patientin notwendigen Substanzen. Und zudem hat die Patientin sich entschieden, auf ihren wurzelkanalbehandelten Zahn zukünftig zu verzichten. Der Extraktionstermin ist geplant und zusätzlich auch ein Termin für meine Empfangsdame. Sie möchte jetzt doch auch einmal prüfen lassen, ob auch ihr PMS mit einem ganzheitlichen Ansatz zukünftig der Vergangenheit
angehören kann.

Dr. EVA MEIERHÖFER
FA für Oralchirurgie
Klagenfurt
praxis@meierhoefer.at

Das PMS macht immer mehr Frauen zu schaffen