Generationenwechsel in der Österreichischen Zahnärztekammer:

Mit dem Abschied von OMR DDr. Hannes Westermayer aus der Standespolitik geht auch eine Ära in der Standespolitik zu Ende, die allein schon wegen der Etablierung der eigenen Zahnärztekammer in die Geschichte der Zahnärzteschaft eingehen wird.  Wir haben Präsident Westermayer noch einmal zu einem Gespräch gebeten.

1990 bis 2016, also 26 Jahre Standespolitik – eine unglaublich lange Zeit, die wohl neben dem „normalen“ Beruf auch sehr anstrengend und kräfteraubend war. Wie geht es Ihnen jetzt?

WESTERMAYER: Recht gut, vor allem weil der Generationenwechsel im Bund wie in den meisten Ländern ohne größere Schwierigkeiten abgelaufen ist und die nächste Generation ein wohlbestalltes Haus übernehmen kann.

Wie hat sich das Berufsbild der Zahnärzteschaft in diesen fast 30 Jahren verändert?

WESTERMAYER: Es hat sich ganz wesentlich verändert. Das gesellschaftliche Umfeld wird schwieriger, Begehrlichkeiten und Neid nehmen zu. Auf der anderen Seite hat die Zahngesundheit einen noch nie erreichten Höchststand erreicht.

Wie ist es Ihnen gelungen, mit den Dentisten wieder ein gutes Einvernehmen zu erzielen und sie durch den ZIV an Bord zu holen?

WESTERMAYER: Der Weg war lang und mühsam, schließlich war die Zeit reif, die beiden Berufsstände zusammenzuführen. Auf dem Gebiet der Fortbildung war die Zusammenarbeit traditionell gut, sowohl auf Landes- wie auf Bundesebene. Mit den Präsidenten Kurt Sipek und Heinrich Gressel einerseits und Roman Freiding und Robert Fischer andererseits war es zum Abbau der früheren Spannungen gekommen. Mit der Schaffung des Dr. med. dent. war dann den meisten klar, dass wir uns drei getrennte Berufsvertretungen nicht werden leisten könnten.

Der Kassenabschluss 1992 war ja durch die – zwar länderweise unterschiedliche – Tariferhöhung, die Inflationsgarantie und die „Rückkehr“ der Totalprothetik aus den Ambulatorien in die Praxen ein großer Erfolg.  Wie aber sehen Sie die Zukunft, wann ist die „Steinzeit“ beendet?

WESTERMAYER: Die „Steinzeit“ wird noch lange nicht beendet sein. Unübersehbar ist die Tendenz von Politik und Sozialversicherungsträgern, den Einfluss der Vertragspartner zurückzudrängen und die eigenen Institutionen zu bevorzugen. Eine teure Fehlentwicklung zulasten der Patienten.

Sind die Rahmenbedingungen durch das enge Korsett der unzähligen und unseligen Vorschriften und Gesetze heute wesentlich schlechter?

WESTERMAYER: Eindeutig ja.

Einer Ihrer Verdienste war ja die Schaffung des Bundeseinheitlichen Honorar-Richttarifes.  Wie hat sich dieses Instrument in der Praxis bewährt?

WESTERMAYER: Die autonomen Honorarrichtlinien haben sich eindeutig bewährt als Orientierungshilfe für Zahnärzte und Patienten.

Die Schaffung der Patientenschlichtungsstellen war  wohl eine ganz besondere Erfolgsgeschichte, die sich bis heute bestens bewährt. Wie sehen Sie da die Zukunft?

WESTERMAYER: Durch die Arbeit der Patientenschlichtungsstellen werden fraglos unzählige überflüssige Prozesse vermieden. Spürbar sind eine zunehmende Begehrlichkeit und eine verstärkte Aggression, was wir ja auch aus Erfahrungen der Rettung, von Sanitätern und Notärzten kennen.

Die  Gründung der eigenen Zahnärztekammer im Jahr 2006 war wohl Ihre visionärste Entscheidung. Sie haben sie gegen allen Widerstand systematisch durchgesetzt und damit die Zahnärzte aus der Ecke der vollzahlenden Hauptfinanzierer der Ärztekammer ohne großes Stimmenvolumen zu einer selbstständigen Standesvertretung mit Power gemacht. Wie haben Sie selbst die lange Zeit der Loslösung erlebt?

WESTERMAYER: Es war eine lange Entwicklung, Schritt für Schritt, bis die Widerstände in den eigenen Reihen, von den Ärztekammern und auch der Politik überwunden werden konnten. Heute bezweifelt wohl niemand mehr die Sinnhaftigkeit der eigenen Zahnärztekammer.

Wie sehen Sie die Zukunft für die junge Generation und welchen Rat können Sie ihr mitgeben?

WESTERMAYER: Dazu zwei Zitate.
Roman Freiding: „Man soll die Patienten nicht betrügen, wenn man Erfolg haben will.“
Was die Standesvertretung betrifft, ein abgewandeltes Zitat vom ehemaligen Gesundheitsminister Kurt Steyrer: „Die Ärzte haben nichts zu fürchten, außer sich selbst.“

Und was werden Sie nun eigentlich mit der gewonnenen Freizeit tun?

WESTERMAYER: Ein Spitzenvertreter des Hauptverbandes hat mir einmal mitgeteilt, es gäbe auch ein Leben vor dem Tod. Da ich bis jetzt wenig Gelegenheit hatte, das Leben außerhalb der Standespolitik kennenzulernen, werde ich mich bemühen, dem Wahrheitsgehalt dieser Mitteilung auf den Grund zu kommen.

Wir danken für das Gespräch, das Dr. Birgit Snizek führte.

PS.: Am 8. Juli 2016 hat OMR DDr. Hannes Westermayer in einem großen Festakt von Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen bekommen. Wir gratulieren herzlich.

PPS: Wussten Sie, dass es in Wien eine Westermayergasse gibt? Nämlich im 14. Bezirk, Oberbaumgarten. Die Gasse ist nach Martin Westermayer (1790–1855), Ortsrichter (!) und Bürgermeister von Baumgarten, benannt.

OMR DDR. Hannes Westermayer