Alterserscheinung - Neurodegenerative Erkrankungen

Die Lebenserwartung ist gestiegen, das Phänomen hält tendenziell an. Viele Menschen bleiben auch länger fit und vital und genießen die Jahre. Rüstige Pensionisten erbringen beachtliche sportliche Leistungen und unternehmen weite Reisen.

Wirklich genießen kann man die späten Jahre natürlich nur bei guter körperlicher und geistiger Gesundheit. Es ist im allgemeinen Bewusstsein angekommen, dass für körperliche Fitness Ernährung, Bewegung und Schlaf entscheidend sind und dass psychische Probleme uns massiv belasten und aufgearbeitet werden können und sollen.
Gute Gene und gesunder Lebensstil ermöglichen vielen ein langes und schönes Leben.
Eine große Herausforderung stellt jedoch das gehäufte Auftreten von Demenzerkrankungen dar. Scheinbar schicksalhaft, ohne lange Vorzeichen, verlieren Menschen ihr Kurzzeitgedächtnis, sie erkennen die Bedeutung von Gegenständen nicht mehr, ja selbst vertraute Menschen sind plötzlich fremd.
Zwar gibt es Frühsymptome wie Wortfindungsstörungen oder Tests, wo man sich eine Reihe von Gegenständen merken muss. Die therapeutische Konsequenz aus einem Verdacht oder einer Diagnose mittels CT ist allerdings noch eher dürftig. Erste Medikamente sollen das Fortschreiten der Erkrankung bremsen, gemeinsam mit Gehirntraining, der Erfolg ist allerdings noch gering. Immer wenn die Schulmedizin nicht weiter weiß, ist es erlaubt, auch andere Wege zu beschreiten und auch einmal ums Eck zu denken.

Ursache und Wirkung

Die neurodegenerativen Erkrankungen sind Eiweiß-Speicherkrankheiten. Deformierte, gefaltete Proteine gelangen ins Gehirn, werden nicht abgebaut, sondern eingelagert. Geschieht dies im Extrazellulärraum, entstehen Amyloid-Plaques wie bei Alzheimer, intrazellulär entstehen neurofibrilläre Tangles (TAU). Beide Proteinverklumpungen behindern die Impulsweitergabe; wenn sie in großem Umfang vorliegen, werden die Nervensignale nicht mehr weitergegeben. Bei M. Parkinson gibt es Lewy Körperchen (a-Synuclein) im Mittelhirn. Die entstehenden Krankheiten sind Alzheimer, Parkinson, Chorea Huntington und Prionenerkrankungen. Alle schreiten langsam voran, es gibt erbliche und sporadische Formen.
Amyloidplaques sind keine ganz neue Erkenntnis, sie entstehen im höheren Alter und sind auch der Grund für Altersdemenz. Natürlich überlagern sich Alter und Erkrankung: Betroffen ist weniger als 1% der Leute bis 65, aber 33% über 85 Jahre. Was dies für künftige Pflegeeinrichtungen und Sozialsysteme bedeutet, wird kaum zu bewältigen sein.
Die familiären Formen sind zwar ein hartes Schicksal, aber ebenfalls schon lange bekannt, z.B. der Veitstanz, der ab etwa 40 Jahren ausbricht.
Was uns Angst macht, sind die sporadischen, scheinbar zufällig auftretenden Fälle von präseniler Demenz. Das kann jeden treffen. Oft sind Menschen befallen, die beruflich intellektuell sehr gefordert waren, Richter, Ärzte, Politiker oder Schauspieler. Es wirkt, als ob sie ihre intellektuellen Ressourcen aufgebraucht hätten.

Gibt es präventive Maßnahmen?

Die Risikofaktoren für kognitiven Abbau im Alter sind die gleichen wie für chronische Erkrankungen: Übergewicht, Diabetes, Hochdruck, wenig Bewegung, geringe Bildung, falsche Ernährung, Rauchen, Depression und Alleinsein.
Genetisch: ApoE 4/4, ApoE4/3 – entscheidend sind der Fettstoffwechsel sowie immunologische und inflammatorische Prozesse.
Eine wichtige Rolle spielt offenbar der Neurotransmitter Serotonin, unser Glücksbotenstoff.
Im Alter wird unsere Darmflora weniger artenreich und damit weniger stabil, es kommt zu unsymptomatischer Entzündung mit Veränderung des Tryptophanstoffwechsels. Dadurch wird weniger Serotonin produziert, im Abbauweg entsteht mehr Kynurenin. Das ist an sich eine neuroprotektive Substanz, bei starker Erhöhung aber toxisch. Kynurenin kann Acetylcholinrezeptoren blockieren und Glutamat und Dopamin freisetzen, es kommt zu „stiller“ Entzündung im Gehirn.
Hinweiswert im Serum: Neopterin steigt an.
Veränderungen im CT sind 20 Jahre vor der Alzheimerentwicklung zu entdecken.
Reduktion des Übergewichts und Ausdauersport reduzieren die Demenzneigung. Gemessen wurde die Störung des Hippocampus, unserer Gedächtnis- und Emotionszentrale. Zytokin; Brain directed nerval growth factor.

Gegenstrategie?

Wie immer, wenn es um Entzündungen geht, spielen unsere Mitarbeiter im Darm eine Rolle. Es gibt auch eine ganze Reihe von Bakterienarten, die Serotonin oder den beruhigenden Neurotransmitter Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) produzieren können, z.B. einige Lactobazillen, Streptokokken oder Coli. Und die kleinen Freunde sind auch imstande, aus Nährstoffen kurzkettige, schützende Fettsäuren zu erzeugen. Diese SCAFs regulieren Reifung und Funktion der Mikroglia. Besonders effektiv ist Butyrat, das vor Entzündungen und Krebs schützen kann. Im Tierversuch konnte eine Veränderung der Darmflora Funktionen der Mikroglia wiederherstellen.
Die guten Bakterien werden gefördert, indem den Präparaten Carbohydrate zugesetzt werden (Inulin, Fructo-Oligosaccharide). Die Vergärung derselben dient quasi als Nährstoff für Bifidobakterien und Lactobazillen.
Cyanobakterien produzieren Neurotoxine, die zu Amyloid-Ablagerungen führen können, wenn die Blut-Hirn-Schranke nicht abdichtet. Amyloid ist primär gut löslich, verändert sich im Gehirn aber zu unlöslichen Klumpen. Strategie also: Verdrängen der schlechten Bakterien durch gute und stärken der Grenzbarrieren.
Bei Alzheimerpatienten ist Calprotectin im Stuhl erhöht (Zeichen der Entzündung, Leaky gut), die Neurotransmitter sind erniedrigt.
Gastrointestinaltrakt und Zentralnervensystem kommunizieren über das autonome Nervensystem. Stress triggert die Darmentzündung auf systemisches Niveau und weiter zu Neuroiinflammation. Umgekehrt produzieren unsere Symbionten bioaktive Substanzen, die uns bei der Stressbewältigung helfen. Kein Wunder also, dass man ein und dasselbe Problem über Psychotherapie und über Darmsanierung anpacken kann.
Frühsymptome bei Parkinson: Geruchsstörungen, Schmerzen, Depression und Obstipation.

Schutzbarrieren

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Darm und Gehirn sind die Schutzbarrieren, die Grenzmembranen. Wir wissen, dass alle diese Compartimentgrenzen aus Phospholipidschichten bestehen, durchbrochen durch Transportkanäle, die für die aktive, energieverbrauchende Resorption zuständig sind. Vitalstoffmangel, Energiemangel, chronische Entzündungen stören dieses hochintelligente System, es kommt zu leaky gut oder Störung der Blut-Hirn-Schranke. Besonders wichtig für die Funktion von Membranen ist eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung.
Hinweise darauf hat es schon bei BSE gegeben. Scheinbar zufällig lösten die damals relativ unbekannten Prionen bei einigen Patienten eine Jacob-Creutzfeld-Erkrankung aus, während andere überhaupt keine Symptome zeigten.
Spannend für Zahnärzte: Im Alter nehmen die Anaerobier in der Mundhöhle zu, damit nimmt TNF- zu, das führt über den Trigeminus zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke. Eine Wiederansiedelung guter Keime durch Spülen mit Symbionten ist einfach!
Das ist für uns auch deshalb wichtig, weil u.a. Amalgam beschuldigt wurde, hinter der Amyloidablagerung zu stecken. Und auch bei der Amalgamsanierung besteht mittlerweile Konsens, dass wir zuerst die Membranen abdichten sollten, bevor wir es herausfräsen.

Gibt es eine protektive Diät?

Empfohlen werden Fisch, Geflügel, faserreiches Obst und Gemüse, Kohl, Tomaten, Lauch und Zwiebel, Heidel- und Himbeeren, Melonen, Granatäpfel, Papaya.
Also eigentlich alles, was antientzündlich ist, antioxidativ wirkt und die Verdauung fördert.

Der Artikel beruht z.T. auf einem Vortrag von Prof. Dr. Friedrich Leblhuber, Neurologe aus Linz, gehalten bei einer Tagung der Akademie für Darmgesundheit am 17. September 2016.

MR Dr. EVA-MARIA HÖLLER

Zahnärztin und
Kieferorthopädin in Wien
Schwerpunkt: Komplementärverfahren
Gerichtlich beeidete
Sachverständige mit Zusatzbezeichnungen
Kieferorthopädie und
Komplementärverfahren
ordi.hoeller@aon.at