Wissenschaftspreise - Verbesserung und Beschleunigung der Einheilung bei Implantaten

Den ODV-Wissenschaftspreis des ZIV erhielten heuer zwei Arbeiten. ZMT interviewte die Preisträgerin Priv.-Doz. DDr. Ulrike Kuchler, Universitätszahnklinik Wien. Ein Interview mit dem zweiten Preisträger, Univ.-Ass. Dr. Hady Haririan, erschien in der ZMT-Ausgabe vom Juni 2016. 

Worum ging es in Ihrer preisgekrönten Arbeit?

KUCHLER: Der Titel der Arbeit lautet: „Veränderungen der ISQ-Werte bei durch simultane Sinusbodenelevation inserierten Implantaten – Ergebnisse einer prospektiven Studie mit 109 Implantaten“. Die Studie geht auf eine Initiative von Prof. Buser, Bern, zurück, mit dem ich von 2011 bis 2015 zusammenarbeitete, zunächst als ITI-Stipendiatin, dann als Assistenzärztin und schließlich als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Ich war übrigens die erste deutschsprachige ITI-Stipendiatin.
Ziel der Studie war es, den ISQ-Wert (als Surrogatparameter für die Stabilität von Implantaten und basierend auf der Resonanzfrequenz-Analyse) zum Zeitpunkt der Implantation mit gleichzeitiger Sinusbodenelevation sowie nach acht Wochen Heilung zu bestimmen. Der ISQ-Wert wird zur Bestimmung der Primärstabilität (mechanische Stabilität) und zur Verlaufskontrolle eingesetzt. Der Wert liegt zwischen 1 und 100, Werte über 70 sprechen für eine hohe Stabilität, basierend auf Erfahrungswerten und Studien aus Bern. In dieser Studie erreichten nach acht Wochen 83% der Implantate den Wert von 70. Ein Implantat war aufgrund einer periimplantären Infektion verloren gegangen (Clinical Oral Implants Research 2016).
Die Studie stützt den Trend zur Verkürzung, früher ging man von einer Einheilzeit von 4–6 Monaten aus. Eine hohe Primarstabilität (Werte um die 80) sagt nichts aus, in unserer Untersuchung sanken sehr hohe ISQ-Werte ab und niedrige nahmen zu. Im Prinzip gelten die Ergebnisse allerdings nur für den verwendeten Implantattyp. Die Ein-Jahres-Ergebnisse sehen ebenfalls ausgezeichnet aus. Ich konnte über 90 Patienten wieder untersuchen, nur ein weiteres Implantat ging verloren. Die Daten werden unter Federführung einer jungen Kollegin aus Bern bald publiziert werden.

Wie hat sich Ihre berufliche Laufbahn entwickelt?

KUCHLER: Ich habe Medizin und Zahnmedizin parallel studiert, auch einige Jahre als zahnärztliche Assistentin gearbeitet. Zahnmedizin habe ich 2006 abgeschlossen, das Medizinstudium 2007. Für meine Diplomarbeit erhielt ich den Preis der ÖGZMK für die beste Diplomarbeit. Anschließend war ich Assistenz-
ärztin bei Prof. Watzek an der Abteilung für Orale Chirurgie. 2011 ging ich wie gesagt als ITI-Stipendiatin nach Bern. Danach blieb ich noch ein weiteres Jahr bei Prof. Buser, wo ich neben der wissenschaftlichen Arbeit auch zahlreiche Patienten weiterbetreute. 2013 kehrte ich nach Wien zurück und 2015 erfolgte die Habilitation.

Wie sehen Ihre weiteren Forschungsprojekte aus?

KUCHLER: Ein Forschungsschwerpunkt ist sicherlich die kompromittierte Knocheneinheilung, das war auch mein Habilitationsthema. Ich beschäftigte mich mit dem Einfluss osteoanaboler Therapien/Medikamente auf die Einheilung, wir konnten als Erste zeigen, dass Parathormon  – das einzige osteoanabole Mittel in der Therapie der Osteoporose – bei diabetischen Tieren keine Wirkung auf die Osseointegration hat.
In einer klinischen Studie untersuchten wir bei 24 zahnlosen Patienten, von denen 12 Parathormon erhielten, die knöcherne Einheilung von Minischrauben. Nach neun Wochen zeigte sich u.a. eine tendenzielle Steigerung der Menge des neugebildeten periimplantären Knochens in der Behandlungsgruppe. Der Unterschied war aber nicht signifikant. Man kann jetzt natürlich spekulieren, zu welchem Zeitpunkt eine Signifikanz gegeben wäre. Die Studie wurde im „Journal of Dental Research“ publiziert. Aus diesem Anlass wurde ich im März 2012 als erste Zahnmedizinerin „Researcher of the Month“ der Medizinischen Universität Wien.
Generell gibt es ein vermehrtes Interesse an der Rolle von Parathormon in der Zahnheilkunde. So konnten Bashutski et al. (NEJM 2010) zeigen, dass Parathormon die parodontale Regeneration nach chirurgischer Parodontaltherapie verbesssert.
Ein weiteres Thema war der Einfluss von M. Crohn auf die Einheilung von Implantaten. Man weiß, dass das Risiko für einen Implantatverlust bei Patienten mit M. Crohn deutlich erhöht ist. Für eine Studie über die Veränderungen von Knochen, Zähnen und Parodont bei Sclerostin-Knock-out-Mäusen – Sclerostin ist ein Knochenbildungshemmer – erhielt ich den Rudolf-Slavicek-Preis.
Generell geht es um die Frage: wie kann man die Einheilung verbessern und beschleunigen? Ziel ist es, durch unsere Arbeit die Biologie besser zu verstehen und in der Klinik davon zu profitieren. Erwähnen möchte ich noch, dass viele meiner Arbeiten finanziell unterstützt und ausgezeichnet wurden.

Kürzlich fand ja das EACH-Meeting in Wien statt?

KUCHLER: EACH steht für Spanien, Österreich und Schweiz. Berner Alumni aus diesen Ländern treffen einander auf eigene Kosten. Es begann 2014 mit einem gemütlichen Wochenende in Barcelona, 2015 gab es ein  Symposium in Bern. Heuer war dann Wien dran, wo aktuelle Arbeiten der Alumni und der Competence Center der Wiener Zahnklink vorgestellt wurden.
Wie sieht die Zukunft aus?
KUCHLER: Ich denke, dass die Themen  Knochenersatzmaterialien und Einflüsse auf diese Materialien sehr wichtig werden wird. Ein großes Anliegen von mir ist auch, dass der Blick über den Mund hinausgeht, systemischen Faktoren (Medikamente, Erkrankungen) sollte mehr Beachtung geschenkt werden. ZahnärztInnen gehören ja zu den am häufigsten besuchten Ärzten und  sollten dies nutzen, um Patienten mit Auffälligkeiten zu den entsprechenden Ärzten zu schicken.

Herzlichen Dank für das Interview!


Dr. PETER WALLNER

Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

 

Priv.-Doz. DDr. Ulrike Kuchler