Teil 2 - Latexallergie: Allergie in der Zahnarztpraxis

Zahnärzte und zahnärztliches Personal gehören zu den am meisten gefährdeten Gruppen bezüglich berufsbedingten Hauterkrankungen. Besondere Bedeutung kommt dabei den durch medizinische Handschuhe ausgelösten Hautproblemen zu.

Primär ist nicht jede Hautirritation durch Handschuhe als Allergie einzustufen. Handekzeme werden häufig durch den Okklusionseffekt beim Tragen oder durch gepuderte Handschuhe hervorgerufen. Bei letzteren bewirken der Reibeeffekt der Puderpartikel und der alkalische pH-Wert eine Beeinträchtigung des Säureschutzmantels der Haut. Es entstehen zunächst toxische, nicht-allergische Hautschäden, welche von Rötungen, Juckreiz und Hautschuppung bis zu toxischen Kontaktekzemen reichen. Immerhin finden sich derartige Veränderungen bei bis zu 44% der im Gesundheitswesen tätigen Personen. Derart vorgeschädigtes Epithel schafft dann in der Folge die Voraussetzungen für den Eintritt echter Allergene.

Pudergebundene Latexproteine mit hohem Allergisierungspotenzial

Die größte Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Latex-Allergie zu. Bis zu 80% aller Latexallergiker kommen aus medizinischen Berufen, Studien zeigen hiefür eine durchschnittliche Prävalenz von bis zu 18%, während die Prävalenz im Vergleich dazu in der Normalbevölkerung nur 2% beträgt. Eine deutsche Studie aus Erlangen zeigt für Zahnmedizinstudenten eine Zunahme der Latex-Hypersensibilisierungen von 2% auf 10% bis zum 10. Semester. Latex ist die Milch aus dem Baum Hevea brasiliensis und wird über spezielle Verfahren zu Gummi aufgearbeitet. Der Verbrauch an Latex für die Handschuhproduktion beträgt weltweit jährlich 600.000 Tonnen. Allergene Wirkung haben mehrere im Rohstoff enthaltenen Eiweiße. Neben Naturlatex erhöhen auch diverse kleinmolekulare Zusatzstoffe in medizinischen Handschuhen, wie Vernetzungsmittel, Akzeleratoren, Zink-oxid, Antioxidantien, Oberflächenbehandlungsmittel und Alterungsschutzmittel, die Gefahr einer Allergisierung. Gepuderte Latexhandschuhe sind besonders problematisch, weil die antigenen Proteine des Latex an die Puderpartikel gebunden und über den Reibeeffekt in die oberflächlichen Hautschichten eingebracht werden.

Puderpartikel sind für Allergiker gefährlich

Die Kontaktallergie (Typ-IV-Allergie, Reaktion vom Spättyp) führt zum Bild einer allergischen Dermatitis, welche auf die Kontaktflächen, das heißt in erster Linie die Haut an den Händen, beschränkt bleibt. Daneben darf aber die anaphylaktische Typ-I-Reaktion nicht unterschätzt werden. Diese IgE-vermittelte Reaktion vom Soforttyp wird in erster Linie aerogen bedingt. In die Atemluft verwirbelte, proteinbeladene Puder-partikel können bei Allergikern zu schweren, unter Umständen sogar lebensbedrohenden Reaktionen führen. Es kommt über die Ausschüttung von Mediatoren aus Basophilen und Mastzellen zu Urtikaria, Schleimhautschwellung, Rhinitis, im Extremfall zu Asthma bronchiale und allergischem Schock.
Auch für vorsensibilisierte Patienten können latexhaltige Produkte zu einer Gefahrenquelle werden. Bei Manipulationen in der Mundhöhle werden Partikel auf die Schleimhaut oder sogar in offenen Wunden eingebracht; dazu kommt die bereits erwähnte erhöhte inhalative Belastung.

Expositionsvermeidung und exakte Anamnese verhindern Allergie

Was sind nun die logischen Konsequenzen und Präventivmaßnahmen, um derartige Gefährdungen zu vermeiden? Einerseits müssen Neusensibilisierungen von exponierten Mitarbeitern in der Zahnarztordination durch Verwendung puderfreier, allergenarmer Handschuhe, bevorzugt aus synthetischem Material, vermieden werden. Andererseits wird durch die zumindest weitgehende Vermeidung hoch allergener Produkte die Belastung und Gefährdung bereits sensibilisierter Mitarbeiter, aber auch Patienten verringert.
Bei Verwendung von Naturlatexprodukten gilt ein Gehalt von unter 30µg Latex pro Gramm Handschuhmaterial und ein Pudergehalt von unter 2mg als „allergenarm“. Weiters ist ein Gehalt von unter 0,5µg Latexprotein pro m³ Atemluft in den Praxisräumlichkeiten erforderlich. Glücklicherweise geht statistisch gesehen der Trend weg von den hochgefährdenden gepuderten Handschuhen; in Deutschland liegt der Marktanteil bereits unter 1%. Über fortschrittliche Herstellungstechniken werden heute Naturlatexhandschuhe mit unter 10ug/g Proteingehalt und puderfreien Innenbeschichtungen hergestellt.
Eine Abklärung möglicher bestehender Allergien – sowohl beim Mitarbeiter als auch beim Patienten (Anamnese! Allergiepass erfragen!) – sind unbedingte Voraussetzungen zur Risikominimierung. Fragen nach Juckreiz, Schwellung oder Ausschlägen an den Kontaktstellen mit Latexprodukten (Hände beim Mitarbeiter, Lippen, Schleimhaut beim Patienten) sowie Fragen nach anderen bestehenden Allergien sind hier oft hilfreich. Wichtige Hinweise können auch vorbekannte Sensibilisierungen auf bestimmte Früchte oder Pflanzen wie Wolfsmilchgewächse, Avocado, Bananen, Papaya, Maroni, Pfirsich, Kiwi oder Passionsfrucht geben, da hier Kreuzallergene vorkommen. Als möglicherweise gefährdet sollte man auch Atopiker und Neurodermatitis-patienten, sowie Personen mit anderen vorbekannten Allergien wie Heuschnupfen oder allergischem Asthma einstufen. Bei gesicherter Diagnose müssen unbedingt – auch bei kurzen Eingriffen – allergenfreie Produkte und latexfreie Instrumente verwendet werden. Dies betrifft im Falle der gesicherten Diagnose nicht nur die Manipulation mit latexhaltigen Handschuhen, sondern darüber hinaus die Vermeidung von latexhaltigem Kofferdam und Spritzen (Lokalanästhesie). Auch Wurzelfüllungsmaterialien mit Guttapercha können in seltenen Fällen aufgrund der Ähnlichkeit der chemischen Struktur mit Latex eine allergische Reaktion hervorrufen (Boxer et al, 1994). Allerdings beruht die Annahme auf einer Fallbeschreibung, bisher konnte noch kein direkter Nachweis kreuzreagierender Antikörper durchgeführt werden.
In jedem Fall ist die Verwendung von Produkten mit möglichst niedrigem Allergisierungspotenzial eine unbedingt erforderliche Schutzmaßnahme für Personal und Patienten.

Ch. Eder, L. Schuder


DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at