Eine rätselhafte ministerielle Farbenlehre

Minister Stöger hat dem „Ärzte-Kurier" (30.09.09) ein Interview gegeben (Headline: „Ärzte sind Pragmatiker"). Darin ist von „Medizinern" und „Ärzten" die Rede, zu denen wir natürlich auch zählen.

Etwa in der Mitte des Interviews kritisiert der Interviewer am Beispiel des Hausbesuches die Tatsache, dass die Mediziner schlechter als Installateure honoriert werden. In seiner Replik sieht der Minister die Einzelpositionsabrechnung als Problem (!?) und fordert eine ganzheitliche Sicht auf die honorierten Leistungen. O-Ton: „Aber in Wirklichkeit kann man medizinische Leistung ohnehin nicht in Einzelleistungen zerteilen." Nun, wir Zahnärzte können das seit Jahrzehnten, es gibt bei uns ja gar keine andere auch nur einigermaßen vernünftige Möglichkeit. Und wenn der Minister diesen Punkt mit dem Satz „In der Gesamtrechnung aller Leistungen wird die Zuwendung zum Patienten durchaus honoriert" abschließt, so muss er da wohl auf die Zustimmung von uns Zahnärzten verzichten.

So, und jetzt wird es wirklich interessant. Der Interviewer spricht die Tatsache an, dass die Honorare der niedergelassenen Ärzte von Bundesland zu Bundesland extrem verschieden sind und fragt, ob der Minister da an Harmonisierung denkt. Stögers Antwort: „Ich halte wenig von gleichen Honoraren, aber ich halte sehr viel von Buntheit."

Angesichts unseres bundesweit einheitlichen zahnärztlichen Gesamtvertrages sind wir ein wenig irritiert und warten gespannt auf den ministeriellen Farbenrausch. Aber zunächst versucht sich der Minister in Geografie: „Es ist eben nicht alles gleich, die Leistung, die ein Arzt in einem Bergtal oder einer dünn besiedelten Region erbringt, muss anders abgegolten werden als die von einem Arzt in der Kärntnerstraße - selbst wenn die Handgriffe ident sind."

Folgen wir dem Minister und argumentieren auch wir geografisch: Wie wir wissen, verfügt jedes Bundesland über Ballungsräume, flaches Land und die meisten über Bergtäler. Würde man dem ministeriellen Gedankengang nun konsequent folgen und auf die Bedürfnisse der in diesen Regionen tätigen KollegInnen wirklich Rücksicht nehmen, müsste man die Idee der neun Landes-GKKs umgehend verlassen, GKKs für Bergtäler, Ballungsräume etc. etablieren und damit natürlich auch die Honorierung dementsprechend gestalten: einen Satz für Bergtäler, einen für dünn besiedelte Regionen, einen für Ballungsräume. Ganz ehrlich, Herr Minister: Ob das funktionieren würde? Aber noch kommen wir nicht zur Buntheit, jetzt kriegen einmal wir ZahnärztInnen unser Fett ab: „Würden wir alles gleichmachen, hätten wir den schlechtesten medizinischen Level - weil der wäre der kleinste gemeinsame Nenner." Also jetzt sind wir, egal ob im Bergtal oder Ballungsraum werkend, schon ein wenig gekränkt. Weil wir einen bundesweit einheitlich gültigen Gesamtvertrag haben, haben wir damit automatisch auch den schlechtesten medizinischen Level? Der Interviewer hakt nach und fragt noch einmal, ob die viel kritisierten Honorarunterschiede der Bundesländer in Ordnung sind. Der Minister bejaht und sagt: „Ich betrachte das als Buntheit. Ich halte viel davon, dezentrale Krankenkassen zu haben. Über Strukturveränderung kann man nachdenken, aber die Nähe zum Patienten muss bleiben." Es ist ja in Wirklichkeit noch viel farbenprächtiger, die Pracht geht so weit, dass es punkto Selbstbehalten Unterschiede von bis zu 100% (!) gibt. Ob die Patienten diese Ausgeburt des Föderalismus wirklich zu Jubelstürmen hinreißt? Oder wäre ihnen eine ökonomisch geführte, zentral verwaltete Bundes-GKK mit einheitlichen Sätzen und kleinen Landesgeschäftsstellen nicht doch viel lieber?

Dr. Peter Standenat