Die Angst vieler Zahnärzte vor HIV-positiven Patienten ist unbegründet, wie die Statistik zeigt - vorausgesetzt, Vorsichtsmaßnahmen werden eingehalten. Immer noch fürchten sich viele Zahnärzte, aber auch ihre Helferinnen, vor einer Behandlung von HIV-positiven bzw. AIDS-kranken Patienten. Eine reichlich unbegründete Angst vor Ansteckung hindert sie oft daran, diese Patientengruppe zu akzeptieren. Was dabei übersehen wird, ist einerseits die äußerst geringe Ansteckungsgefahr, sofern einige Sicherheitsmaßnahmen beachtet werden, andererseits die Bedeutung der Oralmedizin in der Behandlung der betroffenen Patienten, nicht zuletzt in der Observation der Progression des Krankheitsverlaufes. Generell ist die berufsbedingte Gefahr, sich mit HIV anzustecken, bei Gesundheitsberufen viel geringer als allgemein angenommen. Das Risiko einer HIV-Infektion durch Nadelstichverletzungen wird in verschiedenen Arbeiten mit 0,3% angegeben (zum Vergleich: HCV 3%, akute HBV 30%). Das betrifft eine perkutane Exposition mit Nadeln oder Skalpellen, die mit Blut eines gesichert seropositiven Patienten kontaminiert sind. Bei Blutexposition von Schleimhäuten liegt die Infektionswahrscheinlichkeit eine Zehnerpotenz darunter bei 0,03%. „Bis Juni 1990, also etwa 10 Jahre nach den ersten Veröffentlichungen zu AIDS-Erkrankungen in den Vereinigten Staaten, war weltweit (!) bei 19 Personen eine berufliche HIV-Übertragung von Patienten auf medizinisches Personal gesichert", erklärt OA Dr. Rainer A. Jordan, Fakultät für ZMK der Universität Witten-Herdecke. Kein einziges Mal wurde eine Übertragung von HIV auf zahnärztliches Personal nachgewiesen. Und das, obwohl die Schutzmaßnahmen gegen Infektionen insgesamt damals noch lange nicht das heutige Ausmaß hatten. Eine Übersicht aus 1999, also rund 20 Jahre nach Entdeckung der Krankheit AIDS, fand weltweit 102 gesicherte berufsbedingte HIV-Infektionen. Die überwiegende Mehrheit der Fälle betraf PflegerInnen, kein einziger Fall war im zahnärztlichen Bereich. Übrigens gab es sehr wohl den umgekehrten Fall: Nicht nur durch die Fachpresse ging der Fall eines HIV-infizierten Zahnarztes aus Florida, der - wie mit DNA-Tests nachgewiesen wurde - mindestens sechs seiner Patienten ansteckte. Allerdings war nicht festzustellen, wie der Kollege arbeitete bzw. welche Schutzmaßnahmen er traf. Zweifel bezüglich der Arbeitsweise scheinen berechtigt, denn dies ist der einzig bekannte Fall einer Infektion von Patienten durch einen HIV-positiven Zahnarzt. Also müssen sich auch die Patienten nicht fürchten, wenn der Zahnarzt die Schutzmaßnahmen einhält. Viruslast und Blutmenge Sicherheit - nicht nur gegen HIV Sollte es zu einer perkutanen Verletzung mit kontaminierten Instrumenten oder zur Benetzung offener Wunden oder Schleimhäute mit HIV-kontaminierten Flüssigkeiten kommen, empfiehlt sich eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) entsprechend den Richtlinien (siehe Literatur). Kontakt von Mucus oder Sputum mit Schleimhäuten ist ungefährlich, da beides nicht infektiöses Material ist. Allerdings rät Ass.-Prof. Mario Sarcletti von der HIV-Ambulanz der Univ. Innsbruck dazu, in Zahnarztpraxen auch den Speichel AIDS-kranker Patienten als infektiöses Agens zu behandeln, da bei den zahnärztlichen Manipulationen der Speichel oft mit potenziell infektiösem Blut vermischt wird. Sowohl bei oberflächlichen Verletzungen als auch bei Schleimhautkontakt mit dem Blut eines Patienten unter erfolgreicher Therapie, also eines Patienten mit sehr niedriger Viruslast, werden die Experten eine PEP anbieten, aber nicht empfehlen. Wichtig ist allerdings, dass man sich schnell entscheidet, denn die HIV-PEP sollte möglichst rasch beginnen. Optimal ist ein Beginn zwei Stunden nach der Verletzung. Nach 72 Stunden ist eine Wirkung der HIV-PEP fraglich. Risiko insgesamt äußerst gering Livia Rohrmoser Literatur: Zebuhr Y, Bayerisches Zahnärzteblatt, Juni 2009 |
![]() OA Dr. Rainer A. Jordan, Fakultät für ZMK der Univ. Witten-Herdecke
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