Parodontitis im Erwachsenenalter Teil 6 - Rauchen und psychischer Stress als Progressionsfaktoren

Die zumeist chronisch verlaufende Parodontitis des Erwachsenen ist eine multifaktorielle Erkrankung, welche von zahlreichen exo- und endogenen Parametern beeinflusst wird.

Neben den bereits diskutierten hormonellen und genetischen Faktoren sind exogene Noxen wie Nikotin, Alkohol, Ernährungsfaktoren und psychischer Stress wichtige Modulatoren der Parodontitis.

Rauchen und Parodontitis
Zahlreiche Studien belegen, dass Nikotin einen der stärksten extrinsischen Risikofaktoren für Entstehung und Progression einer gingivalen und/oder parodontalen Entzündung darstellt.
Das Ausmaß der Schädigung der oralen Hart- und Weichgewebe ist dabei abhängig von der Menge des Zigarettenkonsums. Ein Richtmaß dafür ist das sogenannte „Patientenjahr", welches als Zahl der Zigaretten pro Tag multipliziert mit der Anzahl der Raucherjahre definiert wird. Bei starken Rauchern mit mehr als 20 bis 30 Zigaretten pro Tag erhöht sich das Risiko einer schweren Parodontalerkrankung um das Fünf- bis Sechsfache gegenüber Nichtrauchern. Auch bei guter Mundhygiene sind bei Rauchern eine höhere Bereitschaft zur Blutung des Zahnfleisches bei Sondierung und ein höherer Plaqueindex festzustellen.

Die schädigende Wirkung des Nikotins liegt vor allem in seiner Einflussnahme auf die lokale Immunabwehr des betroffenen Patienten, wobei gleichzeitig mehrere Abwehrmechanismen geschwächt werden. So fördert Nikotin die Freisetzung von Interleukin 1Beta (IL 1ß) und von Prostaglandin E2 (PGE 2) bei Stimulation durch Lipopolysaccharide parodontal pathogener Keime. Die Ansiedelung solcher vorwiegend gramnegativer, anaerober oder mikroaerophiler Bakterien wird wiederum durch die bei Rauchern häufiger auftretende Mundtrockenheit und die verringerte Bildung von Sulcusflüssigkeit gefördert. Besonders bei Personen mit genetischen IL-1-Polymorphismen, bei welchen von vornherein eine verstärkte Tendenz zur Ausbildung von Parodontopathien besteht, hat zusätzlicher Nikotingenuss schwere Auswirkungen auf die orale Gesundheit.

Auf mikrobielle Reize kommt es zu einer vermehrten Entzündungsantwort durch Leukozyten, vor allem der CD4- Lymphozyten. Daneben werden die funktionelle Aktivität und die Phagocytosefähigkeit der neutrophilen Granulozyten negativ beeinflusst. Spezifische Serumantikörper, wie z.B. gegen Actinobacillus actinomycetem-comitans, sind erniedrigt.
Raucher übersehen zudem leicht die ersten Warnzeichen einer Parodontitis, da Rauchen das lokale Entzündungsgeschehen maskiert. Nikotin hat eine vasokonstriktorische Wirkung, wodurch die Gingiva mangelhaft durchblutet wird. Die mangelnde Sauerstoffversorgung fördert wiederum das Wachstum anaerober, parodontal pathogener Keime. Außerdem führt der Zigarettenrauch zu einer Fibrose der Gingiva. Schwellungen und Rötungen treten daher weniger deutlich in Erscheinung.

Bei der Therapie der Parodontitis ist der Langzeiterfolg bei Rauchern deutlich geringer als bei Nichtrauchern. Ebenso besteht ein erheblicher größeres Risiko für den Verlust von Implantaten.

Alkohol beeinträchtigt die orale Gesundheit
Regelmäßiger und vor allem unmäßiger Alkoholgenuss erhöht nach amerikanischen und englischen Langzeitstudien das Risiko für parodontale Erkrankungen um bis zu 27%, wobei eine direkte Beziehung zur Menge des konsumierten Alkohols besteht. Die Art des Getränks scheint keine wesentliche Rolle zu spielen. Der Mechanismus der Einflussnahme auf die parodontalen Hart- und Weichstrukturen ist nicht restlos geklärt; ähnlich wie bei Nikotin wird auch hier eine negative Auswirkung auf die lokale Immunantwort diskutiert.

Neben der parodontalen Schädigung kommt es zu einer chemischen Belastung des Zahnschmelzes und später auch des Zahnbeins. Im Gegensatz zur Parodontitis ist jedoch hier die Art des Getränks von entscheidender Bedeutung. Besonders alkoholhaltige Modegetränke wie Alco-Pops und süße Cocktails enthalten Säuren, welche die Zahnsubstanz demineralisieren und so die Grundlage für Karies schaffen.

Psychischer Stress und Entzündungsgeschehen
Es ist bekannt, dass seelische Belastungen und Stress das Immunsystem und demnach auch den Verlauf parodontaler Erkrankungen beeinflussen können. Besonders bei bereits vorbestehenden parodontalen Läsionen und möglicherweise parallel vorhandenen weiteren Risikofaktoren wie systemischen Grunderkrankungen und Nikotingenuss kommt es, kombiniert mit psychischem Stress, zu teilweise massiven Exazerbationen von parodontalem Entzündungsgeschehen. Untersuchungen über den Einfluss von Stress auf entzündungsbedingte gingivale Erkrankungen gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren, wobei die isolierte Beurteilung dieses Faktors durch die Vielfalt der weiteren modulierenden Einflüsse erschwert wird.

Stress ist für die Keimabwehr des Körpers schädlich
Dennoch konnte über Analysen detaillierter Fragebögen und Langzeituntersuchungen ein eindeutiger Zusammenhang von Stress und Krankheitsprogression festgestellt werden. Psychischer Stress nimmt Einfluss sowohl auf chronische als auch auf aggressiv verlaufende Parodontopathien und kann auch bei optimaler zahnärztlicher Behandlung der Erkrankung den Heilungs- und Regenerationsprozess der Gewebe erschweren.

Stress löst im Organismus eine Reihe pathobiologischer Mechanismen aus, welche direkt in die Keimabwehr eingreifen. So werden unter seelischer Anspannung vermehrt Katecholamine und Cytokine ausgeschüttet. Messungen der Konzentration dieser Wirkstoffe in der Sulcusflüssigkeit ergaben hier deutlicher höhere Werte. Die Zusammensetzung und Dichte der Sulcusflora wird durch die Katecholamine verändert, die Bildung von IgG für die spezifische Abwehr vermindert. Ebenso lösen mikrobielle Lipopolysaccharide bei psychisch belasteten Personen eine messbar höhere Ausschüttung von Il1ß aus. Die Migrations- und Phagozytosefähigkeit der Makrophagen wird negativ beeinflusst.

Unter psychischem Stress setzen sich Patientinnen dann oft vermehrt zusätzlichen Risikofaktoren aus. Die Mundhygiene wird häufig vernachlässigt, der Konsum von Nikotin und Alkohol steigt. Oft wird in schwierigen Lebenslagen auch nur wenig auf gesunde Ernährung geachtet.
Die Kombination dieser Risikofaktoren bedingt dann eine erhebliche Belastung des Gesamtorganismus und damit auch der oralen Gesundheit des Patienten.

DDr.Christa Eder,
Dr. L. Schuder