Mutterschutz heute: Existenzbedrohung für Kleinbetriebe

In der ÖZZ 4/09 ist auf Seite 16ff. ein Artikel von Mag. Petra Eigruber, der Juristin der oberösterreichischen Landeszahnärztekammer zu finden, der die aktuellen Mutterschutzvorschriften zum Inhalt hat. Wir können uns hier aus Platzgründen fast nur mit dem für uns wichtigsten Punkt „Verbotene Tätigkeit für werdende Mütter" befassen. Aber wir wollen der Reihe nach vorgehen!

Schon bei der Ordinationseröffnung müssen wir, so wir im Personal Frauen beschäftigen wollen, eine präventive Mutterschutzevaluierung durchführen. Wir haben also zu überprüfen, ob am Arbeitsplatz Gefahren für die Schwangere und im Weiteren die stillende Mutter bestehen.

Nun, so eine Evaluierung ist im zahnärztlichen Bereich rasch durchgeführt. Unser Beruf ist sowohl für uns selbst, als auch für unser Personal äußerst gefährlich. In Zeiten von HIV und Hepatitis C lauern vielfältige Gefahren: Inhalation des Aerosols am Behandlungsstuhl, alle Arten von mechanischen Verletzungen bei Stuhlassistenz, Mundhygiene und Instrumentenreinigung, Amalgam aufgrund des hautsensibilisierenden Quecksilbers usw.

Mutterschutzgesetz 1979
Wohlgemerkt, diese Gefahren bestehen für uns alle und immer, sind also als berufsbegleitend aufzufassen. Die Kardinalfrage ist nun, ob diese stetige Allgemeingefährdung alleine schon ausreicht, den Tätigkeitsbereich einer Schwangeren weitestgehend einzuschränken (die Absenz von der Arbeit an Röntgeneinrichtungen steht natürlich vollkommen außer Streit!).
Das Mutterschutzgesetz von 1979 spricht hier in seinem § 4 Abs. 2 Z4 deutliche Worte. Unter „für Schwangere verbotene Arbeiten" wird u.a. angeführt: „Arbeiten, bei denen werdende Mütter Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen ... ... ausgesetzt sind, bei denen eine Schädigung nicht ausgeschlossen werden kann." Die Novellierung BGBl. Nr. 434/1995, wirksam mit 1.7.1995, hat das Verbot der Beschäftigung mit biologischen Arbeitsstoffen zum Inhalt. Eine kurze Aufzählung der für schwangere Assistentinnen in Hinkunft verbotenen Arbeiten:

a) Assistenz am Behandlungsstuhl
b) Instrumentenreinigung/-desinfektion
c) Mundhygienesitzungen durchführen
d) Mit Amalgam hantieren
e) Röntgenbilder anfertigen

Erstaunlich ist nur, dass dieser an sich so eindeutige Gesetzestext bisher von Arbeitsinspektorat zu Arbeitsinspektorat unterschiedlich ausgelegt wurde. Ich selbst hatte z.B. in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts in meiner Ordination in drei aufeinander folgenden Jahren drei Schwangerschaften. In allen Fällen waren damals Kontrollpersonen (vermutlich Arbeitsinspektorinnen) vor Ort, die die jeweilige Schwangere ausführlich befragt haben. Meine Helferinnen haben alle ehrlich Auskunft gegeben. Von Einschränkungen wie oben erwähnt (Ausnahme Punkt e!) war dabei aber nie die Rede!

Vollziehung unterschiedlich
Und so sollen die Arbeitsinspektorate laut Frau Mag. Eigruber auch heute noch „unterschiedlich scharf" bei der Vollziehung des Mutterschutzgesetzes vorgehen. Dies wird jedoch vom Zentralen Arbeitsinspektorat entschieden in Abrede gestellt, die hier „für föderalistische Auslegungen keinerlei Platz" sieht. So meint man dort: „Bei den Beschäftigungsverboten muss immer auch beachtet werden, dass nicht nur der Schutz der Arbeitnehmerin, sondern auch der Schutz des Lebens und der Gesundheit des ungeborenen Kindes zu gewährleisten ist." Und genau an diesem Punkt ist dem Gesetzgeber eine schlimme Inkonsequenz nachzuweisen: Würde es ihm nämlich wirklich bedingungslos um den Schutz des ungeborenen Lebens gehen, müsste auch das Kind im Leib der freiberuflich tätigen Kollegin geschützt werden, wobei allerdings völlig ungeklärt wäre, wer für den unweigerlich eintretenden Vermögensschaden aufzukommen hat. Einem Virus ist es jedenfalls völlig egal, wen es infiziert. Wir stehen heute aber vor der paradoxen Situation, dass trotz aller Beteuerungen das Kind einer freiberuflich tätigen Kollegin eben keinerlei einschlägigen Schutz durch den Gesetzgeber genießt. Eine Juristin, die ich mit diesem Paradoxon konfrontiert habe, hat mir schlicht erwidert: „Was wollen Sie eigentlich, töten darf sie ihr Kind ja auch!" Dieses Argument hat mich zum Verstummen gebracht, es ist unwiderlegbar. Zentrales Arbeitsinspektorat und Arbeiterkammer sind dafür übrigens aufgrund der Rechtslage nicht zuständig. Beide sehen ihre erklärte Aufgabe im Schutz der Arbeitnehmerin und ihres Kindes. Und beide meinen übereinstimmend, dass die in Rede stehenden beruflichen Einschränkungen für alle einschlägig im medizinschen Bereich beschäftigten Arbeitnehmerinnen zu gelten haben, also auch für Ärztinnen, Krankenschwestern und sämtliche Ordinationshilfen von Ärzten, so sie solche Arbeiten zu verrichten haben.

Ich habe natürlich versucht zu recherchieren, inwieweit die Mutterschutzbestimmungen heute umgesetzt werden. Frau Mag. Eigruber hat mir gesagt, dass das in Oberösterreich geschieht, Direktionsrat Karl Georg von der NÖGKK hat mir Analoges für die Ambulatorien der NÖGKK bestätigt. Ich habe es natürlich auch bei der Österreichischen Ärztekammer versucht. Ein Mail an Kammeramtsdirektor Dr. Kux blieb zunächst unbeantwortet, schließlich rief mich aber doch ein Kammermitarbeiter an. Das Gespräch war für mich unerfreulich. Da ich nichts Schriftliches erhalten habe, gebe ich den Inhalt auch nicht wieder. Ob die Mutterschutzregelung in den Ärztepraxen umgesetzt wird oder nicht, werden wohl die ArbeitsinspektorInnen feststellen müssen.

Kommen wir nun aber zu der Bedeutung, die die einschneidenden Regelungen für uns niedergelassene ZahnärztInnen haben: Was eine Schwangere nun alles nicht mehr machen darf, das wissen wir jetzt, aber was darf sie eigentlich noch tun? PC-Arbeit, Kartei- und sonstige Buchführung, Dienst an Empfang und Telefon sowie Terminvergabe. Eine Umfrage in KollegInnenkreisen hat ergeben, dass der solcherart eingetretene Arbeitsverlust für den Betrieb mit etwa 80% eingeschätzt werden muss. In einer größeren Ordination mit mehreren Mitarbeiterinnen wird sich das Problem unter gewissen Schwierigkeiten wohl meistern lassen.

Hat aber irgendjemand an den jungen Wahlarzt gedacht, der seine kleine Ordination unter der Aufnahme erheblicher Kreditsummen gerade eingerichtet hat und dessen teure - und manchmal wohl auch einzige! - Assistentin schwanger wird? Oder an den Kollegen (ich habe so einen Fall erlebt!), dem im Abstand von vier Wochen seine beiden Assistentinnen schwanger wurden? Wer assistiert diesen Kollegen am Stuhl? Wer reinigt/desinfiziert die Instrumente?

Vermögensnachteil
Schon bisher war jede Schwangerschaft ein grober aber durchaus unverschuldeter Vermögensnachteil für den/die OrdinationsinhaberIn. Unter den „neuen" Bedingungen können sich Schwangerschaften leicht zur Existenzbedrohung für unsere Kleinbetriebe auswachsen. Was würde z.B. mit einer Firma passieren, von deren 500 Mitarbeitern 400 erzwungenermaßen unter Fortzahlung des vollen Gehaltes nur mehr 20% ihrer Leistung bringen dürften? Die würde vermutlich mit Steuergeldern durchgefüttert, da sie ja groß genug ist, um z.B. einen Arbeitsplatzfaktor für eine Region darzustellen. Für den Inhaber einer Kleinstruktur gibt es bestenfalls ein „Pech gehabt!" und einen Tritt in den Hintern.

Aber versuchen wir doch einmal, den Spieß umzudrehen. Was wäre, wenn ich eines Tages vor meine Assistentinnen hintreten und sagen würde: „Meine Frau erwartet ein Kind, und ihr wisst ja alle, dass dadurch Kosten anfallen. Ihr müsst mir eure Solidarität dadurch beweisen, dass ihr ab jetzt auf 20% eures Gehaltes verzichtet!" Ich glaube, GPA-Chef Katzian würde einen Tobsuchtsanfall kriegen und manche seiner Kollegen vielleicht sogar „die Republik brennen" sehen. Von uns aber wird wie selbstverständlich erwartet, dass wir für Kinder, die wir nicht gezeugt haben (zumeist zumindestens), vollkommen unschuldig schwerwiegendste Vermögensnachteile in Kauf zu nehmen haben.

Es sei nicht verschwiegen, dass ich mir bei den Recherchen zu diesem Artikel nicht nur Freunde gemacht habe. Es gab welche - und es waren nicht die Allerunbedeutendsten! - die gemeint haben, ein derartig offener Bericht sei grob kontraproduktiv. Diejenigen, die solcherart meinen, einer Vogel-Strauß-Politik das Wort reden zu müssen, haben nur auf eine Kleinigkeit vergessen: dass nämlich KollegInnen in Unkenntnis der Rechtslage Gefahr laufen, im worst case mit horrenden Schadenersatzforderungen klagewilliger Helferinnen konfrontiert zu werden. Im äußerst unwahrscheinlichen Fall einer durch gesetzwidrige Weíterbeschäftigung in der Schwangerschaft verursachten „schwerwiegenden" Infektion von Mutter und vielleicht auch Kind könnte ein derartiger Schadenersatzprozess leicht die Existenz kosten! Das Fazit ist für uns sehr bitter: In durchaus ehrenwerter Absicht dürften die verantwortlichen Behörden hier wohl etwas übers Ziel geschossen haben. Denn ich weiß nicht, ob es auch nur einen einzigen dokumentierten Fall gibt, bei dem eine schwangere zahnärztliche Assistentin nachweislich aufgrund der „alten" und durchaus sinnhaften und praktikablen Regelung zu Schaden gekommen wäre. Leben ist immer lebensgefährlich, das gilt auch für Schwangere. Die „neue" Regelung könnte Schutz für die Schwangere bieten, bis alles in Scherben fällt - ihr Arbeitsplatz zum Beispiel!

Dr. Peter Standenat