Ein seltsames Interview mit Minister Stöger

In der Rubrik „Thema des Tages" finden wir das Interview mit Minister Stöger auf Seite 3 der Presse vom 18. April 2009. Und wenn da gleich in der zweiten Zeile groß geschrieben steht „Was der Minister an Zahnärzten schlecht findet und was er von den Ländern erwartet", sind wir natürlich zunächst einmal ziemlich betroffen. Der Minister findet „etwas an Zahnärzten schlecht". An uns allen? An einigen? Auch an den Kolleginnen? Wir wissen es - noch? - nicht. Also müssen wir weiterlesen.

Aber erstaunlicherweise geht es da zunächst gar nicht um unsere Fehler und Mängel, sondern um die finanzmaroden Kassen und deren Entschuldung. In diesem Zusammenhang fragt die Redakteurin: „... Wäre es nicht gerechter, weniger Kassen mit wirklich gleichen Leistungen anzubieten?" Daraufhin der Minister: „Mit einer Einheitsgebietskrankenkasse wird das System nur schlechter." Und jetzt holt er zum Schlag gegen unseren Stand aus: „Sie brauchen sich nur das System der Zahngesundheit anzuschauen: ein österreichweiter Vertrag, und was bekommen die Menschen tatsächlich geliefert? Da ist der Preis zu hoch und die Leistung zu niedrig. Selbstverwaltete Systeme sind dann effizienter, wenn man ihnen die Luft zum Atmen gibt. Was wir brauchen, sind gleiche Chancen für alle. Ungerechtigkeiten, wie sie zwischen den Systemen von Bauern, Arbeitern und Beamten auftauchen, gehören geändert."

Nach dieser für mich vollkommen rätselhaften Ministeraussage kommen wir Zahnärzte in weiterer Folge gar nicht mehr vor, wir haben also in dieser Sequenz unsere ministeriell verkündeten Mängel aufzuspüren. Einfältig, wie ich manchmal bin, habe ich versucht, den Minister selbst zu erreichen, um ihn zu bitten, das Gesagte zu erläutern. Ein mail an seine SPÖ-Mailadresse wurde schon maschinell zurückgewiesen, ein weiteres an die allgemeine Mailadresse des Gesundheitsministeriums blieb unbeantwortet. Nachdem ich erkannt hatte, dass kleine Menschen Würdenträgern nicht lästig fallen sollen, habe ich versucht, mit Thomas Geiblinger, dem Pressesprecher des Ministers, Kontakt aufzunehmen. Mein Mail an ihn hatte folgende vier Fragen zum Inhalt:

• Wurde der Herr Gesundheitsminister korrekt zitiert?

• Meint er mit „Preis zu hoch", dass die Zahnärzte überhöhte Kassenhonorare erhalten?

• Was meint er mit „Leistung zu niedrig"? Zu wenig Hochwertversorgung für ASVG-Versicherte oder zu geringe Qualität der von den KassenzahnärztInnen erbrachten Leistungen? Oder ganz etwas anderes?

• Meint er, dass unser einheitlicher Gesamtvertrag durch ein anderes Modell ersetzt werden sollte?

Und siehe da, der Pressesprecher hat tatsächlich geantwortet. Die Kernaussage seines Mails wörtlich wiedergegeben: „Ja, das Zitat ist korrekt. Es handelte sich um einen Verweis auf den Gesamtvertrag für Zahnärzte, der aus den 70er-Jahren stammt, mit dem Zitat war allerdings lediglich die Botschaft verknüpft, dass der Leistungsumfang nicht für alle Bevölkerungsgruppen zufriedenstellend geregelt ist".

Geiblinger schrieb es und ließ mich „faustisch" zurück: Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug, als wie zuvor! In einem Antwortmail habe ich Geiblinger über diese Tatsache in Kenntnis gesetzt und ihn nun geradeheraus gefragt, für was genau der Preis nach Meinung des Ministers zu hoch und wessen Leistung zu niedrig sei. Doch Geiblinger schweigt nun schon viele Tage lang, und ich fürchte, dabei wird es auch bleiben.

Nachdem wir aber nun definitiv wissen, dass der Minister korrekt zitiert wurde, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Gesagte noch einmal Punkt für Punkt durchzugehen.

„Mit einer Einheitsgebietskrankenkasse wird das System nur schlechter" - eine rätselhafte Aussage. Es ist mir völlig unverständlich, wozu man in Zeiten einer perfekten EDV noch neun Landesgebietskrankenkassen mit neun bürokratischen Landesstrukturen vom Obmann abwärts braucht. Dass diese Landes-GKK auch noch vollkommen unterschiedliche Selbstbehalte in ihren Satzungen haben, wobei die Differenzen von Bundesland zu Bundesland für ein und die gleiche Leistung bis zu 100% betragen, kann wahrlich auch nicht zur Klärung des Rätsels beitragen! Was da der Föderalismus mit seinen aufgeblähten und teuren Landesstrukturen wirklich bringen soll, ist nicht nur mir völlig schleierhaft.

„Sie brauchen sich nur das System der Zahngesundheit anzuschauen: ein österreichweiter Vertrag, und was bekommen die Menschen tatsächlich geliefert? Da ist der Preis zu hoch und die Leistung zu niedrig."

Auch Geiblinger konnte mir nicht erklären, was an einem österreichweiten Vertrag a priori schlecht sein soll. Und auch die Frage, für was genau der Preis punkto Zahngesundheit zu hoch ist, bleibt unbeantwortet. Geiblingers Versuch der Erklärung, mit dem Zitat sei allerdings lediglich die Botschaft verknüpft gewesen, dass der Leistungsumfang nicht für alle Bevölkerungsgruppen zufriedenstellend geregelt sei, ist ebenfalls rätselhaft. Gerade unser österreichweit gültiger einheitlicher Gesamtvertrag versorgt die Bevölkerung nahezu flächendeckend. Dass es aufgrund der Kassenvielfalt kein 100%ig einheitliches Leistungsangebot gibt, ist eine in der Historie begründete Tatsache und kann keinesfalls den ZahnbehandlerInnen angelastet werden. Wir wären die Ersten, die hier vernünftige Vereinheitlichungen zu annehmbaren Bedingungen begrüßen würden! Und welche (wessen) Leistung ist eigentlich zu niedrig? Die Leistung der ZahnbehandlerInnen? Die organisatorisch-administrative Leistung der politischen Verantwortlichen/des Hauptverbandes/der Kassenfunktionäre? Oder meint der Minister etwa, ein moderner Kassenvertrag müsste auch Hochwertversorgung für die Anspruchsberechtigten beinhalten?

„Selbstverwaltete Systeme sind dann effizienter, wenn man ihnen die Luft zum Atmen gibt." Luft zum Atmen? Atemluft für weiterhin neun Landesgebietskrankenkassen? Da wird man schon die Frage nach der KostenNutzen-Rechnung stellen dürfen: Was kostet der Föderalismus und was bringt er den PatientInnen letztlich wirklich? Was wir brauchen, sind gleiche Chancen für alle.
Meine Bilanz: Ich wünsche mir die ressortzuständigen Politiker sowie Hauptverbands- und Kassenfunktionäre als faire, kompetente Partner, die meinen StandeskollegInnen und mir sowie der Arbeit, die wir für die PatientInnen leisten, mit Respekt begegnen. Und es kann in keinem Fall schaden, wenn man ein eventuelles Reformkonzept gründlich durchdenkt und es mit denen, die es betrifft, rechtzeitig, das heißt bereits im Vorfeld, in allen Details durchspricht.

Was der Minister an mir und meinesgleichen nun letztendlich aber wirklich schlecht findet, habe ich auch nach zigmaliger Lektüre seines Interviews nicht begriffen!

Dr. Peter Standenat

Gesundheitsminister Alois Stöger