Mikrobielle orale Erkrankungen - Teil 4: Parodontitis im Erwachsenenalter

Parodontale Erkrankungen sind ab dem 35. Lebensjahr die häufigste Ursache für Zahnverlust. Die Bestimmung des Ausmaßes des Gewebsverlustes erfolgt über die Beziehung der SchmelzZement-Grenze zur Basis der parodontalen Läsion.

Bis etwa zum 65. Lebensjahr kommt es im Rahmen der Entzündungsschübe bei der parodontalen Erkrankung zu größeren Verlusten an Weichgewebe und Alveolarknochen; die Sondierungstiefen der Taschen an den betroffenen Zähnen nehmen progredient zu. Danach tritt meist eine gewisse Stabilisierung ein.

Die chronische Parodontitis des Erwachsenen basiert auf einer bakteriellen Infektion bzw. einem Ungleichgewicht der oralen Mikroflora, welches zu einer Störung im ökologischen Gleichgewicht der Mundhöhle und zur Auslösung oft überschießender Immunantworten auf den Entzündungsreiz führt. Dieses Wechselspiel zwischen mikrobiellen, immunologischen und genetischen Faktoren führt gemeinsam mit exogenen Triggerfaktoren zur Auslösung und Aufrechterhaltung der Erkrankung.
Erfahrungsgemäß sprechen jüngere Erwachsene trotz der oft häufigeren Entzündungsschübe und des schwereren Verlaufes besser auf eine Therapie an als ältere Patienten.

Faktoren für Rezidivrisiko
Ein wichtiger Parameter für die Abschätzung der Gefahr eines Rezidivs ist die Rebesiedelungsgeschwindigkeit der gingivalen Taschen. Je tiefer sie sind, desto leichter können sich parodontalpathogene Keime wiederum ansiedeln und vermehren.

Ein Hintanhalten von Reinfektionen im Rahmen regelmäßiger Nachsorge ist die Voraussetzung zur Erhaltung der oralen Gesundheit. Dies setzt die Bestimmung eines Recallintervalls, abgestimmt auf das persönliche Risikoprofil des Patienten, voraus.

Bei bisher vorgestellten Modellen werden teilweise unterschiedliche Parameter angegeben. Die wichtigsten:

• Bestimmung des Entzündungsgrades auf Basis der Blutung bei Sondierung der Zahnfleischtasche.
• Sondierbare Taschentiefe: Der Richtwert liegt hier bei Sondierungstiefen von mehr als 5mm
• Verlust an parodontalem Stützgewebe anhand der röntgenologisch festgestellten
• KnochenhöheVertikale Knocheneinbrüche
• Anzahl der wegen parodontalen Ursachen bisher verlorenen Zähne
• Parodontal-pathogene Keime: Zusammensetzung der Sulcusflora; Pathomechanismen und Synergismen der beteiligten Keime
• Exogene Faktoren, wie mangelnde Mundhygiene, subgingivale Restaurationen, Füllungsüberschüsse und subgingivaler Zahnstein
• Exogene Noxen: Nikotin, Alkohol
• Diabetesstatus des Patienten
• Erfassung sämtlicher genetischer und systemischer Parameter

Sämtliche erfassten Daten fließen unter Berücksichtigung des Alters des Patienten in die Beurteilung ein und dienen der Erstellung des persönlichen Risikoprofils. So wird ein individuelles Therapiekonzept erstellt. Der möglichst vollständigen Erfassung der mikrobiellen Situation in Beziehung zu exo- und endogenen Noxen kommt große Bedeutung zu.

Mikrobielle Faktoren
Die Entzündungsbereitschaft der oralen Gewebe auf bakterielle Reize ist individuell unterschiedlich ausgeprägt. Eine gut funktionierende lokale Immunabwehr bewirkt zwar eine Reduktion der aktuellen Keimbelastung, führt aber im Zusammenhang mit der Phagozytose zur Freisetzung lysosomaler Enzyme und durch Ausschüttung von Zytokinen selbst zu Gewebsdestruktion. Prostaglandine, die im Zuge der Wirts-antwort gebildet werden, stimulieren ihrerseits die Knochenresorption. Hinzu kommt noch, dass viele Keime der Sulcusflora selbst über potente Pathomechanismen verfügen.Untersuchungen der Mikroflora bei Patienten mit chronischer Erwachsenenparodontitis zeigen eine Beteiligung zahlreicher unterschiedlicher Keimspezies, wobei ein großer Anteil der Sulcusflora von gramnegativen anaeroben oder fakultativ anaeroben Keimen gebildet wird. Während bestimmte Bakterien in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslösung und Erhaltung der parodontalen Erkrankung stehen, scheinen andere vorwiegend modifizierende bzw. pathogenitätsverstärkende Wirkung zu haben. Typische Parodontalkeime sind Prevotella und Porphyromonasarten, Bacteroidesspezies, Fusobakterien, Treponemen, aber auch einige grampositive Arten wie Peptostreptokokken und Eikenella sp. gehören in diese Gruppe. Im Zuge der Entstehung einer Gingivitis und später Parodontitis kommt es zu deutlichen Veränderungen der Mikroflora. Die letztlich im Sulcus etablierten Keimkollektive weisen dann individuell sehr große Unterschiede in ihrer Zusammensetzung auf. Im Laufe des Fortschreitens der Erkrankung kommt es zu einer selektiven Anreicherung bestimmter Arten mit einer Etablierung einer in sich oft relativ stabilen Keimflora. Innerhalb dieser Mikrobiozönose finden die Keime optimale Wachstums- und Vermehrungsbedingungen vor. Die entzündungsauslösende Wirkung einer Sulcusflora ist nicht nur die Folge der Pathomechanismen der beteiligten Keime, sondern vielmehr des pathologischen Potenzials von synergistisch wirkenden Keimkollektiven.

Je länger eine chronische parodontale Erkrankung besteht, desto häufiger siedeln sich auch nicht-orale atypische Keime wie Klebsiella, Proteus, E. coli, Staphylokokken und ß-haemolysierende Streptokokken an. In tiefen Zahnfleischtaschen findet man häufig auch Candida, die zur Progression der Erkrankung führen. Neben Bakterien können auch Viren in parodontalen Läsionen aggressivere Krankheitsverläufe verursachen. Dazu gehören die Vertreter der Herpesgruppe, welche über lokale Immunsuppression zu Exazerbationen des Entzündungsgeschehens führen. Cytomegalieviren stehen ebenfalls durch ihre immunsupressive Wirkung in Zusammenhang mit nekrotisierenden Parodontitiden.

Ch. Eder, L. Schuder

Anaerobe Bakterienkultur zur Bestimmung der Taschenflora