Interview mit Univ.-Prof. DDr. Georg Watzek

Welchen Stellenwert haben Vergrößerungshilfen in der Zahnmedizin in Österreich bisher gehabt?
WATZEK: Es ist überhaupt keine Diskussion, dass die Mikrochirurgie in der gesamten Medizin immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dies ist ein Prozess, der nun schon über Jahrzehnte in der Allgemeinmedizin vorangeht. Für das Gebiet der Kiefer- und Gesichtschirurgie gilt genau dasselbe. Mikrochirurgisch hergestellte Gefäßanastomosen sind dort überhaupt nicht mehr wegzudenken. In der Zahnmedizin selbst hat es etwas länger gedauert. Pionier war hier sicher Prof. Kim von der Pennsylvania Universität in Philadelphia, der schon vor ungefähr 15 Jahren die Endodontieausbildung für die angehenden Zahnärzte in seiner Abteilung ausschließlich mit Mikroskopen durchgeführt hat und dies bis heute so macht.

In welchen Fachgebieten der Zahnmedizin ist die Vergrößerung nicht mehr wegzudenken?
WATZEK: Generell ist zu sagen: Es gibt kein Fachgebiet, wo eine Vergrößerung des Arbeitsgebietes nicht von Vorteil ist. Ein Fachgebiet hier auszuschließen, ist einfach nicht sinnvoll.

Wo würde es zu einem qualitativen Nachteil kommen, wenn eine Lupe oder ein Mikroskop nicht eingesetzt wird?
WATZEK: Dieselbe Antwort gilt auch hier. Mit einer Vergrößerung, das heißt mit dem Einsatz wenigstens einer Lupe oder eines Operationsmikroskopes, sind Detailprobleme einfach besser zu erkennen. Die Anwendung hat sich also auf Gebiete auszurichten, wo die Vergrößerung einen essenziellen Vorteil bietet. Zu nennen sind hier die Endodontie von Molaren, die Beurteilung von Kronenbeschliffen, die retrograde Füllung bei Wurzelspitzenresektionen, gewisse Formen der Parodontalchirurgie, und langsam, aber sicher auch bestimmte Indikationen in der Implantologie, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Wo sind Lupe oder Mikroskop nicht nur nicht erforderlich, sondern unter Umständen sogar hinderlich?
WATZEK: Die Gefahr in der ausschließlichen Verwendung eines Vergrößerungsbehelfes wie Lupe oder Mikroskop liegt natürlich in einem Verlust der Übersicht. Die Technik ist wirklich nur indiziert zur Diagnostik, Behandlung und Korrektur von Details. Das makroskopische und das mikroskopische Vorgehen müssen also stets sinnvoll miteinander koordiniert werden.

Wenn Sie die Vergangenheit und die Zukunft unter die Lupe nehmen, welchen Stellenwert wird das Mikroskop künftig in der Zahnbehandlung einnehmen? In der oralen Chirurgie? In der allgemeinen Zahnheilkunde?
WATZEK: So wie in der gesamten Medizin wird auch im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde die mikrochirurgische Arbeitstechnik ihren Platz zugewiesen bekommen. Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass jeder Handgriff in der Zahnheilkunde nurmehr unter mikroskopischer Sicht zu machen ist. So wie in der Allgemeinmedizin wird für ganz bestimmte Eingriffe eine Vergrößerung des Behandlungsgebietes von Vorteil und von Nutzen sein. Als Beispiel sei hier angeführt, dass kein Allgemeinchirurg auf die Idee käme, eine Appendektomie mithilfe des Operationsmikroskopes durchzuführen, sehr wohl wäre aber die Durchführung einer Nervanastomose ohne Mikroskop heute nicht mehr vertretbar. Analoges muss für die Zahnheilkunde umgesetzt werden.

Vielen Dank für das Interview!
Das Gespräch führte DDr. Klaus Kotschy

Weiterführende Webadressen:
http://www.bgzmk.meduniwien.ac.at - Bernhard Gottlieb Universitätszahnheilkunde
http://www.dgzmk.de/stellungnahmen_download.php?id=228 - Leitlinie Wurzelspitzenresektion, DGZMK

 

Univ.-Prof. DDr. Georg Watzek