Leserbrief zu Artikel in ZMT 5/09

S.g. Herr Kollege Standenat!

Zunächst möchte ich Ihnen für Ihre stets ganz ausgezeichneten Artikel danken, die mir als altem Landarzt meist aus der Seele sprechen. Da Sie in der o.a. Ausgabe anregten, man möge einige eigene Erfahrungen und Gedanken zu Ihrem Thema mitteilen, sende ich Ihnen einige Zeilen.

A propos Wirtschaft/Praxis. Im oö. Salzkammergut gibt es seit einigen Jahren einen Bankenbetrugsfall mit zeitweise allein über 600 Geschädigten, die von den involvierten Instituten (einer Tierkopfbank, einer Sparkasse und einer dem Volk nahestehenden Bank) freiwillig teil-entschädigt wurden, einige um mehrere 100.000,- € betrogene Kunden führen noch Prozesse. Fünf führende Manager der erstgenannten Bank erstatteten Selbstanzeige wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung", erhielten Bagatellstrafen in zwei Instanzen und wurden kürzlich vom OGH freigesprochen. Die Delikte reichten vom Zinsbetrug, Wertstellungsbetrug bis zum Gebührenbetrug, vor allem aber nichtkorrekte Anpassung der Zinssätze nach Vibor/Euribor in den 80er- und 90er-Jahren.

Der seinerzeitige Minister Böhmdorfer hat, EU-Richtlinien folgend, diesen Unfug der mangelnden bzw. verzögerten Zins-anpassung vor einigen Jahren abgestellt. Dabei gab/gibt es eine Richtlinie (oder ein Gesetz), dass die Banken 30 Jahre lang verpflichtet, alle Kredit- und Kontounterlagen zu speichern und, ev. gegen Kostenersatz, auszufolgen.

Wir haben im Jahr 1985 in Bad Aussee eine Kassenpraxis ZMK eröffnet, damals mit schließlich 3,6 Mio. öS Schulden. Vor drei Jahren haben wir über eine nö. Firma unsere seinerzeitigen Kredite (rückgezahlt bis 1999) überprüfen lassen.

Ergebnis der beiden kleineren Kredite: Die dem Volk nahe stehende Bank hierorts folgte alle Unterlagen (nach Klageandrohung) aus. Wir hatten nach der langen Zeit natürlich kaum noch Belege. Betrugssumme: 11.800,- €.

Die Pferdekopfbank Bad Ischl detto. Betrugssumme: 5.800,- € durch mangelnde Zinsanpassung und dreijährige ungerechtfertigte Verzugszinsen bei laufendem Dauerauftrag.

Der Hauptkredit bestand aber bei der Ärztekammerbank Wien. Diese folgte keinerlei Unterlagen aus; man schrieb mir sinngemäß: „Wenn Sie etwas wollen, klagen Sie doch."

In den 8oer-, 90er-Jahren zahlte man bis zu 10% Zinsen und mehr. Über den Schaden kann man nur mutmaßen.

Die Überprüfungsfirma berichtete, dass der Zins- und Gebührenbetrug besonders in ländlichen Gegenden weit verbreitet sei, im Gegensatz zu den Ballungsräumen. Keine Malversationen fand man bei Bausparern, jedoch sonst sogar bei Bürgeskrediten.

Fazit: Traue niemals einer Bank, schon gar nicht angeblich guten Freunden, die dort arbeiten. Junge Kollegen sollten möglichst wenig Kredit aufnehmen und sich nicht von der Industrie weiße Elefantengeräte aufschwatzen lassen. Was mich nach 24 Praxisjahren immer noch wurmt, ist die zwangsweise doppelt zu bezahlende Pension, was jedem Gleichheitsgrundsatz widerspricht.
Außerdem ist es ein unhaltbarer Zustand, dass wir nun eine eigene Kammer haben, aber der Wohlfahrtsfonds in einer anderen Kammer ist. Dies gehört schleunigst abgestellt. Ein Freiberufler sollte sich um seine Altersvorsorge selbst kümmern können.

Jetzt stehe ich vor der Situation, einen Sohn als Kollegen zu haben (leider nur mehr med.dent), dem ich die Praxis mit Kassenvertrag nicht übergeben kann, weil wir, wenn ich niederlegen würde, beide keinen Vertrag hätten, und er würde ihn wahrscheinlich nicht bekommen bzw. es wäre ein Lotteriespiel. So arbeitet er als Wahlarzt in einer Grazer Ordination auf Gerätegemeinschafts- und Vertretungsbasis. Jeder andere Wirtschaftsbetrieb kann sehr wohl in der Familie weitergegeben werden.

Insgesamt hat aus meiner Sicht sowohl die Aufgabe des Facharztes als auch die separate Kammer nichts außer einer Herabstufung unseres Berufsstandes gebracht, was durch das Bologna-Protokoll weitergeführt werden soll.

Einher geht diese Entwicklung mit dem ausufernden, degenerierten Kapitalismus, Utilitarismus und einem Niedergang von Idealismus und ethischen Grundsätzen.

Manchmal liest man sogar schon in zahnärztlichen Publikationen von „Kunden" statt Patienten, und Anhänger der „med.dent.-Situation" feiern die verkürzte Ausbildungszeit. Wir waren seinerzeit als Vertragsassistenten um die 30 Jahre alt. Na und? Andere Fachrichtungen wurden und werden im selben oder noch späteren Alter Facharzt. Es wird Jahrzehnte brauchen, die Fehlentwicklung „med.dent." zu korrigieren und unseren Berufsstand wieder ärztlich zu emanzipieren, was u.a. ganzheitlich gesehen auch unabdingbar erscheint.

Soweit einige unzeitgemäße Gedanken eines Ihrer Leser.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen!
W. Laserer