Materialunverträglichkeit: Immer wieder Amalgam

Seit etwa 150 Jahren verarbeiten Zahnärzte Amalgam, und genauso lange gibt es immer wieder warnende Stimmen und dann doch wieder Befürwortung.

Die groß angelegte Studie in München brachte kein eindeutiges Ergebnis - abschließend konnte Prof. Dr. Melchart Amalgam weder als harmlos noch als gefährlich einstufen, sowohl Amalgamentfernung als auch eine Lebensstiländerung führten zu einer Besserung der Symptome. Die Medien erklärten Amalgamtausch sofort als Geschäftemacherei - was eigentlich nicht das Studienergebnis war und auch nicht meinen Beobachtungen entspricht.

In Japan ist Amalgam schon einige Jahre verboten - aus Umweltschutzgründen und weil nach einer unfallbedingten Verseuchung eines Meeresabschnittes der Verzehr quecksilberhältiger Fische schwerste neurologische Erkrankungen ausgelöst hatte (Minimatakrankheit).

Einige skandinavische Länder haben Amalgam bereits untersagt, bei uns ist es angeblich in zwei Jahren so weit. Zahlreiche Zahnarztkollegen haben mich gefragt, ob ich das als Erfolg sehe. Nun ja, die rechte Gehirnhälfte freut sich, aber die linke will wissen, womit wir jetzt Löcher füllen sollen - und auch ich habe kein universell verträgliches Material. Was empfehle ich also einem interessierten Patienten?

Prinzipiell ist Amalgam immer ein Risiko und eine Belastung. Von der individuellen, genetisch fixierten Enzymausstattung, intakten Barrieresystemen und der Summe aller bestehenden Belastungen hängt es ab, ob der Organismus Quecksilber abwehren und gegebenenfalls wieder ausscheiden kann. Psychische Probleme, aber auch chronische Infekte verändern die Durchblutung und schaffen ein saures Milieu, wo sich Schadstoffe wie Quecksilber festsetzen können - die schwer wieder mobilisierbar sind.

Wer eigentlich keine Beschwerden hat, aber lieber ein anderes, möglichst sicheres Material möchte, sollte diese Chance bekommen. Bei Gesundheitsproblemen empfehle ich Biotestverfahren, um festzustellen, welche Belastungen tatsächlich aktuell und relevant sind. Bei etwa 50% der Probanden gibt es kein Amalgamproblem zum Testzeitpunkt; dies kann sich mit zunehmenden anderen Belastungen aber ändern.

Viele haben zwar eine Amalgambelastung, andere Probleme stehen aber im Vordergrund und müssen zuerst behoben werden, bevor eine Amalgamsanierung gefahrlos möglich ist. Im Falle einer Dysbiose mit undichten Schleimhäuten kann es sonst beim Herausfräsen zu einer wesentlich stärkeren Belastung mit Zunahme der Symptome kommen. Die Symbioselenkung allein kann andererseits ausreichen, dass Amalgam wieder ausgeschieden werden kann und zumindest für einige Zeit kein Problem mehr darstellt.

Bei starker Amalgambelastung ist es wichtig, die belasteten Organe, eine eventuelle Vorbehandlung, begleitende Ausleitung und verträgliche Alternativmaterialien auszutesten. Gerade weil sich Quecksilber in den Ausleitorganen festsetzt, muss zuerst manchmal eine effiziente Detoxifikation ermöglicht werden.

Vorgehen bei starker Belastung:
Symbioselenkung und Membranstärkung: Manchmal Säuberung mit Leinsamen, Flohsamen, Yuccafasern, Weizengras oder Glaubersalz. Meist Neuaufbau einer günstigen Darmflora mit Milchsäurekeimen (Dünndarm), Bifidus und Coli (Dickdarm). Immer Öle: Leinöl, Lachsöl, Nachtkerze - sie dienen auch zur Ausleitung fettlöslicher Toxine wie Quecksilber. Oft Aminosäure Glutamin und Vitamin B1.

Ankurbelung der Ausleitung: Zink als Schlüsselmineral vieler Enzyme, selten Selen. Cystein als schwefelhältige Aminosäure bindet Quecksilber. Homöopathische, möglichst flüssige Ausleitmittel, am besten für Leber und Niere: Berberis D2, Phytohypophyson C.

Bindung von bereits ausgeschiedenem Quecksilber im Darm als Schutz gegen Rückresorption: Grünalgen (Chlorella oder Spirulina), mikrokristallines Vulkangestein (Froximun), Heilerde.
Nach drei bis sechs Wochen kann der Materialtausch beginnen - immer mit perfekter Absaugung (am besten mit Clean-up-System). Damit sind Hartmetallfräsen in der Turbine kein Problem, weil auch mögliche Dämpfe unmittelbar abgesaugt werden. Je größer die Belastung, umso vorsichtiger sollte man vorgehen:

Starke Belastung, z.B. bei Karzinom: 1-2 Füllungen alle 6 Wochen. Langzeitprovisorien, üblicherweise Glasionomer oder lichthärtender Steinzement, um eine Rückdiffusion aus Dentinkanälchen zu ermöglichen.

Mittlere Belastung: 2 mittlere Füllungen alle 3-4 Wochen. Provisorien, bis alles Amalgam entfernt ist. Nachtesten auf persistierende Belastung vor hochwertiger Versorgung.

Geringe Belastung: Quadrantenweise. Versorgung mit Kunststoffen oder Zirkonoxid meist gleich möglich, bei Goldlegierungen ist eine Mischversorgung ungünstig.

Eine gezielte Ausleitung aus dem Zentralnervensystem soll erst nach Amalgamentfernung und abgeschlossener Entgiftung des Körpers erfolgen, da dabei die Blut-Hirn-Schranke geöffnet werden muss: geeignet sind spagyrischer Koriander und Alphaliponsäure; die periphere Ausleitung soll weitergeführt werden, um keine Rückdiffusion ins Gehirn zu riskieren.

Patienten, denen es gut geht, die aber verunsichert sind und eine Ausleitung möchten, kann man mit einer Standardausleitung helfen, beginnend mit dem ersten Ausfräsen bis etwa 4 Wochen nach der letzten Amalgamentfernung:

  • Spirulina: 2x2 Tbl. zum Essen
  • Zinc 30 (z.B. Pure Encapsulations): nach 17 Uhr 2 Kps./3-4 Wochen, dann 1 Kps.
  • Natürliches Vitamin C: 2x 1g (z.B. Acerola-Lutschtabletten)
  • Phytohypophyson C: 2x 15-20 Tr. (ev. in etwas Wasser - bitter)

Dieses Standardprogramm empfehle ich auch Ordinationsteams, 1-2x im Jahr für 4-8 Wochen.
Im Laufe von 15 Jahren Komplementärmedizin hat Amalgam für mich viel an Schrecken verloren, weil Quecksilber relativ leicht auszuleiten ist. Schwieriger ist es, für Problempatienten geeignete Ersatzmaterialien zu finden: Die allgemein gut verträglichen Provisoriumsmaterialien sind zahntechnisch nicht stabil genug. Sie müssen engmaschig kontrolliert werden und abradieren leicht. Kunststoff muss sorgfältig verarbeitet werden - das braucht Zeit und verursacht Kosten. Zirkonoxidkeramikinlays brauchen Dualkleber zum elastischen Ausgleich - diese haben toxisches und allergenes Potenzial. Meine heiß geliebten Biolegierungen können Einfluss auf die Entzündungsbalance haben (Zytokinverschiebung), Allergien oder Autoimmunerkrankungen auslösen. Auch diese zahlreichen möglichen Schädigungen betreffen nur eine relativ geringe Zahl von Patienten. Wir sollen daher nicht alle verunsichern oder durchtesten. Bei in der Anamnese vorkommenden Entgiftungsschwächen, Allergien oder Autoimmunkrankheiten empfehle ich Austesten verträglicher Materialien. Und natürlich sollen wir Zahnärzte im Falle neu auftretender Symptome wissen, dass unsere Werkstoffe nicht immer harmlos sind und eine Abklärung veranlassen.

Das Auftreten solcher Materialunverträglichkeiten bei fehlenden Hinweisen im Anamneseblatt ist kein ärztlicher Fehler, es gibt keine für Routinechecks geeigneten Vortests - und schon gar keine schulmedizinisch anerkannten oder preisgünstigen. Im Verdachtsfall sollten wir aber auch umständliche Untersuchungen anregen, um den Patienten einen langen Leidensweg zu ersparen, auch wenn dies in einigen Fällen einen nochmaligen Materialtausch erfordert.

Dr. Eva-Maria Höller

Amalgamfüllung zwischen zwei mit Kunststoff gefüllten Zähnen