Praxisübergabe: Auf den Punkt gebracht

Jede Landeszahnärztekammer geht bei der Übergabe von Kassenpraxen einen eigenen Weg. Punkt für Punkt muss die Berechtigung für die Übernahme seitens der Bewerber erarbeitet werden. Das sorgt gelegentlich für Kritik. ZMT hat Dr. Gerhard Ratzenberger, Leiter des Referats für Niederlassungsangelegenheiten der ZÄK Wien, zum Interview gebeten.

Wie meist im Leben geht es ums liebe Geld. Denn die Vorstellungen von Zahnärzten, die ihre Praxis übergeben wollen, und jenen, die sich dafür bewerben, liegen nicht selten etwas mehr als marginal auseinander. „Die Ablöse erfolgt nur für den Wirtschaftsbetrieb und nicht für den Kassenvertrag. Der ist schließlich keine Handelsware", meint Dr. Ratzenberger, in dessen Bereich die meisten Praxen angesiedelt sind. „Allerdings agieren beide Parteien auf einem freien Markt."

Und genau dieser Punkt lässt oft deutlichen Interpretationsspielraum. Denn selten wird eine auf dem letzten Stand der Technik befindliche Praxis übergeben. Die Investitionen werden in den letzten Jahren vor der geplanten Aufgabe einer Praxis meist nicht unerheblich zurückgefahren. Und was dann als „würdige" Ablöse angesehen wird, entzweit nicht selten die akademischen Geister.
Damit dieses Agieren in zivilisierten Bahnen und für den Nachfolger nicht existenzbedrohend abläuft, hat die Kammer eine Schlichtungskommission eingerichtet. Notfalls gibt es auch ein Mediationsverfahren.

„1997 wurde gemeinsam mit der Gebietskrankenkasse ein Kaufpreislimit eingezogen. Üblicherweise wird der durchschnittliche Umsatz aus drei Jahren als Richtwert angesehen. Der ist nämlich schwer veränderbar. Beim Gewinn dagegen gibt es durch Abschreibungen und andere steuerliche Möglichkeiten mehr Interpretationsspielraum", sagt Dr. Ratzenberger. „Unwägbare Parameter können allerdings nur die Betroffenen selbst ausdiskutieren."

„Es hat bisher noch keinen Konkurs nach einer Kassenplanstellenübernahme gegeben. Für uns ist das ein Indiz, dass das System funktioniert", so Dr. Ratzenberger. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wo anders geartete Kriterien zur Anwendung kommen, könne sich in Wien jeder in der Bewerberliste eingetragene Zahnarzt für eine Nachfolge bewerben. Theoretisch auch mit null Punkten. Praktisch erfolgt die erste Bewerbung allerdings immer nach einer gewissen Wartezeit. „Und eine Fortbildung hat der Zahnarzt ja in der Zwischenzeit gemacht", sagt Dr. Ratzenberger. Vorrang hätte natürlich jener Bewerber mit den meisten Punkten. „Vorteile für Kinder von Zahnärzten, die die Praxis des Vaters oder der Mutter übernehmen wollen, gibt es nicht. Da könnte nämlich der Nächstgereihte klagen."

Dass es überhaupt verschiedene Bewerbungskriterien gibt, erklärt Dr. Ratzenberger mit den unterschiedlichen Verhältnissen einer Großstadt wie Wien und ländlichen Regionen. „Dem muss eben Rechnung getragen werden." Früher hätte es Vorreihungen gegeben, wenn sich jemand für eine Nachfolge in einem unterversorgten Gebiet entschlossen hätte. Aber auch das habe sich im Laufe der Zeit geändert.

Kritik über die Nachfolgeregelung aus der Kollegenschaft kontert der Leiter für Niederlassungsangelegenheiten pragmatisch: „Wir bemühen uns zwar, aber bei einem vierstelligen Mitgliederstand wird es immer Kollegen geben, die nicht zufrieden sind. Und schließlich unterliegen wir Funktionäre der freien, demokratischen Wahl. Wenn es andere Meinungen gibt, kann man uns ja abwählen." Dr. Ratzenberger ist seit 1988 Funktionär in der Wiener Landeszahnärztekammer.
Die Reihungsrichtlinienverordnung wurde unter Sozialminister Herbert Haupt erlassen und trat mit 1. Jänner 2003 in Kraft. Sie gilt für alle ab dem Stichtag 1. April 2003 von Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bzw. Zahnärzten und Dentisten ausgeschriebenen Planstellen. Als Grundlage gilt weiterhin der am 30. September 1997 gemeinsam mit der Gebietskrankenkasse erstellte Stellenplan.

Die große Nachfrage nach Zahnarztpraxen mit Kassenvertrag scheint vorerst sowieso vorbei zu sein. Während es 1999 in Wien rund 25 Bewerbungen für eine Nachfolge gab und 2002 sogar bis zu 55 Zahnärzte gerne in die Selbstständigkeit mit Rückhalt einer bestehenden Ordination wechseln wollten, sank die Zahl seither kontinuierlich. Im Vorjahr wollten gerade elf Ärzte eine Praxis übernehmen. „Aktuell haben wir drei Ausschreibungen und etwa zehn bis 15 Bewerbungen. Deren Altersschnitt liegt zwischen 35 und 45 Jahren", sagt Dr. Ratzenberger. „Ausschreibende Kassenzahnärzte müssen vom Antrag auf Ausschreibungen bis zum ersten Gespräch mit dem Erstgereihten mit einer Verfahrensdauer von rund fünf Monaten rechnen."

Auch EU-Ausländer können sich um einen Kassenvertrag bewerben. „Anfangs dachten wir, da würde ein Flut von Bewerbungen auf uns zukommen, aber der Zuzug hält sich mit zehn bis 15 Ärzten seit 2007 in Grenzen", erklärt Dr. Ratzenberger.

Für den Leiter für Wiener Niederlassungsangelegenheiten sind junge Kollegen gut beraten, eine bestehende Praxis zu übernehmen. „Sie treten in eine bestehende Wirtschaftsform ein mit eingespieltem Personal." Dienstverhältnisse gehen nämlich auf den Nachfolger über. „Die Patienten bleiben in ihrem gewohnten Umfeld. Und dann läutet schneller das Telefon, als wenn man mit einer neuen Praxis beginnt", so Dr. Ratzenberger. „Das ist ein nicht zu unterschätzender Startvorteil."

Dr. Fritz Luger

Wiener Reihungskriterien
Berufserfahrung
ab Erlangung der Berufsberechtigung als FA für Zahn-, Mund- u. Kieferheilkunde bzw. Zahnarzt.

1. Berufserfahrung als angestellter und/oder freiberuflicher Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bzw. Zahnarzt: 0,25 Punkte pro Monat, max. 9 Punkte

2. Berufserfahrung als Praxisvertreter in Ordinationen mit Verträgen mit Gebietskrankenkassen: 0,5 Punkte pro 30 Vertretungstage, max. 16 Punkte

3. Berufserfahrung als Praxisvertreter an der ausgeschriebenen Stelle: 1 Punkt pro 30 Tage, max. 10 Punkte

Fachliche Qualifikation

1. Aufgrund von zahnärztlicher Fortbildung: Von der Bundeskurie Zahnärzte anerkannte Fortbildungsveranstaltungen: - 0,07 Punkte pro Fortbildungspunkt gemäß der DFP-Richtlinie der ÖÄK

2. Aufgrund von für die Ausübung der Zahnmedizin relevanten ärztlichen Berufsberechtigungen nach dem Ärztegesetz (z.B. Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Arzt für Allgemeinmedizin etc.): Pro Berufsberechtigung 4 Punkte

3. Aufgrund von zahnärztlichen Qualifikationen aufgrund von Tätigkeiten in Universitätskliniken für Zahnheilkunde. Pro Jahr als angestellter Arzt in Universitätszahnkliniken: 2 Punkte, max. 8 Punkte

Insgesamt können durch die Punkte 1. bis 3. maximal 15 Punkte erworben werden. Für Ausschreibungen im Jahr 2003 werden 9 Punkte, im Jahre 2004 12 Punkte als Höchstzahl für die Bewertung herangezogen.

„Wartezeit" auf der InteressentInnenliste
Die „Wartezeit" beginnt mit dem Datum der Eintragung in die fachspezifischen InteressentInnenlisten der Ärztekammer für Wien oder mit der ersten ordnungsgemäßen Bewerbung für ausgeschriebene Kassenplanstellen nach Erlangung der Berufsberechtigung als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bzw. Zahnarzt: 0,3 Punkte pro Monat, max. 20 Punkte

Bemühung um behindertengerechten Zugang
Schriftliche Zusage, sich ernsthaft zu bemühen, einen behindertengerechten Zugang zur Praxis nach den Bestimmungen der Ö-Norm 1600 „barrierefreies Bauen" sowie der Ö-Norm 1601 „spezielle Baulichkeiten für behinderte und alte Menschen" bei Vertragsbeginn oder innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsbeginn zu schaffen:
2 Punkte

http://wr.zahnaerztekammer.at

Dr. Gerhard Ratzenberger