Einsparungen im niedergelassenen zahnärztlichen Bereich unmöglich

Erinnern Sie sich noch an Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky - die Mulatschak-Tänzerin mit dem ausgeprägten Selbstbewusstsein? Und auch noch an das, was uns vor etwa einem dreiviertel Jahr als Reform der Kassensanierung verkauft werden sollte?

Man könnte heute den Mantel des Schweigens über den damaligen Quatsch breiten, wäre da nicht die prinzipielle Fragestellung, die auch heute noch von unveränderter Brisanz ist: Kann man durch Einsparungsmaßnahmen im niedergelassenen (zahn-)ärztlichen Bereich die finanzmaroden Kassen sanieren?

Unstrittig ist, dass die meisten Krankenkassen heute große finanzielle Probleme haben, eine Situation, die sich gerade in der allerletzten Zeit noch dramatisch verschlechtert hat. Es besteht also akuter Handlungsbedarf für Politiker und hohe Kassenfunktionäre. Seit dem legendären „Es reicht!" Sager eines ehemaligen Vizekanzlers ist nun aber schon wieder über ein halbes Jahr vergangen, ohne dass die Probleme irgendeiner grundsätzlichen Lösung zugeführt worden wären. Es wird lediglich die „Entschuldung" der Kassen angedacht, wobei lebhaft darüber gestritten wird, unter welchen Bedingungen das geschehen soll. Neu im Problemsortiment haben wir mittlerweile eine gewaltige Weltwirtschaftskrise, die mit Sicherheit dazu geeignet ist, die Situation der Krankenkassen auf die eine oder andere Weise weiter zu verschlechtern.

Keine Ursachenanalyse
Mehr als erstaunlich ist, dass bis zum heutigen Tage keine detaillierte Ursachenanalyse der aktuellen Kassenmisere bekannt gemacht wurde. Sollte es eine solche überhaupt geben, wird sie wohl sorgfältig unter Verschluss gehalten. Man hört lediglich Geraune von teuren Spitälern, Spielzeuge in den Händen föderalismusgeiler Landeshauptleute. Weitere Gerüchte besagen, dass vergangene Regierungen durch diverse nicht näher definierte Maßnahmen auch maßgeblich zur Finanzproblematik der Krankenkassen beigetragen haben. Dies veranlasste einen hohen Kassenfunktionär zu der Aussage, er wolle gesetzgeberverordnete finanzielle Nachteile, die seine Kasse in Kauf nehmen musste, durch den Staat ausgeglichen haben. An das durch diese Äußerung hervorgerufene brüllende Gelächter im Kollegenkreis kann ich mich gut erinnern. Ein Witzbold hat damals die Frage aufgeworfen, wie es denn wäre, wenn auch wir ZahnärztInnen eine analoge Forderung erheben würden? Von der unechten Mehrwertsteuerbefreiung über die Zwangsanpassung der Bauernkrankenkassensätze an das ASVG-Niveau bis zu den immer weiter ausufernden Dokumentationspflichten gäbe es da ein reiches Wiedergutmachungsfeld für den Staat! Was würde der oben genannte Funktionär wohl sagen, wenn wir diese Forderung tatsächlich also auch erheben würden? Irgendetwas von „geldgierigen Zahnärzten" vermutlich. Schon Curt Goetz sagte, dass die meisten Menschen zwei Arten von Moral haben, eine für sich selbst und eine für die anderen!

Kassenhonorare
Nun gut, das Problem haben wir, die Ursachenanalyse hingegen nicht. Uns bewegt natürlich in erster Linie die Frage, ob wir ZahnärztInnen in irgendeiner Form Mitschuld an der derzeitigen Misere haben. Die könnte z.B. darin bestehen, dass unsere übermotivierte Standesvertre-tung in Ausübung ihrer Pflicht die Gegenseite bei der Aushandlung der Honorare für den Kassenvertrag jedes Jahr kräftig über den Tisch zieht und wir daher weit überhöhte Kassenhonorare erhalten. Nun, so einen Stumpfsinn hat nicht einmal Andrea Kdolsky in ihren wildesten Zeiten behauptet. Ganz im Gegenteil, es herrscht breiter Konsens darüber, dass die Kassenhonorare weder kostendeckend sind noch jährlich adäquat angepasst werden. Das kann es also nicht sein, was aber dann? Die Zeiten, in denen der Staat den jungen KollegInnen bei der Existenzgründung durch das Recht des Vorsteuerabzuges geholfen hat, sind längst vorbei. Heute müssen wir zu Existenzgründungszeiten und danach alles mit 120% bezahlen, was eine krasse Benachteiligung allen anderen Unternehmern (Zahntechniker ausgenommen!) gegenüber darstellt. Also auch hier findet sich nicht der Funken eines Einsparungspotenzials. Es konnten auch die Schikanenerfinder der letzten Gesundheitsreform (Quittung nach jedem Patientenbesuch, leichtere Vertragskündigungsmöglichkeit etc.) zu keinem Zeitpunkt erklären, was diese Maßnahmen an konkretem Geld für die Kassen hätten bringen sollen.

Was aber wollen die Entscheidungsträger dann eigentlich wirklich von uns? Pessimisten meinen, dass es die prinzipielle Absicht der hohen Herrschaften sei, den niedergelassenen (zahn-)ärztlichen Bereich durch Belastungen, Vorschriften und Schikanen aller Art über kurz oder lang systematisch zur Aufgabe zu zwingen. Je nach ideologischer Einstellung wird die ideale Gesundheitsversorgung der Zukunft in staatsnahen Ambulatorien oder großen Privatunternehmungen gesehen. Dass beide Einrichtungen wohl nur in Ballungsräumen zu finden sein werden, das „flache Land" hingegen unversorgt bliebe, ficht die einschlägigen Visionäre nicht an. Und auch von der EU weiß man ja, dass deren Liebe zu Kleinststrukturen bekanntermaßen eine durchaus enden wollende ist.

Sachverstand fehlt
So weit, so schlecht. Uns bleibt jedenfalls nur zu wünschen, dass wir so etwas wie die Kassensanierungsreform von 2008 nicht mehr wieder erleben müssen. Bis heute bin ich über die Inkompetenz der damals handelnden Personen erschüttert. Es hat auch gar nichts gebracht, dass Ministerin Kdolsky eine Fachfrau war. Denn bei ihrer Performance haben wir uns alle nach der gut be„hüteten" Gräfin zurückgesehnt, was wir uns wiederum zu deren Amtszeiten eigentlich nicht so recht hätten vorstellen können. Und auch Präpotenz hilft dort nicht weiter, wo Sachverstand und guter Wille fehlen. Bleibt als bitteres Resümee die Hoffnung, dass auch sämtliche Berater der damals handelnden Personen in die Wüste geschickt worden sind!

Wir aber müssen in die Zukunft schauen. Seit einiger Zeit verhandeln unsere Kammervertreter über eine der neuen Zeit angepasste gesamtvertragliche Vereinbarung („Zahn neu"). Es gibt nun viele Vorstellungen darüber, was so ein Kassenvertrag der Zukunft beinhalten und was im außervertraglichen Raum verbleiben soll. Von der Vertragspartner- und Politikerseite wird uns jedenfalls ununterbrochen gesagt, was für ein Anliegen ihnen doch die Qualität unserer Arbeit ist. Nun ist es gerade bei der Zahnheilkunde so, dass es da neben unserer geistigen Leistung und unserem handwerklichen Können schlicht und einfach um Fertigungsprozesse geht. Deren Qualität ist - wie das eben bei allen anderen Fertigungsprozessen auch so ist! - nicht nur von unserem individuellen Können, sondern auch von anderen Faktoren abhängig. In manchen Hirnen keimt nun vermutlich die groteske Idee, man könnte einerseits bei den schon jetzt nicht kostendeckenden Kassenhonoraren zu Sanierungszwecken einsparen, andererseits aber höchste Fertigungsqualität einfach per Gesetz verordnen. Erhöhte Qualitätsansprüche verlangen nach adäquater, zeitgemäßer Honorierung und damit nach höheren Kas-senhonoraren, alles andere sind planwirtschaftliche Träumereien. Denn jede Kollegin und jeder Kollege weiß, dass es die Quersubventionierung, dass nämlich Privatleistungen die Kassenleistungen subventionieren, schon lange nicht mehr gibt. Stellen Sie sich das einmal beim Autohandel vor: Autohändler werden per Gesetz gezwungen, die kleinen Modelle unter dem Einkaufspreis abzugeben, und das mit dem Hinweis, sie könnten den so entstandenen Verlust ja mit dem überteuerten Verkauf von Spitzenmodellen wieder hereinbringen! Man greift sich an den Kopf. Dass dieses Modell vor Jahrzehnten tatsächlich funktioniert hat, war nur der Tatsache zuzuschreiben, dass es damals noch viel weniger KollegInnen und keinen Zahntourismus gegeben hat.

Patienteninteressen
Die hohen Herrschaften werden um eine grundsätzliche Entscheidung nicht herumkommen: Entweder es geht ihnen um die Kassensanierung auf Kosten des niedergelassenen zahnärztlichen Bereiches und damit unweigerlich auch auf Kosten der Patienten. Dann müssen sie das mit einem bunten Mix aus brutalem Willen zum Kaputtsparen an sich noch funktionierender Strukturen und einer Flut schikanöser gesetzlicher Zwänge versuchen. Was dabei herauskommen wird, kann man sich mit einiger Fantasie ausmalen. Oder es geht um die Interessen der Patienten, um eine wirkliche Qualitätssteigerung also. Dann müssen sie konsequenterweise aber auch Geld in die Hand nehmen, um es dafür einzusetzen. Themenbezogene Einsparungs- und Sanierungsideen haben dann keinen Platz mehr. Die hohe Politik ist jedenfalls gefordert. An ihren Taten wird sie zu messen sein.

Dr. Peter Standenat