Kronen resistent gegen Finanzkrise

Die von den USA ausgegangene und dann auf Europa übergeschwappte Finanzkrise schlägt längst auch auf die reale Wirtschaft durch. Täglich bringen Medien neue Meldungen von zunehmender Kaufzurückhaltung der Konsumenten und über Auftrags- und Umsatzrückgänge in Industrie und Handel sowie Kündigungen in Unternehmen. Auf Österreichs Zahnärzte dagegen scheint es bisher noch keine Auswirkungen zu geben.

„Wir haben aus der Kollegenschaft noch keine Meldungen, dass es einen Patientenrückgang gäbe", sagt Dr. Erwin Senoner, Präsident der Landeszahnärztekammer Salzburger sowie Vizepräsident der Österreichischen Zahnärztekammer und dort auch für das Pressereferat verantwortlich, im Gespräch mit Zahn.Medizin.Technik (ZMT).

Während der Dollar verfällt und die Nachfrage nach Konsumgütern stagniert - besonders betroffen ist die Immobilien- und Autobranche - zeigt bisher der Lebensmittelhandel kaum nennenswerte Einbrüche. Wer sich sonst wenig gönnt will wenigsten gut essen, lautet das Motto: Gute Voraussetzungen für die zahnärztliche Tätigkeit. Die Nachfrage nach Kronen könnte somit auch in Krisenzeiten konstant bleiben.

Unterschiedlich betroffen von der Immobilienkrise und dem Einbruch auf den Aktienmärkten sind allerdings die in den einzelnen Landesärztekammern angesiedelten Wohlfahrtsfonds der Zahnärzte. Einige hatten laut Senoner auch Wertpapiere der Mitte September 2008 insolvent gewordenen US-Bank Lehman Brothers in ihrem Portfolio gehabt und dadurch Einbußen hinnehmen müssen, was bei den betroffenen Landesgesellschaften zu Leistungsreduktionen bis in zweistellige Prozentbereiche führen könnte.

Der Salzburger Wohlfahrtsfonds sei allerdings nicht betroffen, so Senoner. „Bei uns wird es keine Rückgänge bei den Auszahlungen und keine Beitragserhöhung geben" versichert der Landespräsident. Das Salzburger Portfolio beinhalte rund neun Prozent Aktien und 15 Prozent Immobilien, der Rest seien festverzinsliche Papiere. Das entpuppt sich in Zeiten der Kursstürze als konservative und werthaltige Mischung.

Salzburgs Zahnärztekammer fährt dabei seit über zehn Jahren zweigleisig: So wandern 52 Prozent einer dort eingezahlten Höchstbemessungsgrundlage nach dem Kapitaldeckungsverfahren auf ein Individualkonto, 48 Prozent des Betrages werden für das Umlageverfahren verwendet.

Der von vielen Zahnärzten geforderte einheitliche, Bundesländer übergreifende und Österreich weite Wohlfahrtsfonds sei, so Senoner, nicht durchführbar: "Rein rechnerisch ist das nicht machbar, hat uns der von uns beauftragte Versicherungsmathematiker Professor Leo Chini erklärt." Da in jedem Bundesland der zahnärztliche Wohlfahrtsfonds Teil der dortigen Ärztekammer sei und es unterschiedliche Vorgaben gebe, sei dies rein rechnerisch nicht machbar. „Das würde eine Prozessflut auslösen, da jeder klagen würde, der sich benachteiligt fühlt", meint Senoner.

Verschwiegen zeigt sich der Vizepräsident der Zahnärztekammer Österreichs über die Gesamtkapitalisierung des Wohlfahrtsfonds. Das sei kein Thema in der Öffentlichkeit. Allerdings kritisieren auch manche Zahnärzte, dass sie als Kammermitglieder ebenfalls keine Auskunft in dieser Richtung erhielten.

Während manche Länderwohlfahrtfonds durch ihre Anlagestrategie im vergangenen Jahr Verluste einfuhren hat die 2005 gegründete Österreichische Zahnärztliche registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung (ÖZG), im Vorjahr ebenfalls keinen Euro bei ihrer Veranlagungsstrategie einbüßen müssen. Senoner, der seit 1989 an der Verwirklichung einer solchen Genossenschaft arbeitete und nun dort Vorsitzender des Aufsichtsrates ist: „Wir haben nur in Festgeld veranlagt. Und ich würde auch einer Aktienveranlagung nie zustimmen."

In Salzburg sei bereits rund die Hälfte der Zahnärzte Mitglieder der ÖZG, die raschere Expansion in andere Bundesländer werde sukzessive in Angriff genommen. Kleine Erfolge sieht Senoner bereits, auch wenn er von seinen Zielen noch weit entfernt sei: „Früher waren wir etwa bei Verbrauchsmaterialien die Melkkühe, die Preise lagen vergleichsweise oft rund 100 Prozent über jenen von Schweden." Das habe sich inzwischen deutlich geändert. „Wir müssen aber im Zuge der zunehmenden Marktbereinigung Schutzmauern aufbauen, damit dann die Preise nicht hinaufgehen", so Senoner.

Derzeit baue die ÖZG eine Niederlassungsberatung für ihre Mitglieder auf, um sie vor finanziellen Fehltritten - etwa im Zuge einer Ordinationseröffnung - schützen. „Die Industrie bietet alles an und rät zu allem, was sie verkaufen kann", warnt Senoner. Das habe in den vergangenen Jahren zu einem Ansteigen der Ausgleiche und Konkurse unter den heimischen Zahnärzten geführt. „Wir nagen zwar nicht am Hungertuch, aber wir sind längst nicht die Spitzenverdiener unter den Ärzten und wir agieren in einer investitionsintensiven Branche" versichert Senoner. Die Firmen würden außerdem junge Kollegen zu hohen Investitionen verleiten.

Manche der aktuell 3731 niedergelassenen Zahnärzte (gesamt 4548, Mitgliederstand der Kammer Jänner 2009) würden nach dem Motto leben: „Umsatz ist gleich Gewinn." Die von Senoner angeregte ökonomische Ausbildung während des Studiums fand allerdings nicht genug Zuspruch und kam niemals auf den Lehrplan. „Schließlich haften Zahnärzte mit ihrem Privatvermögen für Firmenverbindlichkeiten."

In Deutschland stehe bereits jede dritte Ordination unter Bankenaufsicht, meint Senoner. In Österreich sei es nicht ganz so arg. Allerdings zeigten sich zunehmend auch hier die Banken - bereits vor der Finanzkrise - restriktiv mit der Erteilung von Krediten an junge Zahnärzte, die sich eine Ordination einrichten wollen.

Dazu komme noch, dass sich die Einkommenssituation zunehmend verschlechtere. „Wenn es einmal goldene Jahre gab, dann sind die längst vorbei", meint der Zahnärztevertreter, der schätzt, dass ein Großteil der Zahnärzte auch jenseits des 65. Lebensjahres noch in ihrer Ordination stehen.

Die Tarife der Krankenkassen seien zum Teil extrem schlecht - vor allem in der Zahnerhaltung. „Viele müssen letztlich mit Privatleistungen ihre Ordination quer subventionieren", versichert Senoner, der einen Vergleich bemüht: „Das Verhältnis zu den Krankenkassen ist ein jahrzehntelang eingespieltes Arbeitsverhältnis, aber keine Liebe."

Dr. Fritz Luger