Der Zahnarzt im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem, psychischem und physischem Druck

ZahnärztInnen, ZahntechnikerInnen und deren MitarbeiterInnen stehen unter großem wirtschaftlichem, psychischem und physischem Druck. Einerseits durch die Erwartungshaltung von PatientInnen auf bestmögliche Betreuung und Heilung, anderseits durch Zeitdruck, Arbeitsbedingungen, umfangreiche Verwaltungsaufgaben, viele zwischenmenschliche Kontakte und immer häufiger auch durch Existenzängste. ZahnärztInnen sind täglich mit Leid, Hoffnung und konkreten, wie diffusen Ängsten konfrontiert und arbeiten deshalb unter hohem Stresspegel.

Nicht nur medizinische Kompetenz und handwerkliches Geschick, sondern auch psychologisches Einfühlungsvermögen und Verständnis, sowohl für Patienten, als auch für Mitarbeiter werden ebenso verlangt, wie Stressresistenz, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Führungsstärke und hohe ethische Entscheidungsmaximen. Unternehmerische Kompetenz wird ganz besonders an den selbständigen Arzt gestellt. Ein wachsender "Zahnarzttourismus" in Nachbarländer und ständige Berichte über die Wirtschaftskrise, tun das Ihrige dazu, um die derzeitige Situation zu erschweren.

Dabei kommt das für den Patienten und Arzt so notwendige Gespräch oft viel zu kurz. Wenn aber diese kommunikative Zuwendung mit den Patienten aufgrund des „Massenbetriebes" nicht mehr möglich ist, fällt das mit der Zeit auf Ärzte und Mitarbeiter selbst zurück, sie werden vermehrt zu „Leidenden" an Ihrer eigenen Profession und fühlen sich ausgebrannt. In den Gesprächen kommt immer wieder heraus, dass gar nicht so wenige Ärzte ihren Beruf nicht noch einmal wählen würden.

Die Rolle des Arztes hat sich weiterentwickelt, die des Patienten auch. Der Zahnarzt als Gesundheits-Dienstleister und der Patient als Kunde. Der Wandel vom Patienten zum Gesundheitskunden ist voll im Gange. Der Patient wird in Zukunft mehr Verantwortung für seine Gesundheit übernehmen müssen, einen höheren finanziellen Eigenanteil bezahlen und somit auch stärker über seine Therapie und Medikation mitentscheiden. Patienten haben heute einerseits ein hohes Krankheitsverständnis und hinterfragen selbstbewusst die vom Zahnarzt empfohlenen Behandlungen, andererseits ist keine andere ärztliche Maßnahme so häufig mit Angst besetzt, wie die zahnärztliche Therapie. Sehr viele Patienten sind von der „normalen" Angst betroffen, ungefähr 15% der Bevölkerung leiden an einer Oralophobie und gehen deshalb nur unter großen Ängsten zum Zahnarzt. Daher sollte der Zahnarzt das Gebiss nicht nur als Kauwerkzeug, sondern die gesamte Mundhöhle als ein hochsensibles Wahrnehmungs- und Sinnesorgan betrachten. Es gibt in der Medizin kein der Oralophobie vergleichbares Phänomen. Der Umgang mit Angst in der Praxis kann für den Zahnarzt sehr belastend sein, wird aber in der Ausbildung zuwenig thematisiert.

Häufig versuchen die betroffenen ÄrztInnen ihre Belastungen zu reduzieren. Die Probleme verringern sich aber nicht, wenn man der stresshaften Situation aus dem Weg geht, vielleicht Tabletten nimmt, extrem raucht, oder trinkt - im Gegenteil! Durch die veränderte Persönlichkeitsstruktur werden auch alle Sozialkontakte schlechter und der Stress wird dadurch noch massiver. Gefährdet sind dabei vor allem junge, engagierte Mediziner, die unter extremen Druck stehen, da sie große Verantwortung und enorme finanzielle Belastungen tragen. Der junge Arzt macht sich hoch motiviert an seine Aufgabe und investiert die gesamte Kraft in seine Praxis, um kranke Menschen nach bestem Wissen und Gewissen zu heilen. Politische- ökonomische- und Sachzwänge, sowie die Erfahrung an die eigenen und die Grenzen der Medizin zu stoßen, können nach und nach zu Frustration, Stress und dem gefürchteten Burn-out-Syndrom führen.

Das „Ausbrennen" schreitet weiter voran. Maßnahmen, die bei einer Person negativen Stress oder ein Burn-out Syndrom verhindern, können bei anderen völlig wirkungslos bleiben, oder gar kontraproduktiv wirken. Allgemeine Ratschläge sind daher nicht möglich und unangebracht. Vielmehr ist im Bedarfsfall eine individuelle Analyse und Beratung durch Fachleute notwendig.

Dr. Andreas Kienzl
Praxis Coaching und persönliche Beratung

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